Auf dem Gemeindegebiet von Rechnitz konnten mittels luftbildarchäologischer Auswertungen und geophysikalischer Messungen die Befunde dreier mittelneolithischer Kreisgrabenanlagen nachgewiesen werden. „Durch die Existenz von gleich drei dieser monumentalen Bauten aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander kann der Fundort Rechnitz als überregionales Zentrum im Mittelneolithikum gelten“, führt Mag. Nikolaus Franz, Leiter der referatsinternen Kompetenzeinheit Archäologie Burgenland aus. Selbstverständlich gefährden alle zukünftigen Umsetzungsarbeiten am Projektgelände auch die archäologischen Bodenbefunde. „Diese müssen deswegen vor den Bauarbeiten fachgerecht ausgegraben und dokumentiert werden“, ergänzt Franz.
Ein Fenster in die Steinzeit
Die Projektfläche in Rechnitz wird durch eine Reihe von Maßnahmen archäologisch und kulturtouristisch erschlossen. Sie befindet sich auf den südöstlich an das Ortsgebiet von Rechnitz anschließenden Feldern. Die Kreisgrabenanlage Rechnitz 1 liegt im Bereich zweier neolithischer Siedlungen. Der Großteil der erkannten Hausgrundrisse stammt aus dem Frühneolithikum. Einzelne Häuser deuten jedoch auch auf eine Besiedlung des Areals zur Zeit der Kreisgrabenanlagen im Mittelneolithikum hin. Nikolaus Franz betont die besondere Relevanz der Fundstelle in Rechnitz: „Die Grabungen öffnen ein regelrechtes Fenster in die Steinzeit. Wir erfahren viel über die neolithischen Siedlersippen, die hier einen günstigen Platz vorfanden, um die Kulturtechniken Ackerbau und Viehzucht im 6. vorchristlichen Jahrtausend auf heute burgenländischem Gebiet zu etablieren. Nach Jahrtausenden des Jagens und Sammelns war die sukzessive Sesshaftwerdung der Menschen tatsächlich revolutionär.“
Der Grabungsschnitt folgt der zukünftigen Anlage des Spazierweges, der vom Besucherpavillon zur Kreisgrabenanlage führen wird. Basis für die Ausgrabungen sind geomagnetische Bodenuntersuchungen von GeoSphere Austria.
© Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abt. 7 – Bildung, Kultur und Wissenschaft, Archäologie Burgenland im Referat Wissenschaft / Nikolaus Franz
Die Ausgrabungen werden noch bis Anfang September in Kooperation mit der Gemeinde Rechnitz und der Spezialfirma PANNARCH durchgeführt. Das Archäologie-Team vor Ort hat bisher Gruben und Pfostengruben dokumentiert, anhand derer sich die jungsteinzeitliche Besiedlung mithilfe von Keramikfunden nachvollziehen lässt. Auch die Gräben eines bisher nur auf Basis geomagnetischer Untersuchungen bekannten frühneolithischen Erdwerks konnten bereits nachgewiesen werden. Materialproben, die aus den Befunden entnommen wurden, werden bioarchäologischen Analysen zugeführt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Instituts für Geografie und Regionalforschung der Universität Wien werden zusätzlich Bodenprofile angelegt, die Aufschluss über die Entstehung des landwirtschaftlich genutzten Bodens und seines geologischen Untergrunds geben werden.
Forschungshistorie
Zwischen 2011 und 2017 wurden die Überreste von insgesamt vier monumentalen Erdwerken aus der Jungsteinzeit im Boden des südlichen Gemeindegebiets von Rechnitz mittels luftbildarchäologischer und geomagnetischer Untersuchungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte, des Bundesdenkmalamtes sowie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Virtuelle Archäologie nachgewiesen. Bei dreien dieser bislang für das freie Auge nahezu unerkennbaren ringförmigen Strukturen handelt es sich um sogenannte Kreisgrabenanlagen. Sie wurden im Mittelneolithikum, also im Zeitraum von 4850 bis 4500 v. Chr., erbaut und hatten einen Durchmesser von bis zu 105 Metern.
Meldung Land Burgenland