"Irgendwo muß doch der Engel stehn"Anmerkungen zum Motiv des Engels in der modernen Literatur

Wer dieses Thema1 angeht, steht vor einer unübersehbaren Fülle an Material. Neben den Weihnachtsbüchern, die allesamt auch Engelsgeschichten enthalten, gibt es an die 500 Titel zum Stichwort "Engel". Autoren, Verleger, Illustratoren wissen, daß Menschen auch heute für alles Geheimnisvolle und Wunderbare empfänglich sind, daß sie nach außerirdischen Begleitern suchen oder nach Erklärungen für unbekannte Phänomene verlangen, das heißt, daß sie sich auf Wesen wie Engel gern einlassen. Um so erstaunlicher ist, daß es im Bereich der Literaturwissenschaft keine umfassende Monographie gibt, die sich mit dem Motiv befaßt2. Deshalb wird hier der Versuch unternommen, einige Beispiele unter verschiedenen Kategorien zu betrachten.

Rückgriff auf biblische Urbilder und kirchliche Tradition

Zu dieser Kategorie gehören die Texte, die unter Bezug auf den christlichen Glauben eine Erfahrung mit Engeln erzählen, was nicht heißt, daß dieser Glaube unangefochten oder fraglos gelebt wird. Einen noch ganz aus dem Ethos der christlichen Heilslehre handelnden Schutzengel hat Paul Claudel zum Beispiel seiner Protagonistin Donna Proëza in "Der seidene Schuh" zur Seite gestellt. Diese Frau, mit dem edlen Don Pelayo in einer Konventionsehe verbunden, ist von leidenschaftlicher Liebe zu dem Abenteurer Don Rodrigo entflammt und sucht mit allen Mitteln, zu ihm zu gelangen. Der Schutzengel sieht ihren Anstrengungen voll Anteilnahme zu.

"Schaut sie nur an, wie sie sich windet inmitten der Dornen und verworrenen Lianen ... Und was es drinnen gibt in diesem verzweifelten Herzen! Wer will behaupten, daß Engel nicht weinen können? Bin ich nicht ein Geschöpf wie sie? Sind denn Gottes Geschöpfe durch keinerlei Bande verknüpft? Was sie Leiden nennen, spielt das in einer eigenen Welt, von allen übrigen abgesondert? Fällt es aus unserem Begreifen? ... Ist es von dieser Gerechtigkeit, dieser Liebe geschieden, deren Boten wir sind? Zu was wären wir Schutzengel nütze, wenn wir das Leid nicht verständen?" 3

Claudel führt hier einen Engel vor, der leidenschaftlich Anteil nimmt und die Gefühle der Menschen nachempfinden kann. Im folgenden Dialog, in dem der Schutzengel behutsam, aber fest die christliche Auffassung von Treue, Ehebruch und außerehelicher Liebe vertritt, versucht er, Donna Proëza von ihrem Vorhaben abzuhalten. Im großen Dialog zwischen ihr und dem Engel ("Dritter Tag") wird der Sinn des gesamten Spiels zur Sprache gebracht: Proëza soll Gott und seinem Engel wie ein Köder an der Angelschnur dienen, um Rodrigo zum Glauben an Gott zu führen. Und dieser wird durch sie, die gläubige "Schwester" des Engels, gerettet (vgl. 228-248).

Auch Friedrich Dürrenmatt bedient sich in "Ein Engel kommt nach Babylon" zwar noch biblischer Muster, doch ist bei ihm der ironische Ton unüberhörbar. Das höchst unterhaltsame Theaterstück mit seiner Intention "weshalb es in Babylon zum Turmbau kam", stellt zwar einen Engel als zentrale Figur in den Mittelpunkt der Handlung, doch bringt es für das Motiv Engel heute nichts Besonderes.

Bedeutsamer für die kritische Auseinandersetzung mit den Engeln hingegen sind die Beispiele von Kurt Oskar Buchner und Ilse Aichinger; denn sie greifen die Frage nach der Existenz von Engeln auf je unterschiedliche Weise auf. Für viele nachdenkliche Christen ist nämlich die Lehre von den Schutzengeln nicht unproblematisch. Oftmals werden durch Negativerfahrungen sogar Lebenskrisen schlimmster Art hervorgerufen, wie dies Buchner in "Warum kamen die Engel nicht?"4 darstellt.

Auch in Aichingers Kurzgeschichte "Engel in der Nacht"5 geht es um den Beweis der Existenz von Engeln. Hier erzählt eine Ich-Erzählerin aus der Rückschau, wie sie als siebenjähriges Mädchen der Existenz von Engeln, von der die ältere Schwester sprach, auf die Spur kommen wollte. Die Kleine fragt und forscht in ihrer Umgebung, sie verlangt nach einem Zeichen, einem Beweis. "Besser keine Welt als eine Welt ohne Engel!" (22), ist ihre unerbittliche Forderung. Doch niemand, nicht die Mutter, die den Kinderglauben belächelt, nicht der Vater, der in Banalitäten flüchtet, nicht die Klassenkameradinnen, die sich mit "Es gibt keine Engel" (20) aufgeklärt geben, nicht die Schwester, die zwischen Glaube und Zweifel schwankt und dem Zornesausbruch der Kleinen nicht gewachsen ist - keiner kann ihr eine Antwort geben.

Als die ältere Schwester erkennt, daß der Glaube der Kleinen von dem ihrigen abhängt und umgekehrt, will sie den Beweis antreten. In der Nacht während eines heftigen Schneetreibens erscheint sie der Jüngeren, die an einen "Wachtraum" glaubt, am Fenster. Die Erzählerin erinnert sich, daß sie das Fenster öffnen und den Engel hereinbitten wollte, daß dieser abwehrte und Wind und Schnee ihr den Blick verstellten. Als sie die ältere Schwester wecken will, um ihr die Erscheinung zu zeigen, findet sie deren Bett leer: "Und sie ist still geblieben, als wir sie im Hof fanden und aus dem Schnee hoben, der sie schon bedeckt hatte" (26). Während die gesamte Erzählung in einer poetisch metaphorischen Diktion abgefaßt ist, die den Schwebezustand zwischen Tag und Nacht (Dämmerung), Kind und Erwachsenem (die beiden Schwestern), Vogel und Engel (Luft), Erfahrung und Beweis (Wirklichkeit der Engel) kunstvoll beschreibt, endet die Geschichte schonungslos sachlich, das heißt eindeutig tragisch6.

Dieser Text enthält mehrere Aussagen, die für das Thema Engel von Bedeutung sind: 1. Der kindliche Glaube an die Existenz von Engeln ist zerbrechlich (Mutter: "daß du es noch glaubst", 21). 2. Die Erfahrung des Wirkens von Engeln scheint lebensnotwendig ("besser keine Welt als eine Welt ohne Engel", 22). 3. Der Glaube an ihr Wirken erwächst - wie bei Jakobs Kampf mit dem Engel (Gen 32, 23-31) - aus einer Auseinandersetzung ("wir schlugen uns, aber sie beschwor es nicht", 23). 4. Die Wirklichkeit der Engel ist weder zu beschwören ("Und meine Schwester konnte nicht schwören", 22) noch zu beweisen ("Und sie ist still geblieben, als wir sie im Hof fanden", 26). 5. Eine Welt ohne Engel ist eine Welt in Gefangenschaft und falscher Hoffnung ("Aber sie kamen nicht ... Sie führten uns nicht aus der Gefangenschaft. Sie ließen uns allein in der Hoffnung auf Spielzeug und süßes Backwerk, dem man die Flügel abreißen konnte", 23). 6. Der Glaube an die Wirklichkeit der Engel lebt vom Austausch der Menschen untereinander ("es war ... als wäre ihr Glaube an die Engel an dem meinen gehangen", 22). 7. Der Mensch kann für den anderen zum Engel werden ("Ich will dir öffnen, komm herein, mein Engel", 26). 8. Das aber führt gelegentlich zur - hier tödlichen - Überforderung ("Und sie ist still geblieben ...", 26).

Symbolische Darstellungen

Etliche Autoren zitieren leitmotivisch Darstellungen der bildenden Kunst (Bilder, Skulpturen, Reliefs), um einen bestimmten Erfahrungshorizont mittels einer Engel- Metapher aufzureißen. In Heinrich Bölls erstem - posthum erschienenen Roman "Der Engel schwieg"7 symbolisiert eine Engelsfigur sowohl die verwüstete Heimat als auch die zerbrochene Wertordnung. Der Erzähler läßt seinen Protagonisten Hans zu Beginn der Handlung im beschädigten Vincent-Hospital auf den steinernen Engel treffen, der ihm das ganze Ausmaß der Zerstörung bewußt macht und der in seiner kitschigen Schein-Schönheit für den Leser aber auch ein Zeichen für den notwendigen Neuanfang ist.

"Die Gestalt im Dunklen rührte sich nicht; sie hielt etwas in den Händen, das wie ein Stock aussah - er ging zögernd näher, und auch, als er erkannte, daß es eine Plastik war, ließ das Klopfen seines Herzens nicht nach: er ging noch näher und erkannte im schwachen Licht einen steinernen Engel mit wallenden Locken, der eine Lilie in der Hand hielt; er beugte sich vor, bis sein Kinn fast die Brust der Figur berührte, und blickte lange mit einer seltsamen Freude in dieses Gesicht, das erste Gesicht, das ihm in der Stadt begegnete: das steinernen Antlitz eines Engels, milde und schmerzlich lächelnd; Gesicht und Haar waren mit dichtem dunklem Staub bedeckt, und auch in den blinden Augenhöhlen hingen dunkle Flocken; er blies sie vorsichtig weg, fast liebevoll, nun selbst lächelnd, befreite das ganze milde Oval von Staub, und plötzlich sah er, daß das Lächeln aus Gips war. Der Schmutz hatte den Zügen die Hoheit des Originals verliehen, nachdem der Abdruck gegossen war - aber er blies weiter, reinigte die Lockenpracht, die Brust, das wallende Gewand und säuberte mit vorsichtigen spitzen Atemstößen die gipserne Linie - die Freude, die ihn beim Anblick des lächelnden steinernen Gesichtes erfüllt hatte, erlosch, je mehr die grellen Farben sichtbar wurden, der grausame Lack der Frömmigkeitsindustrie, die goldenen Borden am Gewand - und das Lächeln des Gesichts erschien ihm plötzlich so tot wie das allzu wallende Haar." (7 f.)

Die Romanhandlung wird es zeigen: Nachdem die oberflächliche Erschütterung und die Angst der Menschen geschwunden ist, treten wieder skrupelloser Egoismus, Betrug und Gewalt zutage. Am Ende steht Hans wieder vor dem Engel, der diesmal voll beleuchtet ist und dessen Lächeln er als ein schmerzliches deutet, als zeige dieser seine Enttäuschung über den Verfall der Werte und den mißglückten politischen Neuanfang. Im letzten Kapitel verschränkt Böll zudem noch - hier wird das Bild überstrapaziert - die Erzählung von der Begräbniszeremonie am Sarg von Elisabeth G. mit der vom gestürzten in Dreck und Schlamm versinkenden Engel, der vom Gewicht der auf ihm sitzenden Betrüger immer tiefer in den Schlamm gedrückt wird.

Die Weihnachtsgeschichte "Das Engelchen" von Leonid Andrejev8 rührt Erwachsene wie Kinder gleichermaßen an. Der Autor erzählt in dieser kleinen, russische Mentalität atmenden Geschichte von einer kleinen Wachsfigur, die der arme Sascha auf dem Ast des Weihnachtsbaums einer reichen Familie, die arme Kinder zu Weihnachten einlädt, entdeckt, heiß begehrt, endlich auch erhält und beseligt heimbringt. Vater und Sohn sind entzückt von der Figur, die Glanz in die armselige Behausung der Familie bringt.

"Dem alten Mann schien, er befinde sich wieder in der Welt, zu der er einst, als er noch nicht arbeitslos war, gehörte ... Das Engelchen war herabgestiegen und hatte einen Lichtstrahl in sein graues, eintöniges Leben gebracht. Und neben ihm, dem Alten, saß mit leuchtenden Augen, ebenso glücklich wie er, das am Anfang des Lebens stehende Menschlein. Für beide waren Gegenwart und Zukunft entschwunden ... Formlos und nebelhaft war Saschas Träumerei; alles Schöne, alle Hoffnung seiner sehnenden Seele schien das Engelchen in sich eingesogen zu haben, daher strahlte es in solch herrlichem Licht, daher bebten so geheimnisvoll seine Flügel" (95).

Hier ist als Wunsch des Kindes das ausgesprochen, was Menschen sich in Gedanken an Engel wünschen: Teilhabe am Schönen und am Licht. Der Einwand, hier zeigte sich nichts anderes als eine kitschige Tröstung der armen Leute mit religiösen Symbolen, ist abzuweisen. Sicherlich wäre der armen Familie mit einem Geldschein oder einem Präsentkorb materiell mehr geholfen. Aber mit der schönen Engelfigur wird sie in ihrer menschlichen Würde bestärkt, wie dies Günter Kunert, der gewiß nicht in Verdacht gerät, billigen Trost zu spenden, gesagt hat:

"Brauchen die Hungernden Gedichte (Kunstwerke)? Sie brauchen Nahrung, so viel ist sicher. Aber sie brauchen genauso das Bewußtsein ihres ihnen vorenthaltenen Menschentums und damit die Gewißheit, daß ihnen mehr fehlt als die Befriedigung ihrer Bedürfnisse." 9

Das Engelchen ist - wie die Rose für die Bettlerin in Rainer Maria Rilkes "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" - ein solcher Garant und vermittelt dadurch tiefgreifenden Trost.

Schließlich sollte in diesem Zusammenhang zumindest ein Hinweis auf die Texte von Walter Benjamin nicht fehlen. Er gehört zwar nicht zu den Autoren fiktionaler Literatur, hat aber durch seine Reflexionen das Engelsbild der Literaten nachhaltig bestimmt. Fast zeit seines Lebens hat er sich angesichts des Bildes "Angelus Novus" von Paul Klee10 mit dem Motiv Engel auseinandergesetzt, zum Beispiel in dem Essay "Agesilaus Santander" (1933), in dem er die Existenz seines persönlichen Engels, der allein seinen geheimen Namen weiß und auch dämonische Züge annimmt, erörtert, und in der neunten 1940 nach dem Angriff auf Frankreich verfaßten Reflexion "Angelus Novus"11, in der er seine Vision der Geschichte zusammenfaßt. Ein frontal gezeigter Engel mit aufgerissenen Augen wird durch eine unsichtbare Kraft, einen "Sturm", in den Bildhintergrund zurückgedrängt. Er scheint zu versuchen, gegen diesen Widerstand anzufliegen, wird aber immer wieder abgetrieben, so daß er seiner Aufgabe, die Toten zu wecken und das Zerschlagene zusammenzufügen, nicht nachkommen kann. Dieser "Sturm" ist - nach Benjamin - das, was der Mensch die Errungenschaften des Fortschritts nennt. Denn der dem Menschen geltende Auftrag, die Erde zu bebauen, hat nach anfänglichen Erfolgen der Forschung und Zivilisation zu katastrophalen Ergebnissen, "Trümmern", geführt, die sich zwischen Mensch ("wir") und Engel schieben, so daß jener mit seiner Heilsabsicht diesen nicht mehr erreicht. Bild und Text haben die verschiedensten Deutungen erfahren und werden immer wieder als Bild der Geschichte zitiert12.

Entmythologisierte Gegenbilder oder der gescheiterte Engel

In der neueren Literatur, vor allem in Zeiten des Kriegs und des Umbruchs mehren sich die Darstellungen von Engeln als dunkle Mächte der Irreführung, der Rache, der Zerstörung, des Todes. Sie leiten sich einerseits von der jüdisch-christlichen Tradition der gestürzten Engel in den Apokryphen ab, andererseits sind es Neuschöpfungen moderner Autoren. Es scheint, als wolle der Mensch eine als irrationale Bedrohung erfahrene Wirklichkeit in ein Bild bannen und ihm die Verantwortung für das Unheil und das Böse zuschreiben. In Titeln wie: "Der schwarze Engel" von Antonio Tabucchi oder "Engel aus Eisen" von Thomas Brasch klingt diese Intention an.

Auch Peter Huchel entwirft in seinem Gedicht "Die Engel"13 ein solch düsteres Engelbild:

Die Engel

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer,
wo eine Greisin,
den Gänseflügel
in schwacher Hand,
den Sims des Ofens fegt.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub.

Novembernebel, Regen, Regen
und Katzenschlaf.
Der Himmel schwarz
und schlammig über dem Fluß.

Aus klaffender Leere fließt die Zeit,
fließt über die Flossen
und Kiemen der Fische
und über die eisigen Augen
der Engel,
die niederfahren hinter der dünnen Dämmerung,
mit rußigen Schwingen zu den Töchtern Kains.

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub

Das Gedicht fängt eine hoffnungslose Atmosphäre des Verfalls und des Todes ein, und zwar nicht nur in bezug auf den Menschen, sondern auch auf die Engel. Von den lichten, beschwingten Gestalten ist nicht mehr viel übrig geblieben: Sie sind zu "Schatten", "Rauch" geworden, ihre Flügel taugen nur noch - wie Gänseflügel - zum Abstauben. Umrahmt wird das Gedicht von sechs Versen, die - wie ein Kehrreim - die Novemberstimmung und die Todesahnung betonen. Als einen Lichtblick könnte man die Metapher des Feuers verstehen, doch läßt der Kontext von Rauch, Staub, Ruß und die Wiederholung des "Gedenke meiner" eher an dessen vernichtende als an seine erhellende und wärmende Kraft denken. Es bleibt offen, ob der Engel die Bitte um Gedenken ausspricht oder ein im Gedicht sonst an keiner Stelle hörbares lyrisches Ich. Huchels "Todesengel" sind jedenfalls keine Boten Gottes mehr; sie sind gefallene, heruntergekommene, entmythologisierte Engel. Ihre Flügel genügen einer Greisin, also nur noch kurze Zeit, gerade noch zum Staubwischen; ihre Augen haben den Glanz verloren, sie sind eisig; ihre "Schwingen", rußig vom Rauch, lassen keinen Aufschwung mehr zu, leiten sie nur noch hinunter zu den "Töchtern Kains", das heißt zu sündigen Frauen, was nach biblischer Tradition mit dazu beitrug, daß Gott die verderbte Menschheit durch die Sintflut vernichtete14.

Ein wichtiger Zeuge in diesem Zusammenhang ist Franz Fühmann. Der Essay "Der Sturz des Engels"15 schildert nicht nur seinen persönlichen Lebenskampf aufgrund dunkler Erfahrungen, sondern verweist als Quelle dieser Auseinandersetzung auf Georg Trakl, dessen Werk von der Metapher "dunkler Engel" in allen Variationen durchzogen ist. Erschüttert von Trakls dunklen Versen über Verfall,
Krieg und Tod, lernt Fühmann, der begeisterte Anhänger Hitlers und gehorsame Soldat, das Grauen des Krieges durchschauen. Im genannten Essay schildert er seine existentielle Auseinandersetzung mit Trakl und den Engeln seiner Kindheit und Jugend, besonders Michael. Das folgende Zitat gibt seine Reflexion auf dem Weg zu seiner Truppe am Ende des Krieges im Mai 1945 wieder:

"Ich habe keine Erinnerung außer der von einem gehetzten Hasten durch eine laue und finstere Nacht. Doch ich weiß, daß Ahnung und Wahnwitz und lauernde Angst sich schon zur Gestalt eines Engels verdichteten, einer Gestalt, die damals oft beschworen wurde, auch regelmäßig von meinem Vater: Der Engel der Deutschen, Michael, werde mit seinem Schwert den Himmel spalten und seinem Volk zur Rettung niederfahren, im Flammenpanzer zur letzten Stunde, da die Nacht am finstersten ist. - Ich hatte Michael nie als Schutzengel empfunden, er war der Engel der Apokalypse, das war er schon vor jenem Mai, der Engel der sechsten Posaune und des fallenden Feuers, der in allen Sprachen der Erde verkündet: Gefallen, gefallen ist Babylon, die geworden zur Heimatstatt der Dämonen, zum Schlupfwinkel aller unreinen Geister, zum Nest aller abscheulichen Vögel ... - Dieser Engel war mir furchtbar vertraut gewesen, seitdem Feuer vom Himmel gefallen, und er war ein Gesandter mit Schwingen aus Schnee und Schläfen von Scharlach; der Engel meines Herzens war mild und rein, doch nun hatte er kotige Flügel und Würmer tropften von seinen Lidern, dergestalt nahm ich Trakl mit mir" (29).

Anhand dieses Erlebnisses erzählt Fühmann seine erste "Bekehrung". Im Bild des Erzengels Michael sieht er den falschen Engel der Nation und seines Lebens. Nicht der strahlende, siegreiche Engel, der von den Deutschen als Kampfgeist mißbraucht wurde, wird sein Leben begleiten, sondern die dunklen, sanften, besudelten Engel, wie sie in Trakls desillusionierender Dichtung vorkommen, werden ihm zum Leitbild.

"Möglich, daß ich an Trakl dachte; gewiß daß ich seinen Engel sah, ich glaube fest, mich zu erinnern, daß im Schutt, den wir nun (in russischer Kriegsgefangenschaft) durch Stunden durchschlurften, der Torso eines Engels gelegen, zwischen Trümmern von Säulen und Baikonen, doch wer weiß, was die Erinnerung will. ... Der Engel im Schutt hatte zerschmetterte Flügel; sein Jünglingsgesicht war von Schmutz zerworfen; auf seiner Schulter ein Exkrement. - Er schien zu schweigen, lächelnde Lippen" (40 f.).

Ähnlich wie Böll wählt auch Fühmann für die Auseinandersetzung mit der Geschichte das Bild eines Engels. War es im ersten Zitat der stolze Michael, den er "begrub", so ist der hier geschilderte Engel eine Art Schemen Trakls und aller Geschundenen, was im weiteren Verlauf in der Darstellung der Not im Gefangenenlager und der von Auschwitz lebendig wird.

Angelisches Selbst oder menschliches Idealbild

In vielen Texten wird die Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst, das Ringen um die eigene Identität, das Streben nach einem Ideal des eigenen Selbst und nach vollkommener Harmonie im Symbol des Engels dargestellt. Diese Vorstellung hat in der jüdischen Mystik des Mittelalters ihren Grund; sie besagt, daß der jedem Menschen zugedachte Engel nicht nur - wie in der christlichen Tradition - Schutzfunktion ausübt, sondern als Person-Kern, als Eigendämon oder "angelisches Selbst"16 zu verstehen ist. Im 20. Jahrhundert wurde unter Beibehaltung des Namens Engel diese Vorstellung säkularisiert, zum Beispiel von Heinz Piontek:

"Denn es gibt meinen Engel. Mein Engel ist vergleichsweise von mittlerer Größe. Erzengel hat er zu grüßen. Wenn ich mich nicht täusche, auf lateinisch. Mit mir spricht er deutsch. Gibt er mir einen Wink mit der Hand, sehe ich, daß er an den Fingerkuppen Tintenflecke hat. Vom Schreiben scheint er etwas zu verstehen, da er ja mein Engel."17

Was in Pionteks Skizze "Mein Engel" als humorvolle Auseinandersetzung mit dem besseren Selbst des Autors zu verstehen ist, gewinnt bei Max Frisch in "Stiller"18 an Tiefe. Wie bekannt, befaßt sich Max Frisch in seinem gesamten Werk mit dem Motiv der Identitätsfindung des Menschen, im genannten Roman ist es das zentrale Thema. Anatol Stiller leugnet vom ersten Satz an seine Identität - "Ich bin nicht Stiller" -, weil er glaubt, in den Jahren der Abwesenheit ein anderer geworden zu sein. Sein Versuch, die Vergangenheit auszulöschen und ein anderer zu werden, scheitert jedoch. Er muß sich akzeptieren, mit allem, was er gelebt, gedacht und unterlassen hat. Schließlich nimmt er sich an als den, der er ist. Dieses sein Ringen um die Identität deutet er seinem Freund, dem Staatsanwalt, als eine Zwiesprache mit seinem "Engel", seinem besseren Selbst (267 f.). Am Ende stellt sich der Ich-Erzähler zwar seinem Leben, bittet aber im Schlußwort seiner Aufzeichnung den Engel um seinen Beistand: "Mein Engel halte mich wach" (288), damit er nicht in selbstgefällige Starre verfalle, sondern in heilsamem "Schrecken" sich seines unvollkommenen Lebens bewußt bleibe und es bejahe. Diesen Schrecken, den er nach einem Selbstmordversuch erfahren und der "in Dämmerzuständen sein bildliches und dem Gedächtnis begreiflicheres Echo hatte" (285 f.), nennt Stiller "meinen Engel" (286).

Von einem solchen Engel als dem inneren Selbst spricht auch Nelly Sachs. In einem ihrer späten Gedichte aus "Glühende Rätsel"19 hat sie der Sehnsucht, daß dieser Engel den Menschen mehr und mehr erfasse, Ausdruck verliehen:

Bin in der Fremde
die ist behütet von der 8
dem heiligen Schleifenengel
Der ist immer unterwegs
durch unser Fleisch
Unruhe stiftend
und den Staub flugreif machend -

Nicht nur die Autorin aufgrund ihres schweren Schicksals als umgetriebene Jüdin, sondern der Mensch schlechthin ist "in der Fremde", wie dies unzählige biblische und profane Zitate bestätigen. Gemeint ist jedoch nicht nur die äußere Heimatlosigkeit, sondern die Fremdheit des Ichs, das sich selbst nicht versteht. Nach Sachs ist es in dieser Situation nicht sich selbst überlassen; vielmehr ist ihm ein Engel beigegeben, der das Ich in "8" (acht) nimmt, gleichzeitig aber als "Schleifenengel" (die liegende 8 ist eine Schleife oo, das mathematische Zeichen für Unendlichkeit) die Entwicklung der endgültigen Vollendung des Menschen vorantreibt. Liegt die Schleife, greift sie gleichsam unbegrenzt ins Horizontale aus; steht die Schleife, weist sie ins Unendliche nach oben, in die Transzendenz20. Beide Strebungen wirken im Menschen, durchströmen ihn, beunruhigen ihn, weisen über das Konkrete, das Irdische hinaus und machen den menschlichen "Staub flugreif", wie den Schmetterling, dessen schöne, den Staub verklärende Flügel und dessen Entwicklungsphasen eine viel gebrauchte Metapher für Tod und Auferstehung sind.

Höchst bedeutsam ist in diesem Zusammenhang Rainer Maria Rilkes Werk, in dem die Engelschiffre in allen Schaffensperioden vorkommt und eine beträchtliche Wandlung durchlaufen hat vom kitschigen "Engelchen" auf einem Kinder- grab im Gedicht "Larenopfer" (1895) über den "Schutzengel" (1899) und den "Engel" als Gegenpart im Kampf um ein besseres Selbst in "Der Schauende" (1901), beide aus dem "Buch der Bilder", bis zu den "Duineser Elegien" (1912-1922) mit ihrem vielschichtigen Engelsbild. Es ist in diesem Rahmen ob der zahlreichen Beiträge zum Engel bei Rilke unmöglich, seine Gedichte zu behandeln. Hier nur ein Hinweis auf die Duineser Elegien (Elegie = Klagegesang) 21. In hohem Sprachpathos mittels syntaktischer Verkürzungen und kühner Metaphorik gestaltet Rilke in diesen das Problem der menschlichen Existenz im allgemeinen sowie der dichterischen im besonderen. Besonders in der zweiten Elegie beschwört er die Harmonie der nur in sich selbst kreisenden Geistwesen im Gegensatz zur Zerrissenheit des Menschen, dessen Wesen sich im Einatmen und Ausatmen mehr und mehr verflüchtigt. Dazu greift er auf den der christlichen Welt entlehnten Engel als Symbolfigur zurück, "vor dessen imaginärer Instanz das lyrische Ich aufsingt"22. Doch hat diese Figur - wie Rilke an Hulewics am 13. November 1925 schreibt - "nichts mit dem Engel des christlichen Himmels zu tun". Seine Engel sind vielmehr Symbol "des Absoluten und Unbedingten" und "das zum mystischen Bild gewordene Maß, von dem sich das begrenzte und viel fältig gebrochene Sein des Menschen abhebt".23

Vom Engel des persönlichen Selbst (N. Sachs), dem angelischen Selbst (M. Frisch) und dem Engel als unerreichbarem Ideal (R. M. Rilke) ist es ein kleiner Schritt zum Engel des Todes. Als markantes Beispiel dieser Gruppe sei ein fast unbekanntes, aber höchst bemerkenswertes Stück von Friedrich Dürrenmatt "Nächtliches Gespräch mit einem verachteten Menschen. Ein Kurs für Zeitgenossen" vorgestellt24. Ein namenloser "MANN" und ein "ANDERER" führen ein Zwiegespräch, das nach anfänglicher organisatorischer Unruhe (Dunkelheit des Zimmers, Licht, Zerbrechen einer Vase) sich immer tiefer in die Biographie des Mannes (eines Schriftstellers) hineinbohrt. Der MANN spricht den Fremden mit "Sie" an, der ANDERE nennt sein Gegenüber "Herr". Damit wird Distanz zwischen beiden angedeutet, die trotz körperlicher Nähe bis zum Schluß nicht aufgehoben wird. Der ANDERE ist gekommen, den MANN zu töten, wie er von Anfang an offen zugibt. Nach und nach aber erkennt dieser, daß jener ihn zur Annahme seiner menschlichen Existenz in ihrer Bedrohung und damit seines Todes führen will25. Der MANN vollzieht diesen Weg von der Ratlosigkeit über Ablehnung, Sarkasmus, Kampf, Resignation zur Zustimmung und läßt sich in die Kunst des Sterbens einführen. Anders als der Schutzengel in "Der seidene Schuh" ist dieser ANDERE ein Unwissender, steht für das menschliche Selbst, das unwissend und ratlos Bedrohung und Tod ausgesetzt ist. Damit erweist er sich als ein dem Menschen ebenbürtiges Geschöpf und nicht als Bote Gottes. Dennoch weiß er über das Sterben mehr als der MANN; denn er nennt diesem als Ideal eines menschenwürdigen Sterbens, daß "man demütig stirbt" (23):

"DER ANDERE: Daß einer in der Stunde seines ungerechten Todes den Stolz und die Angst, ja auch sein Recht ablegt, um zu sterben, wie Kinder sterben, ohne die Welt zu verfluchen, ist ein Sieg, der größer ist, als je ein Sieg eines Mächtigen war" (29).

Nach anfänglicher Auflehnung überzeugt ihn doch schließlich die Rede des ANDEREN, und er ergibt sich ins Unvermeidliche. Wenn in diesem Text auch an keiner Stelle vom Engel, sondern immer nur von der ANDERE die Rede ist, so zeigt sich doch im fortschreitenden Dialog immer mehr, daß dieser ANDERE die Verkörperung einer tiefgreifenden Erfahrung des Mannes angesichts des Todes ist. Ob man diese Erfahrung als Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Ich, Selbst, Unbewußten oder mit einem "Engel" nennt, ist ohne Bedeutung. Es ist jedenfalls die Erfahrung des Unerklärbaren, Außerordentlichen, was Menschen oft mit "Ein Engel hat mich berührt" (vgl. Jakobs Kampf mit dem Engel: Gen 32, 23-33) ausdrücken26.

Engel als Menschen oder Menschen als Engel

Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer, ein Beschützer, ein Leitbild sein kann und daß eine solche Erfahrung mit dem Namen "Engel" belegt wird, leuchtet ein. Oft hört man den Ausspruch: "Du bist ein Engel". Die Filmproduktion und die Trivialliteratur operieren ständig mit dieser Redewendung, im Positiven wie im Negativen, doch darauf wird hier nicht eingegangen. Auffallend ist vielleicht, daß die Überschrift eine zweifache Perspektive benennt: Im ersten Fall sind Geschichten von Personen gemeint, die sich geheimnisvoll oder rätselhaft verhalten, Gutes stiften und sich am Ende als inkarnierte Engel erweisen; zur zweiten Gruppe gehören Erzählungen von wundersamen Begebenheiten und seltsamen Personen, die engelhaft gut und hilfreich sind, so daß sie sich selbst als Engel sehen oder von den Umstehenden als Engel bezeichnet werden. Schließlich gehören zu dieser Kategorie noch Geschichten, die vom Wunsch der Engel erzählen, Mensch zu werden, oder über die als Strafe verhängt wurde, Mensch zu sein. (Dieser Aspekt müßte in einem eigenen Beitrag behandelt werden.)

Maurice Druon erzählt in seiner bekannten Geschichte "Tistou mit den grünen Daumen"27 von einem kleinen Jungen, der mit Hilfe seiner grünen Daumen verborgene Samen im Staub und in der Erde zum Sprießen bringt, dadurch Verwirrung (in Schule, Rathaus und Fabrik), aber auch Freude (in Krankenhaus und Gefängnis) stiftet und schließlich die Waffenfabrik seiner Eltern zu einer Blumenfabrik umfunktioniert. Es scheint, als habe er mit seinen grünen Daumen ein Allheilmittel gegen alle Bedrängnis und Not, nur gegen den Tod seines geliebten Lehrers, des Gärtners Schnurrebarbe, vermag er nichts auszurichten, so daß er beschließt, auf einer Blumenleiter in den Himmel zu steigen, um bei ihm zu sein.

Der Charme dieser Erzählung liegt sowohl im poetischen Einfall als auch in der märchenhaften Durchführung. Die Idee, überall da Blumen sprießen zu lassen, wo Menschen verdrießlich, traurig, bedroht sind, hat in den 40 Jahren seit Erscheinen dieses Buchs nichts an Überzeugungskraft eingebüßt. Daß die Realisation dieses Wunschbilds nur im Märchen oder durch einen göttlichen Boten in dieser Welt zu vollziehen ist, wird durch das Ende des Buchs auf liebenswürdige Weise vorgeführt. Die humorvolle Erzählhaltung und die prätentiöse ironische Erzählweise (besonders die skurrilen Namengebungen) tun ein übriges, die Erzählung für Kinder wie Erwachsene zu einem Lesevergnügen zu machen.

Etwas ähnliches hatte vielleicht auch Angela Sommer-Bodenburg mit "Hanna, Gottes kleinster Engel"28 im Sinn. Sie erzählt die Geschichte eines ungewöhnlich phantasievollen Kindes, das in seiner Familie kaum Liebe erfährt. Besonders die Mutter geht mit unerbittlicher Härte und Kälte gegen Hanna vor, und der Vater ist zu schwach, ihr beizustehen. Einzig der Bruder, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, sucht sie mit der Erklärung zu trösten, sie sei als kleiner Engel von Gott in diese Familie gesandt, um Freude zu bringen, vor allem aber, um das vereiste Herz der Mutter aufzutauen. Hanna glaubt an diesen Auftrag. Da es ihr aber nicht gelingt, die Zuneigung der Mutter zu erringen, sieht sie ihre Mission als gescheitert an und beschließt, in den Himmel zurückzufliegen. Bei einem Ausflug besteigen sie den Wasserturm, und Hanna fliegt von der Brüstung in den Himmel, das heißt, sie stürzt sich in die Tiefe.

Die Idee, einem Kind die Aufgabe eines Engels zuzusprechen, das in eine Familie Freude und Harmonie bringen soll, ist an sich begrüßenswert und von innerer Logik. Ebenso wichtig ist es, das brisante Thema des Selbstmords von Kindern zu thematisieren. Doch sind diese Intentionen hier nicht glücklich umgesetzt. Die Schilderung der Familiensituation ist klischeehaft und teilweise unglaubwürdig. Die Abneigung der Mutter ihrer phantasievollen Tochter gegenüber wird nicht hinreichend begründet. Auch die drakonischen Strafen stehen in keinem Verhältnis zu den Vergehen des Kindes. Vergleicht man den Schluß mit dem des Romans "Tistou", so wird die Fragwürdigkeit dieses Buchs deutlich: Wo Druon seinen kleinen Helden märchenhaft unblutig entschwinden läßt, mutet Sommer-Bodenburg ihren Lesern den realistischen Absturz Hannas zu. Ähnlich wie in Aichingers Kurzgeschichte "Engel in der Nacht" wird auch hier die Einbildung des Kindes, ein Engel zu sein, das heißt über Eigenschaften zu verfügen, die im allgemeinen nur Engeln zugesprochen werden, zur mörderischen Falle.

Schlußbemerkung

In diesen Ausführungen kam bei weitem nicht alles zur Sprache, was die poetische Literatur über Engelserfahrungen sagt. Vom Film sowie von der Trivialliteratur war überhaupt nicht die Rede. Auch das Kapitel der schwarzen Engel oder Dämonen wurde nur gestreift. Dennoch dürfte eines deutlich geworden sein: Die Autoren, und nicht nur die der unmittelbaren Gegenwart, zeigen - sozusagen als Sprachrohr vieler Zeitgenossen -, daß der sich aufgeklärt gebende Mensch auch am Ende des zweiten Jahrtausends staunend oder erschrocken vor den Geheimnissen der Schöpfung und seines Lebens steht. Er sucht die unerklärbaren Phänomene zu benennen und wählt nicht selten dazu die Chiffre Engel, weil diese eine lange Tradition hat und unverbindlicher ist als Gott. Es scheint, je mehr die Wirklichkeit Gottes in den literarischen Werken zurücktritt, um so mehr wird der Platz von Engeln und Dämonen eingenommen.

Stimmen der Zeit (2000) 54-66

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