Christsein bewährt sich beim Regieren wie beim Erziehen der KinderFrauen der Reformation

Ob sie dankbar waren, die oft namenlosen Frauen, die die Aufbruchsbewegung im 16. Jahrhundert miterlebt und mitgeprägt haben? Selbst in der Lutherdekade, die ab 2008 in Deutschland zum Reformationsjubiläum 2017 hinführte, war keines der Themenjahre den Frauen gewidmet.

Frauen der Reformation
© Elisabeth von Calenberg: epd-bild/Verlag Joerg Mitzkat

Die Rolle der Frauen gilt als Randthe­ma der Reformation. Wer verbindet mit der Reformation Wibrandis Rosenblatt, Elisabeth Bucer, Katharina Jonas oder Caritas Pirckheimer? Allenfalls Katharina von Bora, Luthers Ehefrau, ist einem brei­teren Publikum ein Begriff. Dabei steht die Beteiligung der Frauen an der Refor­mation exemplarisch für ihre Inhalte.

Das hat Gründe. Erstens die Tauftheolo­gie Martin Luthers. Wenn jeder, der aus der Taufe gekrochen ist, Priester, Bischof und Papst ist, dann kann das auch jede getaufte Frau sein. Hier liegt der Schlüs­sel zum Respekt vor Frauen und in der Konsequenz die Zulassung von Frauen zu allen Ämtern der Kirche. Auch wenn die Reformatoren sich diesen Schritt ge­wiss nicht denken konnten, ist er in ihrer Theologie angelegt. Das Priestertum al­ler Getauften schließt das Priestertum der Frauen ein. Zweitens wird mit dem Schritt zur Ehe das „Leben in der Welt“ aufgewertet. Die Eheschließung vormals zölibatär lebender Priester und Nonnen übersetzt die Grundüberzeugung, dass Leben im Kloster und Zölibat kein vor Gott in irgendeiner Weise „besseres“ Leben ist. Christsein bewährt sich mitten im Alltag der Welt, im Beruf, in der Fami­lie, beim Regieren wie beim Erziehen der Kinder. Und das gilt für Männer wie für Frauen. Drittens beschränkt sich der re­formatorische Bildungsimpetus nicht auf Jungen und Männer, sondern schließt Mädchen und Frauen ein. Die Volksschu­le soll in der Tat Schule für alle sein, alle sollen lesen lernen, damit sie je einzeln ihr Gewissen an der Schrift schärfen kön­nen. All das bedeutet eine ungeheure Auf­wertung von Frauen und Frauenleben. Bildungsteilhabe und Bildungsgerechtig­keit waren reformatorische Themen und schlossen explizit Frauen mit ein.

Luthers Wertschätzung von Frauen hat sich bereits früh entwickelt, lange etwa vor der Heirat mit Katharina von Bora oder der Begegnung mit Argula von Grumbach. 1520/21 schreibt er in seiner Auslegung des Magnifikat (Lukas 1, 46ff.) voller Hochachtung über Maria: „Oh das ist eine große Kühnheit und ein großer Raub von solchem jungen, kleinen Mägd­lein. Getraut sich, mit einem Wort alle Mächtigen schwach, alle Großtuenden kraftlos, alle Weisen zu Narren, alle Be­ rühmten zuschanden zu machen und allein dem einzigen Gott alle Macht, Tat, Weisheit und Ruhm zuzueignen.“

Exemplarisch möchte ich einige Frauen der Reformation nennen. Zum einen sind da die Pfarrfrauen. Für sie war die Heirat mit einem Pfarrer, in der Regel also mit einem ehemaligen Mönch, kein leichter Schritt. Sie wurden von den Altgläubigen verachtet. Es hieß, Kinder, die von einem ehemaligen Mönch und einer ehemali­gen Nonne gezeugt wurden, werden mit Fehlbildungen zur Welt kommen. Mutige Frauen waren es also, die inhaltlich hinter ihren Männern stehen mussten, um den Anfeindungen ihrer Umwelt gegenüber Haltung zu bewahren.

Das gilt zuallererst für Katharina von Bora (1499–1552). Sie war gebildet, hat Luther Briefe geschrieben – die leider nicht er­halten sind. Aus seinen Briefen, in denen er auf sie eingeht, lassen sich allerdings Rückschlüsse ziehen. Selbst ehemali­ge Nonne, war sie gebildet in Lesen und Schreiben, wertgeschätzt als Gesprächs­partnerin, Mutter, Geschäftsfrau, ja un­entbehrlich, um das Leben im Schwarzen Kloster in Gang zu halten. Ebenfalls in Wittenberg spielt Katharina Melanch­thon (1497–1557) eine große Rolle. Sie kam nicht aus dem Kloster, sondern war Tochter des Wittenberger Bürgermeis­ters. Luther selbst hatte 1520 die Trau­ung mit Philipp Melanchthon vollzogen. Auch die beiden großen oberdeutschen Reformatoren waren verheiratet. Anna Zwingli (um 1484–1538) war eine adli­ge Witwe mit drei Kindern, als sie Ulrich Zwingli 1522 heiratete. Idelette Calvin (1509–1549) stammte aus dem Kreis der französischen Flüchtlinge in Genf. Zu die­ser Gruppe der Pfarrfrauen gehören auch Wibrandis Rosenblatt, Elisabeth Bucer und Katharina Jonas. Vieles ist nicht be­kannt über diese Frauen, keine Details, keine großen Biografien. Meist lassen sich lediglich über das Leben ihrer Ehe­männer und deren Äußerungen Rück­schlüsse auf ihr Leben ziehen.

Eine andere Kategorie sind die wenigen Frauen, die wie Elisabeth von Rochlitz eigene schriftliche Zeugnisse hinterlas­sen haben. Herausragend unter ihnen ist zum einen Argula von Grumbach (1492– 1568). Sie wandte sich an den Rektor der Ingolstädter Fakultät, als dieser refor­matorisches Schrifttum verbieten wollte, schrieb Flugschriften und diskutierte mit Luther selbst, als er anlässlich des Reichs­tages zu Worms Zeit auf der Feste Coburg verbrachte. Neben den Briefen von Elisa­beth von Rochlitz sind von ihr die meisten Schriften von Frauen der Reformations­ zeit erhalten und bearbeitet. Auch Katha­rina Zell (um 1497–1562) hat Schriftliches hinterlassen. Aus einem Straßburger Pat­rizierhaus stammend wurde sie von Mar­tin Bucer 1523 mit dem Priester Matthäus Zell vermählt. Nach Kritik an der Ehe­schließung schrieb sie einen Verteidi­gungsbrief an den Bischof ebenso wie ein Flugblatt an die Bürger von Straßburg. Auch ein kleines Liederbuch gab sie her­ aus. Elisabeth Cruciger (um 1504–1535), in Wittenberg mit dem Theologen Caspar Cruciger verheiratet, dichtete Kirchenlie­ der; eines ist bis heute im Evangelischen Gesangbuch erhalten: „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ (EG 67).

Nicht zuletzt sind die Fürstinnen zu nen­nen, die die Reformation entscheidend, auch politisch unterstützten. Dazu zählt Caritas Pirckheimer (1467–1532), die – obwohl dem reformatorischen Glauben zugewandt, alles tat, um als Äbtissin die Rechte von Konvent und Kloster einzufor­dern. Besonders nennen möchte ich Eli­sabeth von Calenberg. Durch ihre Mutter war sie mit dem reformatorischen Glau­ben in Berührung gekommen und führte nach dem Tod ihres Mannes die Refor­mation in Südniedersachsen ein. Dabei hielt sie eine schützende Hand über die Frauenklöster und Damenstifte und ließ ihr Vermögen sichern. Das hat Auswir­kungen bis heute, denn in der hannover­schen Landeskirche gibt es auch aktuell 13 Frauenklöster und Damenstifte, de­ren Vermögen in der staatlich geführten Klosterkammer unabhängig gesichert ist.

Ja, das Priestertum aller Getauften zeigt sich gerade auch in der Beteiligung von Frauen – das ist zum Kennzeichen refor­matorischer Kirchen geworden.

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