Drei dämliche Silben und ihr tieferer SinnAlles gut

„Alles gut“ gehört zu den Redewendungen, die man häufig hört. Sie passt fast immer, auch wenn sie faktisch häufig danebenliegt. Doch birgt sie einen Lichtblick.

Porträt Ulrich Fricker
Uli Fricker, Freier Journalist© Privat

Kürzlich habe ich es auch getan: In einer Situation, in der sich Alltag und kleines Peinliches mischen, sagte ich: „Alles gut“. Dabei war nix gut, sondern eher uneben. Zwei Personen und nur ein Sitzplatz im Zug eben. In diesem Moment schien mir „Alles gut“ die richtige Antwort auf den scharfen Blick des Nachbarn zu sein. Die zwei Wörtchen funktionieren wie Peacekeeping zwischen Einkaufswagen und Bürostress.

In der Tat, diese Floskel hat inzwischen schon den mentalen Status eines VW Käfer erreicht: Sie kommt überall hin und überall vor. Die drei Silben – fabelhafte Kürze – passen scheinbar immer. Diejenigen, die so daherreden, zeigen ja beste Absichten, wenigstens verbal. Beim genaueren Hinhören wird klar: Wer so eifrig versichert, dass alles (!) gut sei, kann nicht orientiert sein. Meistens ist das Gegenteil der Fall. Wir haben es mit einer Beschwichtigungsformel in universaler Anwendung zu tun. Wirksam ist diese Formel dazu: Wenn alles in Butter ist, dann verbietet sich weiteres Nachfragen.

Damit käme die kritische Betrachtung dieser Redewendung an ihr Ende – wenn sich nicht eine Tür öffnen würde. Etwa so: Dass alles gut ist, wird kein Mensch behaupten, der in der Welt steht. Dass alles gut wird und werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Nicht jetzt und wohl auch nicht übermorgen. Aber in einer anderen Zeit kann sich die Qualität des Wohlseins ändern. Christen hoffen, dass eines fernen Tages Dinge geheilt werden, die jetzt heillos scheinen. Und dass sich Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenfügen, die in der Gegenwart so heillos verstreut sind wie Puzzleteile in einem Kinderzimmer. So gesehen hat diese Alltagsformel auch etwas tröstlich Hoffendes: Eines Tages kann unser Leben und das Leben, das wir nicht erlebt haben, zu seinem sinnigen Ganzen verbunden werden. Das wäre dann richtig gut und noch mehr: bestens.

Anzeige: Menschenrechte nach der Zeitenwende. Gründe für mehr Selbstbewusstsein. Von Heiner Bielefeldt und Daniel Bogner
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