Gesungene Osterkatechese

Wie kaum ein anderes Lied prägt „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ die Osterzeit. – Eine Betrachtung.

Ausschnitt der Liedfassung aus dem Druck von 1544© Gemeinfrei

Das Lied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ (GL 328/EG 103/ KG 437) gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Ostergesängen: Mit seinem schwungvollen und euphorischen Charakter sowie dem dreimaligen Halleluja am Ende jeder Strophe verbreitet es Jahr für Jahr österliche Freude und versetzt die singende Gemeinde in die passende Stimmung. Es ist das textlich umfangreichste Osterlied, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar ist: Während es im „Gotteslob“ von 1975, im Evangelischen Gesangbuch sowie im Katholischen Gesangbuch der deutschsprachigen Schweiz mit sechs Strophen abgedruckt ist, besitzt das Lied im aktuellen „Gotteslob“ (2013) eine weitere Strophe; in seiner ursprünglichen Fassung besitzt es jedoch 20 Strophen (vgl. die Umschrift am Ende des Beitrags aus: Michael Weiße, Ein Gesangbuch der Brüder inn Behemen vnd Merherrn, Nürnberg 1544) und sticht damit sogar „Ihr Christen, singet hoch erfreut“ (GL 322) mit dessen zwölf Strophen aus.

Der Liedtext stammt von Michael Weiße (1488–1534) und ist erstmalig in dessen „New Geseng buchlen“ aus dem Jahr 1531 nachgewiesen. Weiße wird in eine kirchenpolitisch schwierige Zeit hineingeboren, in der verschiedene Lager miteinander konkurrieren: Die gemäßigten Utraquisten, welche u. a. die Rückkehr der Kirche zur apostolischen Armut und die strenge Zucht im Klerus einforderten, standen den radikalen Taboriten gegenüber, welche endzeitliche Herrschaftsgedanken und christlich-kommunistische Gesellschaftsformen vertraten. Daneben war auch die Singbewegung der Reformationszeit im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in vollem Gange, wobei in dieser Zeit ferner auch das Gesangbuch als ein Ausdruck des Protestes gegen die Macht der Kirche entstand. Vom Zentrum Wittenberg aus verbreiteten sich die verschiedenen Protestbewegungen in die entlegensten Regionen, was zur Folge hatte, dass sich kleine Gruppierungen zusammenschlossen, wie etwa die Böhmischen Brüder im Osten. Diese brachten auch eigene Gesangbücher heraus und trieben die neue Gesangbuchtradition mit voran. Dieser Gemeinschaft trat auch der ehemalige Mönch Michael Weiße bei, der zu diesem Zeitpunkt stark von den lutherischen Schriften geprägt war.

Die Melodie, auf welche das Lied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ heute gesungen wird, komponierte Melchior Vulpius (um 1570–1615) nach dem Gesang „Surrexit Christus hodie“ („Vom Tode heut erstanden ist“, GL 324/KG 445). Erstmalig abgedruckt wurde der Text mit der Melodie in Vulpiusʼ „Ein schön geistlich Gesangbuch“ im Jahr 1609. Es ist der Verdienst des Komponisten Vulpius, der mit seiner simplen Melodie dem Lied seinen spezifischen Charakter gab und letztlich auch für dessen Erfolg verantwortlich ist. Nach der ersten Veröffentlichung im 16. Jahrhundert wurde „gelobt sey gott ymm höchsten thron“ zunächst überwiegend im reformatorischen Kreis rezipiert und geriet über die Jahrhunderte hinweg vorerst komplett in Vergessenheit, was nicht zuletzt auch der umfangreichen Textmenge geschuldet war.

Im 19. Jahrhundert erwachte mit der Kirchenliedrestauration erneut ein allgemeines Interesse an Weißes Osterlied. Mit der Einführung der verschiedenen Einheitsgesangbücher im 20. Jahrhundert kam es letztlich auch zu einer Wiederaufnahme und -belebung des Liedes auf katholischer wie evangelischer Seite – aber mit deutlicher Strophenreduktion.

Synthese aus Theologie und Gebet

Michael Weißes Anliegen war es, brauch- und singbare Lieder für seine Gemeinde bereitzustellen, weshalb seine Texte theologisch durchdacht und an der Praxis orientiert sind. Inhaltlich bemühte er sich darum, das geistliche Lied mit überzeitlich gültigen Glaubensaussagen zu füllen, um eine gelungene Verbindung von theologischen Aussagen und andächtigem (gesungenem) Gebet herzustellen.

Mit seinem Lied kleidete Michael Weiße das Osterevangelium in ein musikalisches Gewand und griff damit auf Methoden der Reformatoren zurück, welche der Gemeinde Glaubensinhalte in Form einer gesungenen Katechese zu vermitteln suchten und im gesungenen Wort theologisches Verständnis als personales Erlebnis lebendig und leibhaftig werden lassen wollten. So war beispielsweise auch Martin Luther davon überzeugt, dass Musik und Gesang glauben- und sinnerschließende Kraft besitzen, und erklärte einmal, dass erst im Kunstwerk auch die Botschaft vom Glauben zu ihrer vollsten Ausgestaltung und Verwirklichung komme.

In seiner ursprünglichen und 20 Strophen umfassenden Version lässt sich das Lied in drei große Abschnitte gliedern: Eingeleitet wird es mit einem Lobpreis, gefolgt von einer größeren zusammenhängenden Einheit (Strophen 2–17), welche die biblische Erzählung von der Auffindung des leeren Grabes zum Thema hat, und endet mit Gebetsbitten. Bei der biblischen Ostergeschichte orientiert sich Weiße hauptsächlich an der Perikope Mt 28,1–8 mit Ausschweifungen zu den Parallelen Mk 16,1–8, Lk 24,1–12 sowie Joh 20,1–13. Damit fügte er die einzelnen Evangelien-Berichte in eine Gesamterzählung zusammen, was folglich die Ostergeschichte insgesamt verdreht darstellt.

Mit der Reduzierung der Strophen in der jüngeren Liedrezeption haben sich einzelne Fehler eingeschlichen, wodurch auch verschiedene Probleme aufgetreten sind: Zum einen wird der Kontext des Liedes komplett auseinandergerissen und damit die ursprüngliche Intention, die Ostergeschichte lückenlos nachzuerzählen, außer Acht gelassen. Zum anderen erzeugen Unstimmigkeiten im Text skurrile Bilder: Ohne die ursprünglichen Strophen fünf bis neun, welche die Szene beschreiben, in denen ein Engel Gottes zur Erde herabkommt, um den Frauen die Frohe Botschaft zu verkünden, spricht dieser in der Liedfassung im EG bzw. „Gotteslob“ (1975) sowie im KG mit den Frauen, ohne dass vorher eine Begegnung zwischen den Protagonist/innen stattgefunden hat – ein Fehler, der durch die neu aufgenommene Strophe im „Gotteslob“ (2013) zu beheben versucht wurde.

Der Inhalt des Liedes wird von einer Bewegung des Suchens und Findens geleitet: Jesus ist nicht unbedingt dort, wo man ihn zu finden glaubt – im Grab. Oftmals kann man ihm begegnen, wenn man überhaupt nicht damit rechnet – in unverhofften Zeiten. Gerade aber das Gebet und die Zwiesprache mit Gott sind wichtig, um überhaupt eine Beziehung zu ihm herstellen zu können. Dafür braucht es die Bereitschaft eines offenen Herzens, damit Christus und die Frohe Botschaft dort einziehen können.

Im Kern möchte das Lied aber nicht nur die Ostergeschichte nacherzählen, sondern auch Mut machen, wenn es beschreibt, dass sogar die ersten Zeuginnen und Christen ihre Probleme hatten, die un-glaubliche Botschaft von der Auferstehung zu (be-)greifen – Zweifel, die heutzutage mehr als aktuell erscheinen. In einer Zeit, in der sich die verheerenden kirchenpolitischen Ereignisse überschlagen und sich vielfach Zweifel breitmachen an kirchlichen Autoritäten, an der institutionellen Verfassung und insgesamt am eigenen Glaubens- und Weltbild. Umso mehr braucht es vielleicht das diesjährige Osterfest, um daraus neue Kraft für den eigenen Glauben zu schöpfen. Und gleichzeitig können die Osterlieder die Christinnen und Christen ermutigen, die durch ihr Zeugnis und ihren Einsatz die Frohe Botschaft verbreiten und durch ihr positives Beispiel vorleben, was Christsein auch heute noch bedeuten kann.

Der Beitrag stützt sich im Wesentlichen auf: Annette Albert-Zerlik: „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“, in: Ansgar Franz u. a. (Hg.), Die Lieder des Gottlob. Geschichte – Liturgie – Kultur, Stuttgart 2017, S. 357–363.

gelobt sey gott ymm höchsten thron

I. Lobpreis

1. gelobt sey gott ymm höchsten thron
sampt seynem eyngebornen sohn
der für uns hat genug gethan
alleluia

II. Biblische Erzählung

2. als er alhie gewandelt hat
versünet sund und missethat
durch seinen reinen bittern todt
alleluia

3. nach welchem er gesalbet wart
begraben nach judischer art
und da mit hüttern wol verwart
alleluia

4. des morgens frü am dritten tag
weil nach der stein am gGrabe lag
erstund er frey on alle klag
alleluia

5. eyn engel steig vom hymel hrab
unnd thet den grossen steyn vom grab
welchs den hüttern errschrecken gab
alleluia

6. da er also dz grab aufbrach
bald ein gros erdbeben geschach
da von d’hütter kraft zurbrach
alleluia

7. der engell satzt sich auf den steyn
seyn kleid war weis sein antlitz scheyn
gleich wie d’plitz gantz hell und reyn
alleluia

8. da kamen weibesbilder dar
worden des engels auch gewar
und entsatzten sich gantz und gar
alleluia

9. der engel sprach ey förcht euch nicht
denn ich weis wol was euch gebricht
ihr sücht jhesum den findt ihr nicht
alleluia

10. er ist erstanden von dem tod
hat uberwunden alle not
kompt seht wo er gelegen hat
alleluia

11. sie giengen forchtsam jnn das grab
jnn dem da sas ein ander knab
des glantz jhn auch erschrecken gab
alleluia

12. da sagten die engel zu jhn
den ihr sücht d’ist schon da hyn
jnn gallilea findt ihr ihn
alleluia

13. denckt wz er euch gesaget hat
wie er würd auferstehn vom tod
und wisst das sichs ergangen hat
alleluia

14. geht hyn und sagt seinn jüngern frey
dz er vom tod erstanden sey
und dencket seiner wort da bey
alleluia

15. heysst sie jnn gallileam gehen
das sie da selbest vor jhm stehn
so bald eyn wenig tag vergehn
alleluia

16. die weyber feelten dieser leer
und sagten dem betrübten heer
wie jhesus weg getragen wer
alleluia

17. doch glaubten dis die jünger nicht
wie denn auch die rechte geschicht
weils jhn nicht jam vor jhr gesicht
alleluia

III. Gebetsbitte

18. nu bieten wir dich jhesu christ
weil du vom tod erstanden bist
verley was uns seliglich ist
alleluia

19. o mach unser hertzen bereit
antzunehmen deyne warheyt
on alle eygensinnikeyt
alleluia

20. damit wir von sunden gefreyt
deynem namen gebenedeit
frey mügen singen alletzeyt
alleluia

aus: Michael Weiße, Ein Gesangbuch der Brüder inn Behemen vnd Merherrn, Nürnberg 1544

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