Am 8. Oktober 2022 feiert unsere
Christliche Arbeitsgemeinschaft
Tanz in Liturgie und Spiritualität
e. V. (CAT) ihr 25-jähriges Bestehen. Geplant
ist ein Jubiläumsprogramm sowie
ein Ökumenischer Tanzgottesdienst unter
dem Leitwort „leben.tanzen.teilen“ in der
Kirche der Stille in Osnabrück. Interessierte
sind herzlich eingeladen!
Doch wer genau steckt hinter unserer
Jubilarin CAT? Gegründet wurde sie im
Jahr 1997 als ökumenischer Verein zur
Fortführung der Mönchengladbacher Tagungen
zum sakralen Tanz (1991–1996).
Bis heute ist das zentrale Anliegen, Bewegung,
Tanz und Gebärde als wichtige Erfahrungs-
und Ausdrucksweise des Menschen
in den verschiedenen Formen von Liturgie
und christlicher Spiritualität zu entfalten
und weiter zu verbreiten. Ausgehend vom
christlichen Menschenbild als Einheit von
Geist, Leib und Seele ist das Bestreben der
Arbeitsgemeinschaft, diese Einheit ernst zu
nehmen und die Bedeutung der Leiblichkeit
des Menschen für seine Spiritualität
in die Wahrnehmung und in das Bewusstsein
zu rücken. Seit ihrer Gründung vernetzt
unser gemeinnütziger Verein Frauen
und Männer in ganz Deutschland und dem
angrenzenden Ausland, denen die Verbindung
von christlicher Spiritualität und
Leiblichkeit in Form von Tanz und Gebärde
ein Anliegen ist.
Warum Kirchentanz?
Menschen tanzen (nicht nur) in der Kirche,
weil sie von etwas bewegt sind, z. B. von
Lebens- und Sinnfragen, von Sehnsüchten
und Hoffnungen oder von der Frohen Botschaft
Jesu Christi. Sie tanzen, weil sie in
Bewegung kommen unter der Berührung
unseres lebendigen Gottes und weil sie als
Gemeinschaft beten und Gott preisen wollen.
Dem menschlichen Körper, dem beseelten
Leib, wohnt eine eigene Form der
Intelligenz inne – die Fähigkeit zu spüren:
Beziehung, Bewegung, Nähe und Distanz,
Räume und Grenzen, Stimmungen, Klänge,
Gefühle etc. Tanz ist ein Resonanzmedium
und eine flüchtige Kunst – er lebt vom gefüllten
Augenblick. Er regt zur Einfühlung
an, berührt die Sinne und kommuniziert
nach innen und außen. Tanz bringt Menschen
in Bewegung und gibt Kraft für das
Engagement in Kirche und Welt.
Wenn Tanz in den Dialog mit christlicher
Tradition kommt, entstehen neue Perspektiven
und Wahrnehmungen. Tanzende
können
-
die Dynamik Gottes in seiner Schöpfung
in kraftvollen kreativen Bewegungen erleben,
- Gottes Trinität in getanzte Bilder umsetzen,
die Beziehung verkörpern, ohne dieses
Geheimnis Gottes lüften zu wollen,
- Tanz als Raum der Gnade erfahren, in
dem die Geistkraft weht,
- ganzheitlich in den Dialog mit einem
Bibeltext bzw. mit Gottes Wort eintauchen
und dadurch biblische Texte vertieft und
neu erfahren,
- vor Gott tanzen, mit allem, was glücklich
macht, begrenzt, ängstigt oder schmerzt,
und mit allem, wofür sie noch keine Worte
gefunden haben,
- Liturgie intensiver als Weggemeinschaft
erleben
- und vieles mehr.
Liturgie als Gesamtchoreografie dient
von ihrem Anliegen her dem Menschen und
seiner Beziehung zu Gott: „Gottes-dienst“ –
Dienst für Gott und Dienst Gottes an uns.
Gott hat uns als ganzheitliche Wesen mit
Leib, Geist und Seele geschaffen. So dürfen
wir unser Leben vor ihn bringen mit unserer
Vergebungsbitte (Kyrie), unserem Lobpreis
(Gloria), mit unseren Talenten und Früchten
(Gabenbereitung), uns aber auch beschenken
lassen und ihm danken (Präfation, Dankgebet).
So wie Gesang und Musik dienen auch
Tanz und Gebärde dazu, die Bedeutung dieser
liturgischen Elemente zu vertiefen, einer
Inspiration einen konkreten, sinnenhaften
Ausdruck zu geben. Sie sind nicht als schmückendes
Beiwerk oder zusätzliches Extra zu
verstehen, sondern als dem Anliegen des
Gottesdienstes dienender und zu integrierender
Bestandteil der Liturgie. Tanz kann
im Gottesdienst ein Ritual sein, eine schlichte
soziale Interaktion, um die Gemeinschaft der
Feiernden erfahrbar zu machen, oder eine
Besinnung des Einzelnen, um den eigenen
Gefühlsausdruck im Sinne einer Resonanz
auf das Evangelium zu finden.
Im Kirchentanz sind professioneller
Tanz und leiblicher Ausdruck der Gemeinde
nicht gegeneinander auszuspielen. Beide
haben ihre Wertigkeit und ihre Berechtigung.
Der eine ist dem künstlerischen Ausdruck
verpflichtet, um den Zuschauenden
ein inneres geistliches Miterleben zu ermöglichen.
Der andere lädt ein, sich selbst
auf eine eigene Erfahrung einzulassen mit
den Bewegungsmöglichkeiten, die dem einzelnen
Menschen persönlich gegeben sind
und die der jeweilige Kirchenraum bietet.
Zwischen Praxis und Theorie
Der CAT ist es in 25 Jahren gelungen, sich
mit ihren Anliegen und Zielen wissenschaftlich
auseinanderzusetzen. Mit jährlich
wechselnden öffentlichen Veranstaltungen,
die ehrenamtlich von unseren
Vereinsmitgliedern organisiert werden,
bieten wir
-
Symposien im Dialog mit verschiedenen
Wissenschaften (Theologie, Musikwissenschaft,
Sportmedizin, Psychologie, Neurologie
etc.),
- Kirchentanz-Festivals mit einer Vielfalt
an Tanzformen und einem abschließenden
„Bewegten Gottesdienst“,
- Fachtagungen für Tanzanleiter/innen
und Tanz-Workshops der Regionalgruppen,
- Präsenz auf den Evangelischen Kirchentagen
und den Katholikentagen.
Die einzelnen Vereinsmitglieder wirken
vor Ort in ihren Gemeinden und Tanzkreisen,
in Bildungshäusern, in sozialen und
pädagogisch-therapeutischen Einrichtungen
mit ihrem Know-how und ihren Erfahrungen.
Sie tragen so zur Verbreitung
anderer liturgischer Formen und zur Erweiterung
des Erfahrungshorizontes im
christlich-spirituellen Spektrum bei.
Auch nach 25 Jahren sind die Mitglieder
der Arbeitsgemeinschaft noch nicht müde
geworden, das Tanzbein zu schwingen und
für ihre Ideen bzw. die Vereinsziele zu werben.
In den letzten Jahren gab es manche
positiven Weiterentwicklungen. Hier nur
einige wenige Beispiele: Die Dance Company
TippingPoint um Barbara J. Lins hat mit
ihrer Performance Continuum7 den Aschermittwoch
der Künstlerinnen und Künstler
2018 in Freiburg gestaltet. Tanz als Kunstform
wurde durch die Verleihung des Kultur- und Kunstpreises 2021 der deutschen
Katholiken (KuKK) an die Tanzchoreografin
Lia Rodrigues unter besonderer Berücksichtigung
ihres künstlerischen, pädagogischen
und sozialen Wirkens in der Favela
de Maré in Rio de Janeiro gewürdigt. Die
evangelische Pfarrerin und Tanzpädagogin
Tatjana K. Schnütgen wurde 2021 mit dem
Hanns-Lilje-Stiftungspreis (EKD) für ihre
innovative Dissertation „Tanz zwischen
Ästhetik und Spiritualität – Theoretische
und empirische Annäherungen“ (Göttingen
2019) geehrt. Sie reflektiert exzellent
zeitgenössische Tanzkunst als ästhetische
Erfahrung, die spirituelle Räume eröffnen
kann, ohne dass diese Erfahrungen theologisch
vereinnahmt werden. 2018 erschien
das Buch „Bibliotanz – Biblische Texte im
Tanz erleben. Das Praxisbuch“ von Astrid
Thiele-Petersen, die im September 2022 die
2. Bibliotanz®-Weiterbildung (2022–2024) in
Kooperation mit evangelischen Bildungseinrichtungen
startet (www.astrid-thiele-petersen.de/bibliotanz/#angebote). Die
nächste dreijährige Ausbildung „Bibel getanzt“
unter Leitung von Sr. Monika Gessner
OP beginnt im Januar 2023 (siehe www.bibelgetanzt.org/angebote/tanzausbildung).
Unsere eigenen Erfahrungen und die
Resonanzen auf unsere Symposien und Kirchentanz-
Festivals bestärken uns in unserem
Engagement, tanzbegeisterte Christinnen
und Christen miteinander zu vernetzen
sowie mit Bewegung und Tanz in verschiedenen
Gottesdienstformen zu experimentieren.
Seit 1997 ist die CAT kontinuierlich
gewachsen und findet immer wieder neue
Ideen für leibbewusste Spiritualität.
Wünsche für die Zukunft
Neben einem weiteren Wachstum und
einer großen Lebendigkeit der Arbeitsgemeinschaft
wünschen wir uns, verstärkt
auch Jüngere und noch mehr Männer für
den Liturgischen Tanz zu begeistern (auf
ihre Weise, mit ihrer Musik!) und Kirche als
eine Glaubensgemeinschaft in Bewegung
erfahrbar zu machen. Das wäre für uns ein
Herzensanliegen und eine Entwicklung der
Liturgie, die auch Kirchenentwicklung ist.
Die Qualität der Liturgie wird sich in
Zukunft auch daran messen lassen müssen,
dass sich Menschen bewusst für bestimmte
Gottesdienstformen entscheiden,
von denen sie erwarten, dass sie ihre Seele
nähren, ihre Alltagsprobleme und Lebensfragen
und großen Sehnsüchte nicht nur
ins Wort bringen, sondern auch im und
am eigenen Leib sinnlich erfahrbar machen.
Menschen werden liturgische Feiern
wählen, die sie sinnenhaft-symbolisch ansprechen,
weil sie aus diesen gestärkt und
gesegnet weitergehen wollen und weil sie
ihre Glaubensgemeinschaft erfahren wollen.
Gerade durch die kontaktarme Zeit der
Corona-Pandemie ist uns allen deutlich geworden,
wie wichtig auch kleine Berührungen
und Gesten sind. Tanz und Gebetsgebärden
bieten Potenzial für Möglichkeiten
der Annäherung, des Füreinander-Öffnens
und des Erlebens einer Communio.
Broschüre „Kirche tanzt“
Die Erfahrungen vieler Tanzleiter/innen,
Theolog/innen, Religions- und Tanzpädagog/
innen sind jetzt zum Jubiläum der
Arbeitsgemeinschaft in einer handlichen
Broschüre gebündelt worden: „Kirche
tanzt“ (Bestellung bei der CAT-Geschäftsstelle; Kontakt siehe unten). Hier
finden sich hilfreiche Hinweise für alle,
die entdecken wollen, was Tanz der Kirche
zu bieten hat – theologisch, liturgisch und
künstlerisch. Den Anstoß für diese kleine
Handreichung gab das Symposium „Tanz-
Gottes-Dienst – wo sich Himmel und Erde
berühren“ im Jahr 2017 in Essen. Leser/innen
können entdecken, welche Beziehungen
zwischen Tanz und Liturgie bestehen.
Der Text will Menschen ermutigen, mit dem
Tanzen in der Kirche anzufangen und Bewegung
in die gottesdienstlichen Feiern zu
integrieren.
Zu finden ist die CAT mit aktuellen Terminen
und allem Wissenswerten unter www.christliche-ag-tanz.de.
Fragen beantwortet
die CAT-Geschäftsstelle gerne: info@christliche-ag-tanz.de.