Auf eigene VerantwortungFreizeitangebote für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren

Kinder im Grundschulalter wollen selbstständig die Welt entdecken. Mädchen und Jungen aus belasteten sozialen Verhältnissen haben dafür weniger Möglichkeiten.

Auf eigene Verantwortung
© Sven Kästner, Berlin

Nach wie vor sind die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der großen Kinder, sich mit Freunden zu treffen und draußen etwas zu unternehmen. Vergleicht man die Zahlen von 1990 mit denen der Erhebung 2016, wird erkennbar, wie sehr sich Kindheit verändert hat: 1990 gaben 73 Prozent der 6- bis 13-Jährigen an, dass sie jeden oder fast jeden Tag draußen spielen oder etwas unternehmen. 2016 konnte diesen Wunsch nicht einmal jedes zweite Kind verwirklichen. Kinder, die dem Spielplatz mit Rutschbahn und Sandkasten entwachsen sind, wollen auf eigene Faust aber gemeinsam mit anderen Kindern die Welt im Umfeld der Wohnung erkunden und erobern: Es ist das Alter, in dem das Wohnumfeld natürlicherweise zum eigentlichen Lebensraum der Kinder wird: Im Gebüsch oder auf Bäumen Buden bauen, mit dem Skateboard auf Sockel springen oder Treppen runterrattern, mit dem Fahrrad durch die Gegend streifen, Klingelstreiche machen, am Bach spielen, Feuer machen …
Solche Erfahrungen sind in Deutschland inzwischen vor allem den Kindern aus Familien mit höherem sozioökonomischem Status vorbehalten. Je belasteter die sozialen Verhältnisse sind, in denen ein Kind aufwächst, umso weniger kindgerecht sind auch die Aktionsräume im Wohnumfeld und umso seltener spielen auch ältere Kinder ohne Aufsicht auf der Straße, auf Plätzen oder in Anlagen Diese Kinder streifen ersatzweise dann eher durch Kaufhäuser, wenn sie nicht gleich zu Hause sitzen bleiben, um die Welt „draußen“ am Bildschirm zu erkunden.
Einen wichtigen Hinweis, worauf Freizeitangebote für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren besonders achten sollten, gibt die World Vision Kinderstudie 2018. Demnach sind die zehnbis elfjährigen Mädchen und generell Kinder aus den unteren sozialen Schichten mit ihrer Freizeit am wenigsten zufrieden. Es wäre also erforderlich, sich den Bedürfnissen dieser Kinder besonders zu widmen.

SELBST GESTECKTE ZIELE

Den Kindern geht es vor allem darum, auf eigenes Risiko und auf eigene Verantwortung selbst gesteckte Ziele und Herausforderungen zu bewältigen. Damit erweitern sich auch die geistigen, sozialen und emotionalen Horizonte. Wenn Kinder zum Beispiel beschließen, sich in einem Versteck ein Lager zu bauen, werden mehrere Kompetenzbereiche angesprochen. Man muss den geeigneten Ort finden: Das fördert das Orientierungsvermögen und die Fähigkeit, Gegebenheiten richtig einzuschätzen. Man muss sich eine Baustrategie überlegen und entsprechendes Material zusammentragen. Dabei sind vorausschauendes Denken und Problemlösekompetenz gefragt. Beim Bauen und Konstruieren erwerben Kinder physikalische Grundkenntnisse und technische Fertigkeiten. Aktivitäten draußen, der Umgang mit Pflanzen, Erde, Wasser und auch die Begegnung mit Tieren legen die Grundlagen für naturwissenschaftliches Interesse und Wissen. Spielende Kinder sind motiviert und konzentriert, sie bewegen sich und bei vielen ihrer Aktivitäten ist Geschicklichkeit gefordert. Fehlversuche und vielleicht auch Schmerzen üben Frustrationstoleranz und Selbstkontrolle. Gemeinsame Aktionen erfordern Absprachen, Klärung von Konflikten. Und am Ende eines selbst geplanten, selbst verantworteten und gemeinsam durchgeführten Projektes stärken positive Gefühle wie Stolz, Glück, Zugehörigkeit das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl.

RISIKEN RICHTIG EINSCHÄTZEN

Nicht selten sind selbstbestimmte Aktivitäten von großen Kindern aus Sicht der Erwachsenen riskant oder sogar gefährlich. Mit Risiken zu spielen ist ein zentrales Lebensthema in der Entwicklungsphase zwischen Kleinkind- und Jugendalter. Kinder üben Fähigkeiten, die ihnen im Jugendalter und als Erwachsene zugutekommen: erstens Risiken rechtzeitig zu erkennen, zweitens deren Folgen abzuschätzen und drittens angemessen zu reagieren. So sind sogar die Gemeindeunfallversicherungen dafür, in Schule und Freizeitangeboten durchaus Risiko-Herausforderungen zuzulassen. Das beruht auf der Erfahrung, dass Unfallfolgeschäden bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen erheblich kostspieliger sind, wenn diese im Grundschulalter nicht gelernt haben, mit Risiken umzugehen. Entscheidend ist es, Risiken nicht zu verbieten, sondern Kindern zu zeigen, wie sie mit Gefahren richtig umgehen. Kinder lieben solche Regeln. Sie wollen lernen, wie man richtig Feuer macht und wie man es löscht, wie man sich in natürlichen Gewässern, auch bei Eis, verhält, wie man sich im Wald oder in einer fremden Stadt orientiert. Wenn Regeln nicht nur beschreiben, was verboten oder geboten ist, sondern gleichzeitig benennen, wann, wo und wie entsprechendes Verhalten angemessen und erlaubt ist, fühlen sich Kinder – und damit auch die Erwachsenen – wohler.

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