Falscher PulloverKolumne

Silberlöffel haben die Kinder unserer Kolumnistin schon im Mund gehabt. Geld ist trotzdem ein Thema.

Falscher Pullover
© Matthias Wieber, Freiburg

In dieser Stelle bekenne ich offen: Ich lebe in einer Reiche- Leute-Hipster-Blase. Genauer gesagt in Berlin-Mitte. Hier, wo es ebenso viele wohlhabende Eigentumswohnungsbesitzer wie freie Künstler gibt. (Dass da ein Zusammenhang besteht, ist ein anderes Thema.) Jedenfalls wachsen geschätzte 85 Prozent aller Kinder, die ich aus unserem Kiez kenne, in relativem Wohlstand auf. Autos, Fernreisen, große Kinderzimmer, schicke Kleidung, hochwertige Schulranzen – das ist in den Freundeskreisen meiner Kinder fast selbstverständlich. Natürlich finanzieren die Eltern Klavierstunden und Sport, natürlich werden Kindergeburtstage in Kunstateliers, Schwimmbädern oder auf Reiterhöfen gefeiert.
Eine wunderbare, heile Welt, könnte man meinen. Aber an ihren Rändern weht ein scharfer Wind. Viele Familien – auch Freunde von uns – sind in den letzten Jahren von hier verdrängt worden. Sie wurden von Investoren aus ihren Mietwohnungen geklagt. Oder sie zogen widerwillig an den Stadtrand, weil sie für ihre wachsende Kinderschar größere Wohnungen brauchten. Wohnraum ist hier in Berlin-Mitte für Normalverdiener längst unerschwinglich.

MARKENKLAMOTTEN IN DER GRUNDSCHULE

Unsere Umgebung hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Neubauten, Tiefgaragen, sanierte Spielplätze bestimmen jetzt das Stadtbild. Dazu haufenweise Boutiquen, Restaurants und Cafés. Wer hier lebt, so könnte es auf Außenstehende wirken, der hangelt sich täglich vom Smoothie zum Latte macchiato und kauft zwischendurch am liebsten Designerlampen.
Gelegentlich passiert es da, dass den Eltern und Kindern in dieser durchgentrifizierten und homogenen Nachbarschaft der Bezug zur Realität verloren geht. „H&M-Klamotten haben nicht so eine gute Qualität“, belehrte kürzlich ein Mitschüler meinen Sohn, beide Zweitklässler. Eine Klassenkameradin meiner Tochter haute folgenden Satz raus: „Es ist nichts besonderes, Millionär zu sein.“ Neulich schlug eine Mutter beim Elternabend vor, gleich mal 50 Euro für die Klassenkasse einzusammeln. Davon könnten wir doch dann viele schöne Spielsachen fürs Klassenzimmer kaufen. Damit die Kinder nachmittags im Hort noch mehr Auswahl haben. Gute Idee – aber 50 Euro?! Niemand nahm offiziell Anstoß an der Summe.
Trotzdem bin ich überzeugt, dass es auch in Berlin-Mitte immer noch Menschen gibt, für die 50 Euro viel Geld ist, zumal wenn am Schulanfang Materialien und Bücher (womöglich für mehrere Kinder) bezahlt werden müssen. Nur trauen sich diese Eltern wahrscheinlich gar nicht mehr, bei so viel zur Schau gestelltem Wohlstand ihre Einwände vorzubringen. Man will ja vor der Gruppe weder als Loser noch als Geizhals dastehen. Umso wichtiger, dass Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer beim Thema Geld mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Auch in Gegenden wie unserer. Nur weil man selbst eine volle Portokasse hat, sollte man nicht automatisch von sich auf alle anderen schließen.
Zu Hause versuchen wir jedenfalls, das leicht schiefe Weltbild unserer Kinder immer mal wieder geradezurücken: Wisst ihr, Geld fällt für die meisten Menschen nicht vom Himmel, viele müssen es hart erarbeiten. Und nein, auch im reichen Deutschland ist keineswegs jeder ein Millionär. Und zu guter Letzt: Wer welche Marken am Leib trägt, sollte euch in der Grundschule überhaupt nicht interessieren. Uns Eltern interessiert es jedenfalls nicht die Bohne.  

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