Das bekannte Sprichwort bezieht sich auf das gut ausgebaute römische Straßensystem der Antike, das auf die Stadt Rom zentriert war. Doch was wurde daraus im Mittelalter und was bedeutet es für das Christentum (bis heute)?

Kein Tourist versäumt es, am Forum Romanum auch das Miliarium aureum zu beachten, den goldenen Meilenstein, von dem aus seit der Zeit des Augustus die Entfernungen im römischen Reich gemessen wurden. Und jeder Lateinschüler kennt die Landkarte des römischen Umlandes, wo die alten Konsularstraßen wie die Zeiger auf einem Ziffernblatt von der Stadt Rom abgehen: Die Via Appia nach rechts unten, etwa bei 5 Uhr, die Flaminia nach oben, bei 12 Uhr, die Aurelia nach links, etwa bei 9 Uhr und so fort. Man sieht dieses strahlenförmige Ausgehen schon auf einer spätantiken Landkarte, die allerdings noch nicht, wie heute vertraut, genordet ist.

Für Freunde der Antike, etwa die genannten Lateinschüler, ist aus diesem antiken Straßensystem besonders der stadtnahe Abschnitt der Via Appia von Bedeutung, denn er hat auf etwa 14 Kilometern sein antikes Aussehen teilweise bewahrt oder genauer: er ist "musealisiert" und kann mit archäologischem Interesse begangen werden. Das lohnt sich sehr, aber eben weil das Stück eine Art Freilichtmuseum ist, lenkt es von einem wichtigen Sachverhalt ab. Nämlich von der Tatsache, dass die Via Appia nicht nur hilft, die alten Zeiten des Imperium Romanum vor unserem geistigen Auge wieder erstehen zu lassen, sondern dass die Grundstruktur des römischen Verkehrssystems im Grunde in den letzten 2.000 Jahren weitgehend stabil geblieben ist, und zwar nicht nur und gerade nicht da, wo die Antike in die historische Vitrine gestellt ist.

Antikes Pflaster unter modernem Asphalt

Schon die moderne Nummerierung der italienischen Bundesstraßen zeigt das: Strada statale 1 ist die Via Aurelia, SS 2 die Via Cassia, SS 3 die Via Flaminia und so fort, im Uhrzeigersinn um Rom herum. Noch heute schiebt sich der Berufsverkehr allmorgendlich auf einer dieser Hauptachsen in die Stadt hinein und abends wieder heraus. Wer als Tourist nach Rom kommt, folgt – auf der Autobahn kommend (A1 Autostrada del Sole) – in den stadtnahen Zügen weitgehend der uralten Via Salaria oder – mit Zug oder Bus vom Flughafen – der Via Portuense, der Hafenstraße (denn der heutige Flughafen und der antike Schiffshafen liegen beinahe übereinander).

Wer den Dingen genauer nachgeht, stellt fest: Die modernen, oft mehrspurig ausgebauten Autostraßen folgen mitunter genau dem antiken Verlauf; man könnte also theoretisch unter dem modernen Straßenbelag das antike Pflaster noch finden. Mitunter laufen sie auch parallel in größerer oder kleinerer Distanz. In solchen Fällen, vor allem wenn die Distanz einmal etwas größer wird, finden sich immer wieder großartig erhaltene Straßenabschnitte in freier Natur, und zwar einfach erhalten, nicht touristisch hergerichtet.

Ein Stück Via Cassia südlich von Montefiascone
Ein Stück Via Cassia südlich von Montefiascone Martin Wallraff

Gerade das abgebildete Stück Via Cassia erinnert an einen wichtigen Sachverhalt: Obwohl die römischen Straßen ihre Bedeutung auch über Mittelalter und Neuzeit vielfach behielten, hat die Stadt ihre Blickrichtung gedreht. Nicht ohne Grund ist die Appia aus antiker Sicht die "Königin" dieser Straßen, denn sie verband Rom mit Apulien und von dort mit dem ganzen Ostteil des riesigen Reiches (auf der griechischen Seite geht sie weiter als Via Egnatia, bis zum Bosporus). Für das Mittelalter wurden die Verbindungen nach Norden wichtiger, vor allem die Cassia und die Flaminia, über die die Franken nach Rom kamen – und mit und nach ihnen viele andere (daher auch der etwas vage gebrauchte Name "Via Francigena"). Die Stadt blickte nun nicht mehr nach rechts unten (5 Uhr, Südosten auf der Landkarte), sondern nach oben (12 Uhr, Norden).

Christliche Romreisende

Auf dem heute in stiller Landschaft liegenden Stück Via Cassia können wir uns also mancherlei prominente Romreisende vorstellen – auch solche, die für die Geschichte des Christentums wichtig wurden. An einem strahlenden Oktobernachmittag des Jahres 1511 mag hier der damals noch ganz unbekannte Augustinermönch Martin Luther mit seinem Reisegefährten entlang gekommen sein, als Pilger und in Ordensgeschäften, und dann, etwa eine Generation später im Jahr 1537, Ignatius von Loyola mit seinen Mitbrüdern, vermutlich abgekämpft und etwas frustriert (denn eigentlich hätten sie ins Heilige Land gewollt). An der gleichen Via Cassia ein paar Kilometer vor Rom hatte Ignatius dann eine Vision, in der Jesus ihm versicherte: "Ego vobis Romae propitius ero", frei übersetzt: Rom ist als Ziel eures Weges auch nicht so schlecht. An dieser Stelle in La Storta erinnert heute eine kleine Kapelle an die Vision – und an Rom als Ziel.

Kapelle an der Via Cassia in La Storta.
Kapelle an der Via Cassia in La Storta. Martin Wallraff

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