Henri Amédée Le Lorgne d’Ideville (1830–1887) und José Manuel Hidalgo y Esnaurrízar (1826–1896) verband nicht nur eine langjährige diplomatische Erfahrung in den Diensten ihrer jeweiligen Länder – Frankreich bzw. Mexiko in ihren verschiedenen Verfassungsformen im mittleren und späten 19. Jahrhundert, sondern auch die Abfassung leidenschaftlicher Erinnerungen an ihre Zeit als Legationssekretäre in Rom unter Pius IX.: Bei Hidalgo begann diese Zeit mit dem eigentlichen (und überhaupt letzten!) außer-römischen Exil des Papstes; bei Ideville mit den militärischen Kämpfen im Risorgimento.
Die "großen Romdiplomaten" der deutschsprachigen Welt der Zeit, Menschen wie der Bayer Karl von Spaur (1794–1854), der Pius IX. rettete, der österreichische Graf Rudolf von Lützow (1780-1858) oder der Württemberger Karl von Kolb (1800–1868) hinterließen keine entsprechenden Memorien, auch der Preuße Alfred von Reumont (1808–1887) nicht, der auch seine Zeitgenossen und Erlebnisse beschrieb, in vergleichbarem Rang in Rom war und überhaupt in seinem Charakter Ideville und Hidalgo am nächsten kam.
Das Heilige Jahr ist stets eine Begegnung mit der Wirklichkeit des Ewigen, mit einer gewissen Patina der Äonen, die Bauten, Institutionen und gar Menschen in der nicht umsonst in allen Sprachen "ewig" genannten Stadt anhaftet.
So unterschiedlich ihre Positionen auch waren, so verband Ideville und Hidalgo doch die rege Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Stadt der Päpste – sowie die Tatsache, dass sie kein Jubeljahr vor Ort erlebten! Das ist in der Tat bedauerlich, denn das Heilige Jahr ist stets eine Begegnung mit der Wirklichkeit des Ewigen, mit einer gewissen Patina der Äonen, die Bauten, Institutionen und gar Menschen in der nicht umsonst in allen Sprachen "ewig" genannten Stadt anhaftet.
Momente einer Wallfahrt
Dies wurde besonders im Februar fassbar, als der Verfasser dieser Zeilen mehrere Momente einer Jubiläumswallfahrt ostbayerischer Priesteramtskandidaten, erleben durfte.
Die Sonntagsmesse besagter Gruppe in der malerischen und geheimnisvollen Kirche von Santa Maria all'Aventino verwies bereits mit ihren Grabmälern bedeutender Johanniterrittern und von Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) – ja, der Zeichner! – auf die Ewigkeit hin. Auch der Hochaltar aus Stuck, auf dem der Heilige Basilius auf einem Globus oberhalb eines Sarkophags schwebt, unterstrich das Streben nach Aeternitas, als Gegenpol zur erlebten Aevitas. In dieser halluzinierenden Fülle barocker Details, die allesamt Hinweise auf die Ideale des Johanniterordens und auf die zum Zeitpunkt der Sanierung der Kirche regierende Papstfamilie Rezzonico sind, begann die Reise ad limina apostolorum.
Es folgte eine Station in San Giovanni in Laterano mit dem obligatorischen Blick auf das Fresko der Einführung des Jubeljahres unter Bonifaz VIII. Auch hier wiesen die schlangenartigen Wellen des Caetani-Wappens auf die Ewigkeit im Programm der damals neuen Frömmigkeitsgeschichte des lateinischen Christentums: Durch Gebete, Fasten und die Reise nach Rom sollte für die Ewigkeit im Jetzt vorgesorgt werden. Auch Constantia, die Tochter Konstantins, hoffte in ihrem prachtvollen Grab bei der damals relativ neuen Kirche der Heiligen Agnes auf die Auferstehung für die Ewigkeit.
Näher am Vatikan begegnete die Gruppe, deren Rom-Erfahrung sehr unterschiedlich war – von der allerersten Reise bis zum Romkenner – der Grundbedingung für diese Sehnsucht: der Zeitlichkeit, dem Bewusstsein der zeitlichen Begrenztheit. Am Mittwoch entfiel die Papstaudienz, da Papst Franziskus zu diesem Zeitpunkt krank war; zwei Monate später starb er. In diesem Sinne findet sich auch im Petersdom, ungeachtet der Kritik eines Émile Zola (1840–1902), jenes Wechselspiel von Zeitlichkeit und Ewigkeit. Historisch steht er für die Regierungen der Päpste verschiedener Epochen wie Urban VIII. oder Gregor XVI., in Bezug auf die Ewigkeit ist er ein Zeugnis ihrer Hoffnung.
Bei der exzellenten Führung durch den Aachener Kunsthistoriker und Museumsdirektor Andreas Raub in Santa Maria Maggiore wird die wiederholte Betonung des Ewigen durch die Heilige Pforte mit dem Wappen von Kardinal de Fürstenberg als Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem bekräftigt. Eine einmalige Gelegenheit bot sich der Gruppe mit der Besichtigung des Apostolischen Archivs. Vom Eingang am Belvederehof bis hin zum Turm der Winde und den paulinischen Prachträumen atmeten die unterschiedlichen Dokumente und besonders die Backsteine der Heiligen Pforte diese Kernbotschaft für die Pilger des römischen Anno Santo: vom Diesseits ins Jenseits zu schauen und von der Zeitlichkeit in die Ewigkeit zu wandern.