Es könnte eigentlich alles so schön sein. Die Umgebung rund um mein Büro in der Villa Malta, die selbst schon reich an Geschichte ist, hat wirklich einiges an Kunst und Kultur zu bieten. Da gibt es zum Beispiel in die eine Richtung die Villa Borghese mit ihrem Park, in die andere die Spanische Treppe und die Kirche Trinità dei Monti, dann bei einem erneuten Richtungswechsel die Krypta der Kapuziner-Mönche, die Piazza Barberini mit der Fontana del Tritone sowie den Palazzo Barberini mit seiner beeindruckenden Gemäldesammlung. Aber dann ist da auch noch diese kleine, hässliche, man möchte fast sagen, gottverdammte Straße mit dem Namen Rasella. Ihre Hässlichkeit ist nicht in ihrer sie rahmenden Architektur begründet, sondern in einem Ereignis, dessen Wunden bis heute sichtbar sind. Es sind viele Einschusslöcher in einer Hausfassade, offensichtliche Kampfspuren, erstarrtes Grauen über die Zeiten hinweg. Einmal gesehen, unvergesslich, nicht zu verdrängen, trotz aller Kunst und Schönheit ringsum.
Man schreibt das Jahr 1944, Rom ist von den Deutschen besetzt und der italienische Widerstand wehrt sich nach Kräften. So auch in Rom in der Via Rasella. Eine Widerstandsgruppe legt einen Hinterhalt für deutsche Truppen, es wird ein Bombenanschlag verübt, in dessen Zusammenhang neben unbeteiligten italienischen Zivilisten auch 33 deutsche Ordnungspolizisten zu Tode kommen. In der verbrecherischen Logik der Besatzer führt dies zur Erschießung von 335 italienischen Geiseln im Süden Roms. Sie werden in die Ardeatinischen Höhlen, einen aufgelassenen Steinbruch geführt und per Genickschuss bestialisch hingerichtet. Anschließend sprengen die Mörder die Höhlen und wer bis dahin noch nicht umgekommen ist, stirbt spätestens jetzt den Erstickungstod oder wird von den Steinmassen zerquetscht. Die Täter dieses Massakers sind nie wirklich zu Rechenschaft gezogen worden.
Und die Opfer? Am Tatort ist eine bewegende Gedenkstätte errichtet worden. Sie ist unweit der Katakomben von Santa Domitilla und San Callisto in der Via Ardeatina. Über die Stadt Rom verteilt gibt es außerdem Gedenktafeln, die an jenen Häusern angebracht sind, in denen die Opfer damals gelebt haben. Nicht unbedingt touristische Highlights, nicht unbedingt ein "Must" im Besuchsprogramm gerade auch deutscher Besucher, die lieber die Klassiker der römischen Antike besuchen. Irgendwie verständlich und irgendwie auch wieder nicht – gerade jetzt im Heiligen Jahr.
Es erscheint angesichts dessen, was alles geschehen ist, immer wieder schier unfassbar, wie Italiener und Deutsche heute in Rom ungezwungen miteinander umgehen, Deutsche als Touristen und Kollegen herzlich aufgenommen werden, wie Freundschaften bestehen und Vertrauen herrscht.
Mancher wird sich an dieser Stelle vielleicht nun fragen, warum jetzt hier so moralinsauer? Dem sei Folgendes versichert: Es geht nicht um die bevormundende Belehrung von kulturinteressierten Menschen, die einfach ein paar schöne Tage haben wollen. Es geht um das, was das Heilige Jahr wesentlich mit ausmacht.
Heil werden, Heil stiften
Es erscheint angesichts dessen, was alles geschehen ist, immer wieder schier unfassbar, wie Italiener und Deutsche heute in Rom ungezwungen miteinander umgehen, Deutsche als Touristen und Kollegen herzlich aufgenommen werden, wie Freundschaften bestehen und Vertrauen herrscht. Klar, die Motive mögen unterschiedlich sein, aber es gibt da dann doch immer wieder dieses eine Entscheidende, ohne das alles andere gar nicht möglich wäre.
Es ist das, was sich nur mit den Worten Vergebung, Versöhnung, Umkehr und Neuanfang beschreiben lässt. Hier setzt das ein, worum es im Heiligen Jahr eigentlich geht, jenes täglich mögliche Wunder. Es geht darum, durch die Pforte zu gehen, eine neue Tür aufzumachen, die Schwelle zu Neuem hin zu überschreiten, um Altes hinter sich zu lassen, in die Gemeinschaft der Kinder Gottes einzutreten und immer wieder neu Verantwortung in Gerechtigkeit füreinander zu übernehmen. Kurzum, es geht darum, Heil zu werden und Heil zu stiften.