Als Frau in den Dreißigern bekomme ich in den sozialen Medien ständig Kinder- und Familiencontent präsentiert. Was mir dabei vermehrt auffällt: Texte, Audios, Videos oder ganze Profile zum Phänomen #RegrettingMotherhood, Studien, warum kinderlose Single-Frauen am glücklichsten sind oder Beiträge, die die Zerrissenheit berufstätiger Mütter zwischen Care- und Erwerbsarbeit dramatisieren. Regretting-was? Care-was?
Rückblick: Die Soziologin Orna Donath hatte vor ungefähr zehn Jahren weltweit eine heftige Debatte ausgelöst, als sie eine Studie über Mütter veröffentlichte, die bekannten, ihre Mutterschaft zu bereuen und diese am liebsten rückgängig machen wollten. Seither scheint ein Tabu gebrochen, das Bild der glücklichen Mutter bekommt Risse. Gern zitiert wird beispielsweise auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2023. Damals hatte der Glücksexperte Paul Dolan, Professor für Verhaltenswissenschaften an der London School of Economics, Daten der American Time Use Survey (ATUS) ausgewertet, einer Umfrage, die die Zufriedenheit und Unzufriedenheit unverheirateter, verheirateter, geschiedener, getrennter und verwitweter Menschen miteinander vergleicht. Ergebnis: verheiratete Frauen sind unzufriedener und haben ein höheres Risiko, krank zu werden.
Muttersein – nur Bürde und selbst gewählte Falle?
Das liege auch an der vielen Arbeit rund um Haus und Kinder, genannt "Care-Arbeit". All das, was "so nebenbei" passieren soll, was aber faktisch gerade bei mehreren Kleinkindern ein Vollzeitjob sein kann. Diese Mehrbelastung, die auch mental existiert (planen, einkaufen, organisieren) – bleibt häufig an den Frauen hängen. Wenn diese als Mutter weiter berufstätig sein möchten, kommt all das meist "on top". Konfliktpotenzial vorprogrammiert. Ich kenne das auch. Doch solche Texte ständig zu lesen, vermitteln unablässig das Gefühl, dass Muttersein vor allem eine selbstgewählte Bürde ist. Eine Falle, in die man sich selbst bugsiert hat. Was macht das mit kinderlosen Zeitgenossinnen, die vielleicht noch am Überlegen sind?
Die Geburtenrate ist in Deutschland aktuell mit gerade einmal 1,23 Kinder pro Frau erschreckend niedrig. Neben der Angst um die eigene Freiheit zögern viele vielleicht auch wegen einer eher kinderunfreundlichen Umgebung. Die bestätigen immer wieder Umfragen unter Eltern. Mit Kindern findet man schwerer eine Wohnung, in Restaurants erntet man Blicke, wenn der Nachwuchs nicht nur ruhig auf dem Stuhl sitzt, und Hotels machen damit Werbung, dass sie keine Kinder aufnehmen. Die Autorin des Buches "Deutschland, ein kinderfeindliches Land?", Natalie Klüver, kennt viele solcher Beispiele. In einem Interview nennt sie eine Konsequenz: Familien ziehen sich ins Private zurück, werden in der Öffentlichkeit unsichtbarer, "die Gesellschaft vergisst, was normales, altersgerechtes Verhalten von Kindern ist."
Die Welt der Kinder ist unschuldig, sie leben den Moment, mit ihnen kann man kurz Leichtigkeit spüren, das Leben nicht so ernst nehmen und mal den Kopf aus und das Herz anschalten.
Kinderfreundliches Italien
Diese Kinderunfreundlichkeit nehme ich auch wahr, aber irgendwie gewöhnt man sich daran. Das fällt mir immer dann besonders auf, wenn ich nach Italien reise. Anfangs zucke ich in Restaurants bei jedem lebhaften Geräusch meiner Sprösslinge noch gewohnt zusammen oder versuche, sie vom Herumrennen abzuhalten – bis die ersten Italiener anfangen, mit ihnen Späße zu machen und ich aufatmen kann. Kinder sind dort überall willkommen, man freut sich über sie und verlangt nicht von ihnen, "kleine Erwachsene" zu sein. In Deutschland dagegen sollen Kinder die Erwachsenen meist nicht stören. Dass dieses "Stören" jedoch zu ihrem Wesen gehört, wird übersehen. Kinder sind damit eigentlich eine Bereicherung. "Werdet wie die Kinder", sagte Jesus. Ihre Welt ist unschuldig, sie leben den Moment, mit ihnen kann man kurz Leichtigkeit spüren, das Leben nicht so ernst nehmen und mal den Kopf aus und das Herz anschalten. Die Italiener haben das verstanden. Doch Überraschung: Italienerinnen haben mit 1,2 Kindern pro Frau tatsächlich noch eine schlechtere Geburtenrate als wir Deutschen.
Allein die Atmosphäre ist also wohl nicht ausschlaggebend. Europäischen Frauen, die heute mehr als früher die Wahl haben, fällt es augenscheinlich schwerer, sich für Kinder zu entscheiden. Welche Rolle spielen Debattenbeiträge à la "regretting motherhood" dabei? Veröffentlicht werden diese laufend – aktuelles Beispiel: im Juli 2025 begründet eine Autorin in der "Brigitte" "warum ich nie Mutter werden wollte":
"Ich würde jahrelang nie mehr alleine sein. Weitestgehend fremdbestimmt mit einem permanenten Grundrauschen leben. Dieses Gefühl der bedingungslosen Liebe, das viele Eltern als beispielloses Glück zitieren, stellte ich mir vor allem als ein Gefühl bedingungsloser Abhängigkeit vor. Und der Gedanke, dass ein Lebewesen ohne mich nicht existieren könnte, bereitete mir keine Freude, sondern Angst."
Was macht es mit einer Generation junger Frauen, die viele solche Beiträge dank Algorithmus nahezu täglich liest oder als TikTok-Videos sieht? Sie müssen zu folgendem Schluss kommen: Wen die Belastung "Kind" stresst, der ist selbst schuld, man hat sich ja dafür entschieden. Die Krisenstimmung nimmt dabei noch zu, wenn man die weltpolitische Lage in den Blick nimmt. Manche sagen tatsächlich, es wäre klimafeindlich Kinder zu bekommen. Auch angesichts drohender kriegerischer Auseinandersetzungen sei das keine gute Idee.
Dem tieferen Sinn der Elternschaft nachspüren
Was mir hilft, trotz alldem hoffnungsvoll nach vorne zu blicken und keine Angst um meine Kinder zu haben, ist mein christlicher Glaube. Er hilft mir auch hinter der Anstrengung, den Opfern die Elternschaft immer mit sich bringt, einen tieferen Sinn zu sehen. Ein Leben, das möglichst bequem, möglichst selbstbestimmt, möglichst unabhängig von anderen funktioniert – das gibt es doch gar nicht und wenn ja, hört sich das für mich ziemlich einsam und langweilig an.
Elternschaft macht verzweifelt, verliebt, sie bringt einen dazu, auch dann noch Kraft aufzubringen, wenn man keine mehr hat. Weil man muss. Wer die vielen schlaflosen Nächte der ersten Jahre und den dazugehörigen Alltag bewältigt hat, der weiß das. Wer hier Opfer bringt, der wird beschenkt.
Herausforderungen geben einem die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln. Elternschaft macht verzweifelt, verliebt, sie bringt einen dazu, auch dann noch Kraft aufzubringen, wenn man keine mehr hat. Weil man muss. Man wächst über sich hinaus – das stimmt hier wirklich. Wer die vielen schlaflosen Nächte der ersten Jahre und den dazugehörigen Alltag bewältigt hat, der weiß das. Wer hier Opfer bringt, der wird beschenkt. Diese Erfahrung überwiegt bei mir. Wenn ich durch Fotoalben blättere und sehe, wie ich meine Kinder beim Großwerden begleite – dann ist das ziemlich großartig und nicht in Worte zu fassen. Das sind dann so Gipfelmomente, die einen in schwierigen Situationen wieder daran erinnern, dass immer Licht am Horizont ist und sich die Reise lohnt.
Man könnte viel schreiben, viele Anekdoten erzählen – und dabei ginge es auch gar nicht darum, andere zu überzeugen, warum es besser ist, sich für Kinder zu entscheiden oder nicht. Nein, ein "Muss" ist es nicht und es ist tatsächlich ja auch wirklich wahnsinnig anstrengend. Dass man darüber offen sprechen kann, dieses Tabu hat nicht zuletzt #regrettingMotherhood gebrochen und für viele Frauen war das sicher befreiend. Aber auch in diesen Zeiten und auch als ambitionierte Frau kann es schön sein, Kinder zu bekommen, eine Familie zu gründen – allen gesellschaftlichen Schwierigkeiten und Hürden zum Trotz.
Den Reichtum der Elternschaft bewahren
Die Kirche hat hier viel zu sagen. Sie ist zum Glück ein Raum, in dem man Kinderfreundlichkeit erleben kann. Gerade Papst Franziskus hat immer wieder über die Gefahren eines Lebensstils gesprochen, der einen konsumorientierten Materialismus in den Mittelpunkt stellt und keinen Platz für die Opfer lässt, die die Erziehung von Kindern erfordert. Ich muss daran denken, als er einmal in seiner unverwechselbaren direkten Art sagte: "Viele, viele Paare haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben eines und nicht mehr – aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen … Ja, Hunde und Katzen ersetzen Kinder. Ja, ich verstehe, das bringt einen zum Lachen, aber das ist die Realität. So wird die Gesellschaft älter und unmenschlicher, weil der Reichtum der Vaterschaft und der Mutterschaft verloren geht." Wie Recht er hatte.