Was zum FesthaltenOktober ist Rosenkranzmonat – Warum es gut ist, ihn zu beten

Mediationsvideos auf YouTube werden tausendfach angeklickt, während unsere christliche Kultur seit vielen hundert Jahren eine Meditationsform kennt, die ohne Strom und Internet auskommt: den Rosenkranz. In einer Krise habe ich ihn für mein Leben wiederentdeckt.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Gutes Marketing ist es, wenn man an Slogans hängen bleibt und sie nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Jetzt hat mich selbst so eine schnelle Botschaft gecatcht: "Nimm den Rosenkranz in die Hand und beginne zu beten. Du wirst sehen, dass dieses Gebet wirklich Wunder bewirkt." Dazu ein Bild einer Ordensfrau, irgendwo in einem sozialen Netzwerk. Der Satz hat mich beschäftigt. So viel Überzeugung steckt darin, so viel Selbstbewusstsein und das, was heute vielen schwerfällt: die eigene Glaubenspraxis dem anderen auch zu empfehlen. Und: ich erinnerte mich an eine konkrete Situation, wo mir das genauso passiert ist, was die Schwester da sagt.

Tatsächlich gerät der Rosenkranz gerade ja ein bisschen in Vergessenheit. Früher, bei mir auf einem Dorf im Allgäu, gab es ihn wöchentlich in der Kirche. Mancherorts gibt es das auch heute noch. Ich kenne es so von meiner Großmutter und irgendwie war er für mich deshalb lange auch etwas für "Alte". Heute denke ich: Das war ihre Mediations-Session. Wenn heute junge Menschen mit Spiritualitäts-Influencern wie Laura Malina Seiler oder anderen auf YouTube Fantasiereisen machen, ging meine Oma in die Kirche, um runterzukommen, Kraft zu schöpfen und um für bestimmte Anliegen zu beten.

Heute ist der Rosenkranz dagegen oft nur noch ein hübsches Symbol für den Glauben, ein Motiv für Tattoos oder Accessoire am Autospiegel, aber wirklich gebetet wird er dann nicht, oder?

Auch ich hatte meinen Rosenkranz einige Jahre ganz in der Schublade gelassen und im Trubel des Lebens einfach vergessen. Bis ein Familienmitglied sehr krank wurde und ich am Krankenbett nicht mehr wusste, wie ich meine Nerven beruhigen soll. Da fiel er mir wieder ein, ja "zufällig" war einer im Rucksack, den ich damals ins Krankenhaus mitgenommen hatte. 

In der Verzweiflung und weil das W-LAN nicht richtig funktionierte, nahm ich neben dem schlafenden Patienten die alte Gebetskette tatsächlich in die Hand und versuchte es nach langer Zeit wieder. Das Gebet ist so einfach aufgebaut, dass man es nicht vergessen kann. Immer rascher glitten meine Finger über die Gebetsperlen und ja, ich wurde ruhiger.

Trost für das unruhige Gemüt

Ich war ehrlich gesagt selbst ein bisschen überrascht, wie viel Halt mir das in dieser Situation gab und wie sehr es mich entspannte. Irgendeine Ausstellung in einem Berliner Museum vor vielen Jahren kam mir in den Sinn, bei der man betende Menschen verschiedener Religionen verkabelt hatte und genau diesen Effekt messen konnte: Die vielfache Wiederholung kurzer Gebete oder Formeln führte zu einer langsameren und tieferen Atmung, der Puls sank, der Körper kam in einen Entspannungszustand. Kürzlich hat das auch eine wissenschaftliche Studie mit dem Titel "Is the rosary still relevant? Exploring its impact on mental health and well-being" untersucht und bestätigt. 361 Personen waren beteiligt, die Ergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwischen dem Rosenkranzgebet und einer Verringerung von Depressionen und eine Steigerung der Empathie. 2001 wurde eine Studie der italienischen Universität Pavia veröffentlicht, die zu ähnlichen Ergebnissen kam.

Die einfachen, immer gleichen Gebete geben meinem Geist etwas zu tun, die Hände dürfen etwas greifen, die Hoffnung ("Dein Wille geschehe") im Vaterunser und die Bitte um Hilfe ("Heilige Maria, bitte für uns") legen sich tröstlich auf das unruhige Gemüt.

Kein Wunder also, dass Gebetsschnüre in vielen Religionen verbreitet sind. Auch im Islam oder Buddhismus gibt es Perlenketten als Gebetshilfe.

Seit der Krankenhaus-Situation greife ich immer wieder zu meinem Rosenkranz. Die einfachen, immer gleichen Gebete geben meinem Geist etwas zu tun, die Hände dürfen etwas greifen, die Hoffnung ("Dein Wille geschehe") im Vaterunser und die Bitte um Hilfe ("Heilige Maria, bitte für uns") legen sich tröstlich auf das unruhige Gemüt. Dazu kommt: Man betet ihn ja nicht nur für sich, sondern kann damit auch Gebetsanliegen verbinden und das Leben Jesu betrachten.

Der Heilige Dominikus hatte alte, bereits bekannte Gebetsabfolgen um die heute bekannten Einschübe ergänzt. Inspiriert von Maria höchstpersönlich: Auf Darstellungen in Kirchen sieht man, wie die Muttergottes ihm die berühmte Gebetskette überreicht – bei einer Erscheinung, so die Legende. Es war der Anfang seiner Erfolgsgeschichte. Wegen der Einfachheit konnten auch Analphabeten das Gebet gut lernen und der Rosenkranz wurde bald zum Volksgebet. Auch Siege bei kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ihm zugeschrieben.

Nimm und bete

Papst Leo XIV hat auch in Anlehnung an diese Tradition alle Katholiken dazu aufgerufen, im Rosenkranzmonat Oktober täglich einen Rosenkranz für den Frieden in der Welt zu beten. Der ist aktuell vielleicht schneller im "Innen" zu finden als im chaotischen "Außen" der Welt. Dass die teils schön verzierten Gebetsketten zumindest dabei schnell helfen können, das muss man vielleicht tatsächlich mehr weitersagen. Ich muss an den Heiligen Augustinus denken. Der berichtet in einer berühmten Passage seiner "Confessiones", dass er einmal verzweifelt unter einem Feigenbaum saß, als er ein kleines Kind singen hörte: "Nimm und lies!" Er sah das als Wink von oben, las in der Bibel und fand den Trost, den er brauchte.

Meinen kleinen Kindern hat kürzlich jemand einen Rosenkranz geschenkt – "Nimm und bete!", der Satz fiel nicht, aber die Geste war da. Dass sie dieses Gebet einmal lernen, das wäre wirklich schön. So eine Meditation "to go", ein schneller Draht nach oben, den man in Krisen auch mal aus dem Rucksack ziehen und sich daran festhalten kann, das wünsche ich ihnen auch.

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