Was ist nur aus dem guten alten Sommerloch geworden? Aus der Saure-Gurken-Zeit? In diesen Tagen geht ein Sommer zu Ende, der uns fast keine Pause gegönnt hat. Die Nachrichtenlage jedenfalls war aufgeregt wie immer. Trump, Putin, Kiew, Gaza, Brosius-Gersdorf, AfD, Steuern...
Für den nun beginnenden Herbst ist nichts anderes zu erwarten. Rainer Maria Rilke, dessen 150. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, konnte die kommende Jahreszeit noch als Raum der Vollendung beschreiben. In seinem Gedicht Herbsttag legt er dar, dass es nun darum gehen sollte, die in den ersten Monaten angefangenen Dinge zu veredeln, zu einem guten Ende zu bringen, die Ernte einzufahren. „Jage die letzte Süße in den schweren Wein...“ Neues startet man demnach jetzt eher weniger: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben...“
Der Herbst 2025 unterscheidet sich deutlich von dieser überlieferten Stimmung. Alles andere wäre auch fatal angesichts der aktuellen Herausforderungen. Etwa in der Politik. Das Bündnis aus CDU und SPD – früher konnte man das noch Große Koalition nennen; inzwischen liegt die AfD bei der „Sonntagsfrage“ beharrlich auf Platz eins – ist mit einer dramatischen Losung angetreten. Man sei die „letzte Chance“ der Demokratie, zumindest der politischen Mitte in Deutschland. Bislang haben die Akteure diese Vorgabe aber in keiner Weise eingelöst. Wahlversprechen wurden gebrochen, es gibt Streit ohne Ende, die Koalitionäre sind sich in Misstrauen verbunden.
In der Kirche sieht es nicht viel besser aus. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp hat soeben die mangelnde Reformbereitschaft vieler Bischöfe beklagt. Etliche Oberhirten würden die Beschlüsse des Synodalen Wegs aussitzen. Sie „drehen eine Beratungsschleife nach der anderen – immer mit Schielauge nach Rom“. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller brachte es im Interview mit kirche + leben noch deutlicher auf den Punkt: „Die meisten Bischöfe sind geistlich ausgebrannt und müde. Sie sind es leid, synodaler – das heißt, partizipativer – wesentliche Fragen mit Gläubigen erörtern oder gar gemeinsam mit ihnen entscheiden zu müssen. Bei den anderen Synodalen ist eine Ernüchterung festzustellen, weil Beschlüsse nicht umgesetzt werden, Reformanliegen versanden und die Veränderungsbereitschaft verpufft. Das führt zu Frust und Resignation ... Der gesamte Prozess steht momentan auf der Kippe.“
Es gibt ohne Zweifel dramatische Entwicklungen in Kirche und Welt. Aber wenn etwas – wie oben zitiert – auf der Kippe steht, kann es eben immer auch (noch) auf die richtige Seite kippen. Dafür aber muss dieser Herbst ein Herbst der Gestaltung werden. Die Politik in Deutschland hat dazu die seltene Gelegenheit, wenn nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag in einer Woche erstmal etliche Monate ohne wichtigen Urnengang anstehen. Es lassen sich daher auch unpopuläre Entscheidungen leichter durchsetzen.
Genauso drängt die Zeit in der Kirche: Die im Januar kommenden Jahres anberaumte sechste Synodalversammlung soll eine erste große Bilanz des bisherigen Weges in Deutschland werden. Auch hier muss sich in den kommenden Monaten etwas Neues zeigen, damit bei dem Treffen in Stuttgart auch tatsächlich etwas zu bilanzieren ist – und nicht wirklich nur Enttäuschung bleibt.