Fernsehkrimis greifen gerne etwas in die Klischeekiste. Auch die ARD-Reihe Die Diplomatin in Rom mit Natalia Wörner als hobbykriminalistische Staatsgesandte kommt in der neuesten Folge „Tod einer Nonne“ auf den ersten Blick etwas schablonenhaft daher – bis eine junge Ordensfrau tot aufgefunden wird. Als bald darauf der Verdacht aufkommt, dass die Verstorbene Opfer von sexueller Gewalt geworden ist, entspinnt sich eine Geschichte, die sensibel erzählt ist und vor allem durch einen überraschend umfangreichen Kenntnisstand zu Mechanismen, Folgen und Aufarbeitung von Missbrauch im katholischen Kontext auffällt – den einige Kirchenoberen bis heute vermissen lassen. Vielleicht ist es deshalb gut und notwendig, anhand dieser Krimifolge fünf wichtige Fakten neu ins Bewusstsein zu rufen:
1. Erwachsene können Opfer werden.
Der Krimi macht von Anfang an klar, dass die Gewalt, die den Frauen angetan wurde, ein Verbrechen ist, das schwerste seelische und körperliche Folgen mit sich zieht – egal in welchem Alter.
2. Es gibt systemische Ursachen und Abwehrmechanismen.
Der Film zeigt die typisch katholischen missbrauchsbegünstigenden Faktoren wie klerikalistisches Machtungleichgewicht, Gehorsamsverpflichtungen, Abhängigkeiten oder das Geflecht aus Vertuschen und Wegschauen (Bystander). Zudem wird aufgedeckt, wie Betroffene bewusst als „labil“ diskreditiert und als „Nestbeschmutzer“ ausgegrenzt werden.
3. Sexueller Missbrauch im religiösen Kontext ist immer auch spiritueller Missbrauch.
In einer Szene trifft die Diplomatin einen Jesuitenpater, der zeigt, dass es auch Priester gibt, die sich mit allen Kräften für Betroffene einsetzen. Er erklärt ihr, dass beide Missbrauchsarten im Glaubenskontext untrennbar verbunden sind und dass Täter ihre Verbrechen häufig geistlich einfädeln oder rechtfertigen.
4. Betroffenenzeugnisse haben Macht.
Die stärkste Szene bildet der mutige und bewegende Bericht einer ehemaligen Nonne, die ebenfalls vom Täterpriester missbraucht, geschwängert und in die Mittellosigkeit ausgestoßen worden ist. Sie erzählt von der „immer gleichen Masche“ des Priesters, der sich stets die verletzlichsten neuen Ordensfrauen aussucht und sich ihnen per Anbahnungsstrategie (Grooming) nähert. Dank ihrer couragierten Aussage nimmt der Fall eine entscheidende Wende. Am Ende zeigt sich schließlich auch das heilende Potenzial der Solidarität von Betroffenen untereinander.
5. Die Kirche kann es nicht allein.
Wie im echten Leben, so ist es auch im Krimi oft nicht die Kirche, die für echte Aufarbeitung sorgt, sondern vor allem engagierte, sensibilisierte und empathische Personen außerhalb der Institution: die couragierte (atheistische) Diplomatin, die sich bei ihren Ermittlungen weder abwimmeln noch einschüchtern lässt und irgendwann den Täter vor lauter heiligem Zorn ihre Wut ins Gesicht schreit. Aber auch ein etwas ambivalenter Journalist sowie die Staatsmacht erweisen sich als unverzichtbar im Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit.
Eigentlich erschütternd, dass die Macher einer Krimireihe ihre Hausaufgaben in der Missbrauchsthematik offenbar besser gemacht haben als mancher kirchliche Verantwortungsträger. Vielleicht erreicht ja die Serie den einen oder anderen und führt zu einem Umdenken. Zu wünschen wäre es!