Die Welt umspannend
Was verbindet Menschen mit der katholischen Kirche, was zieht sie an? Die Antworten, die uns auf diese Frage (vgl. CIG Nr. 21, S. 2) erreichten, waren offen, bewegend, ermutigend – manchmal auch kritisch. Sie zeigen, wie vielfältig das Verständnis von „katholisch“ ist. Für manche bedeutet katholisch sein: eine reiche Liturgie, die alle Sinne anspricht. Für andere: eine weltweite Gemeinschaft, die Grenzen überwindet. Viele verbinden mit ihrem Glauben Kindheitserfahrungen, spirituelle Tiefe – oder auch Konflikte und Zweifel. Wir laden Sie ein, diesen vielstimmigen Chor mit uns zu hören.
Was viele Leserinnen und Leser verbindet, ist ihre Begeisterung für die katholische Liturgie. Es geht nicht nur um Ästhetik – sondern um Trost, Halt, Gemeinschaft und Glauben, der spürbar wird.
„Das Singen, die Inszenierungen und das Erleben mit allen Sinnen hat mich von Kind auf begeistert. Dazu kommt die Zeit in der Katholischen Jugend, die Freizeiten mit Kaplänen, der Kirchenchor, die liturgischen Gesänge, der gregorianische Choral, was mich auf die Spur der Kirchenmusik, und dann später zur Theologie geführt hat. Dazu das vielfältige Engagement in der Gemeinde von Kind an als Lektorin, Kantorin – und Gruppenführerin. Es ist die Liturgie, die mich bis heute katholisch sein lässt.“
Monika Dittmann, Walluf
„Die evangelisch(-lutherisch)e Liturgie mit ihrem großen Respekt vor Gottes Wort und der unverzichtbaren Würde der Kirchenmusik ist Teil unserer Hochkultur. Die katholische Liturgie vermag darüber hinaus alle Sinne miteinzubeziehen, was den Mitfeiernden die Verbindung zwischen dem Sinnlichen und Übersinnlichen in seiner immateriell-transzendenten Seinsweise vor Augen führt und weitere Körperberührungen ermöglicht. Dies gipfelt in der Kommunion, der leibhaftigen Gemeinschaft untereinander und mit dem fleischgewordenen Wort Gottes.“
Bernhard Geuß, Leverkusen
„Was das Besondere des Katholischen ausmacht? Vielleicht gab mir einer meiner protestantischen Enkel die Antwort: ‚Opa, kannst du mich mal in den katholischen Gottesdienst mitnehmen?‘, fragte er. ‚Der ist viel bunter, auch die Messe spricht mich mehr an. Diese ganze Tradition, dieses Feierliche...‘ Ich glaube, dass sich in unserer oft verglasten, ungemütlichen Betonwelt eine heimliche Sehnsucht entfaltet, nach ein wenig mehr Glitzer und Glamour.“
Dr. Bernd Wulffen, Berlin
Katholisch heißt wörtlich: allumfassend. Viele Stimmen loben die Weite der Weltkirche, das Mitfeiern über Sprach- und Landesgrenzen hinweg. Kirche – das ist für sie ein Ort der Begegnung.
„Ich bin gern katholisch, weil Katholizität per se Gemeinschaftlichkeit bedeutet und somit allen Egoismen a priori einen Riegel vorschiebt. Ich bin an jedem Ort der Welt Teil der Gottesdienstgemeinschaft – egal welche Sprache ich spreche, wie ich aussehe oder was ich darstelle. Engstirnigkeit ist lokal oder national und kann die Weltkirche (hoffentlich!) nicht nachhaltig zerstören.“
Angela Madaus, Walddorfhäslach
„Die Freude am katholischen (=weltumspannenden) Glauben beziehe ich vor allem aus der sonntäglichen Eucharistiefeier, an der ganz verschiedene Menschen ‚aller Völker, Sprachen und Nationen‘ teilnehmen können. Ich freue mich, wenn ich durch die Lande fahre und fast an jedem Ort einen Kirchenbau als Gottes besonderen Anwesenheitspunkt mitten unter den Menschen sehe.“
Bernhard Frey, Karlsruhe
„Eine kleine Begegnung möchte ich hier erzählen: Vor gut einem Jahr lag ich im Krankenhaus, meine Zimmernachbarin war eine alte Frau. Eines Tages sagte sie zu mir: ‚Sie sind doch Nonne. Wissen Sie, das Beten allein fällt einem schon manchmal schwer, ich schlafe beim Rosenkranz immer ein.‘ Oh, der Rosenkranz, das ist jetzt nicht meins, dachte ich im Stillen und überlegte eine Weile, wie ich aus dieser ‚Schleife‘ wieder herauskomme. ‚Ich könnte Ihnen am Abend die Komplet vorbeten‘, war mein Vorschlag, auf den sie mit Freude einging. Das wurde so auch jeden Abend gehalten. Einmal gingen wir auch in die Krankenhauskapelle und beteten ein Gesätz vom Rosenkranz. Als ich wieder daheim war, vergaß ich die Frau nicht, und ganz langsam wurde mir bewusst, was ich dort mit ihr erlebt hatte – Kirche im Kleinen! Seit dieser Zeit schaue ich vermehrt auf solche kleinen Begebenheiten. Und siehe da, es gibt sie!“
Sr. Emmanuela Köhler OCist, Oberschönenfeld
Für viele beginnt der Glaube in der Kindheit: mit Liedern, Jugendfreizeiten, gemeinsamen Festen in der Familie. Doch persönliche Entwicklungen, das eigene Bibelstudium oder Lebenskrisen führen auch zu kritischen Fragen – ohne dass die Verbindung zum Glauben der Kindheit ganz abbricht.
„Aus dem unerschütterlichen Glauben des Abiturienten wurde durch Studium (ab 1965: Konzil!) und in 39 Jahren Schule sowie 48 Jahren Pfarrgemeinde immer mehr ein fragender Glaube. Die strengen Dogmen haben sich in meinem Denken inzwischen alle stark relativiert. Vieles, was wir in Worten und Begriffen ausdrücken, hätte sich auch anders entwickeln, ausdrücken, anders ins Bild gesetzt werden können. Es ist nur eine Möglichkeit neben anderen, uns dem Geheimnis von Jesus von Nazareth, den wir Christus nennen, anzunähern und es für unser Leben fruchtbar zu machen. Ich erlaube mir also Skepsis, Zweifel, kritisches Nachdenken ... Trotzdem fühle ich mich auf Grund meiner Lebensgeschichte im Umfeld unserer katholischen Bilderwelt heimisch.“
Werner Mühlbauer, Gersthofen
„Ich (Jahrgang 60) habe in meiner Jugend durchaus erfrischendes, stärkendes, Mut machendes Christsein in der katholischen Kirche erfahren und war lange Zeit geradezu stolz auf meine katholische Kirche. Ausgetreten bezeichne ich mich noch immer als katholische Christin. Der Austritt hatte mit dem dominanten, unbrüderlichen, dann noch ekklesiologisch begründeten Auftreten des örtlichen Klerus zu tun. Inzwischen frage ich mich, wie ich so blind dafür sein konnte, dass Frauen in dieser katholischen Kirche so diskriminiert und ausgeschlossen sind. Warum jetzt die Betonung des ‚gut Katholischen‘? Ich möchte auf Kniebänke, Weihrauch, bunte Messgewänder nicht verzichten. Wünschte mir es aber noch bunter mit Tänzen, vielseitigerer Musik, Meditationspausen...“
Katharina Geibel, Minden
„‚Gut katholisch‘ – das war in den 70er-Jahren für mich ein Schimpfwort! Eine ‚gute katholische‘ Kirche war die Chiffre für einen in den romkonformen und alten Bräuchen verharrenden Christen. Das wollte und will ich nicht sein. Heute, 50 (!) Jahre später, verstehe ich ‚gut katholisch‘ als eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die mit Jesus Christus leben wollen. Als Kirche dieser Zeit benötigen wir keine Uniformität, wie der Glaube gefeiert wird. Gut katholisch bedeutet für mich, eine Vielfalt in den Formen aushalten und dabei eine Einheit mit Christus finden. Vor Jahren fragte ich bei einer Tauffeier, welche Farbe die schönste sei. Eine Vierjährige antwortete: bunt! Steckt darin nicht eine Weisheit? Was wissen wir von Gott?“
Pfarrer Norbert Appel, Wetter
Viele Leser bezeugen einen persönlichen, oft geistlich tief geprägten Glaubensweg. Für sie bedeutet katholisch sein nicht Anpassung, sondern eine dauernde Suche nach dem nie ganz Greifbaren. Gebet, Bibel- lesen, geistliche Begleitung – das sind ihre Quellen.
„Vor bald sieben Jahren ging für mich in der Kirche die Tür auf. Endlich durfte ich mich anfangsweise in den Glauben hineinstellen. Ich bin gern katholisch, weil ich in großer Freiheit meinen Weg in die Kirche gehen darf, weil ich am Gottesdienst mitsingend, mitbetend, mitfeiernd und mitkommunizierend teilnehmen darf und weil ich die Möglichkeit erhalten habe, lesend in der Heiligen Schrift, in Heiligenbüchern und im Werk Joseph Ratzingers mein Leben immer tiefer zu verstehen.“
Birgitta Zinsstag, Basel/Schweiz
„Ich bin nicht ‚gut katholisch‘, sondern schlecht evangelisch. Noch im Jahr 1957 nannte einer meiner Lehrer ‚katholisierende Tendenzen‘ Verrat. Vier Jahre später schrieb ich dann eine Arbeit über das Papsttum. Seitdem interessiert mich alles, was den Papst betrifft! – Johannes XXIII. hat das Fenster aufgerissen. Paul VI. gehörte einfach zum Konzil. Dann der lächelnde Johannes Paul I.: Bei seinem Begräbnis habe ich geweint. Johannes Paul II. aus Krakau riss mich mit. In seinen letzten Jahren war er mir ein Ansporn, wenn ich mich schwach fühlte. Benedikt XVI. provozierte Fragen. Nach ihm grüßte Franziskus auf der Loggia. Und nun Leo XIV. – wie haben es die so verschiedenen (möglicherweise ‚zerstrittenen‘) Kardinäle wieder geschafft? ‚Warum wirst du nicht katholisch?‘, bin ich oft gefragt worden. Möglich, dass dadurch manche Probleme gelöst wären. Aber fast alles habe ich in dieser Kirche empfangen, von meinen Eltern, Lehrern, Brüdern und Schwestern. Bei aller Kritik und trotz aller Mängel bleibe ich. Sonst wäre mir meine Kirche bald ziemlich egal. Das will ich nicht. – Ist das eventuell auch ein ‚gut katholisches‘ Lebens-Gefühl?“
Pfarrer i.R. Christian Schreier, Leipzig
Was aus all diesen Stimmen spricht, ist kein angepasstes Mitlaufen, sondern eine tiefe Auseinandersetzung mit Glauben und Kirche. Manche betonen die Schönheit der Liturgie, andere die Gemeinschaft, wieder andere das Ringen um Wahrheit. Vielleicht ist genau das katholisch: nicht Einheitsdenken, sondern der Versuch, gemeinsam auf Christus zuzugehen – mit unterschiedlichen Stimmen, aus unterschiedlichen Lebensgeschichten. Und mit einer Hoffnung, die trägt.