Innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte entwickelte sich eine Vielzahl an neuen technischen Möglichkeiten, archäologische Stätten und Bauten zu visualisieren und zu rekonstruieren. In unserem technisierten Zeitalter stellen computeranimierte 3D-Modelle und digital aufwendig visualisierte Nachbauten eine starke Konkurrenz zu physischen Methoden vergangener Generationen dar.
Die durch den digitalen Wandel entwickelten Herangehensweisen finden in der Fachwelt einen großen Anklang und versprechen eine Revolution der Archäologie. Welche Art des Fortschritts erhofft man sich von den neuen Möglichkeiten dieser Digitalität? Die zwei im Folgenden vorgestellten Projekte versuchen innerhalb der Vielfalt der heutigen Möglichkeiten ein Bild der genannten Problemstellungen und Anforderungen zu zeichnen, die im Zusammenhang mit der Rekonstruktion und archäologische Visualisierung antiker Bauwerke auftreten.
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Auferstehung der Antike – Archäologische Stätten digital rekonstruiert
ANTIKE WELT Jubiläumsheft
In aufwändigen dreidimensionalen digitalen Modellen werden seit Langem zerstörte in ihren vermutlichen Originalzustand zurückversetzt. Sie verschaffen dem Betrachter einen einzigartigen Eindruck des antiken Erscheinungsbildes. Gezeigt werden 24 fantastische Rekonstruktionen von 24 verschiedenen archäologischen Stätten, versehen mit den wichtigsten Stichpunkten zum Grabungsprojekt . Die jeweils doppelseitig abgebildeten Rekonstruktionen zeigen dabei eins besonders: die Wirkung antiker Stätten – auferstanden im digitalen Zeitalter.
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Eine uralte Stätte betritt das digitale Zeitalter
Palmyra stellte in der Antike eines der wichtigsten Handelszentren des Mittelmeerraumes dar. Nordöstlich von Syriens Hauptstadt Damaskus gelegen, vereinte die weltoffene Großstadt Kunst und Architektur verschiedenster Kulturen und galt als einer der reichsten und schönsten Orte der bekannten Welt. Die elegante Verbindung einheimischer Elemente mit neuen Einflüssen brachte in Palmyra architektonische Höchstleistungen hervor. Eine opulente, mit Säulen gesäumte Straße diente als Bindeglied zwischen Stadtvierteln und öffentlichen Arealen, wie dem Tempel des Bēl, dem Legionslager des Diokletian, der Agora und dem Theater.
2015, nach der vollständigen Einnahme durch den IS, begann vor dem Hintergrund des religiösen Fanatismus eine systematische Vernichtung der Stadt. Unter anderem sprengten sie den Tempel des Bēl, das Hauptheiligtum der Stadt, und beschädigten und plünderten andere Bauten. Im Anschluss an die Sprengungen begannen zahlreiche Forschende mit der Suche nach einem angemessenen Umgang mit der zerstörten Kulturstätte.
Das farblose Forum
Das Forum Romanum stellte während der Antike den Dreh- und Angelpunkt des politischen Geschehens in Rom dar. Es erstreckt sich in einem flachen Tal zwischen zwei der sieben römischen Hügel: dem Palatin und dem Kapitol. In der römischen Vorzeit war das Areal sumpfig und überflutete bei hohem Stand des Tibers regelmäßig, weshalb es sich nur schlecht zur Bebauung eignete. Laut dem bei Varro überlieferten Gründungsmythos soll es in eben diesem Sumpf, velabrum genannt, gewesen sein, dass der Hirte Faustulus die ausgesetzten Knaben Romulus und Remus gefunden hat.
Bis zum Ende der Kaiserzeit bewahrte sich das Forum seine Position als Machtzentrum Roms. Viele der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Bauten der Stadt siedelten sich auf oder am Forum an. Daneben diente es als Schauplatz für feurige Reden wie auch für blutige machtpolitische Kämpfe.
Der Bedeutungsverlust des Forums
Erst mit dem Ende der Kaiserzeit und dem Beginn der Spätantike verlor das Forum an Relevanz, als Konstantinopel Rom den Status der Hauptstadt abrang. Plünderung und Zerstörung während der Eroberung Roms durch die Goten und die spätere Rückeroberung durch Konstantinopel zogen das Forum weiter in Mitleidenschaft und seine vorherigen Bezüge gerieten in Vergessenheit. Nun errichtete man Werkstätten und Kirchen in den einst prachtvollen Gebäuden und ging gar dazu über, bestehende Bauten als Steinbrüche zu nutzen.
Ein geschichtsträchtiges und wandelhaftes Areal wie das Forum Romanum zu rekonstruieren und zu visualisieren, stellt für Forschende eine Mammutaufgabe dar. Wie bei jedem Rekonstruktionsprojekt muss die Frage beantwortet werden, welchen Zustand und welche Zeitspanne des Areals man rekonstruieren möchte. So präsentiert sich das Forum den heutigen Besuchenden als statisches Konstrukt verschiedener Ruinen. Diese stellen aber doch ein in sich geschlossenes und präsentables Bild dar, was unzählige Postkarten bezeugen. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine Ansammlung von Gebäuderesten ganz unterschiedlicher Zeiten. Dies ist auch bei genauem Hinschauen nur schwer zu erkennen.
Archäologische Visualisierung im Projekt
Das Projekt «digitales forum romanum» arbeitet seit 2011 an der archäologische Visualisierung des Forums. Es umgeht die Frage, welchen Zustand und welche Zeit man genau visualisieren möchte, indem es sich vorgenommen hat, schlicht alle Zustände und Epochen des Forums darzustellen. Durchgeführt wird das Projekt in Kooperation zwischen dem Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität Berlin und dem Architekturreferat des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin. Zeitweise auch in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster TOPOI (2010–2019).
Besonders den Wandel des Forums im Laufe der Zeit will das Projekt digital herausarbeiten. Daher liegt ein Fokus auf der architektonischen Ausgestaltung und der damit verbundenen Nutzung des Raumes. Gearbeitet wird hierbei mit der sog. «grauen» oder «flachen» Rekonstruktion (Titelbild).
Objekte werden hierbei als farblose (graue) geometrische Formen dargestellt und in einen sterilen Raum ohne menschliche Figuren oder Dekorationen gesetzt. Diese Praktik ist besonders als Antwort auf die Problematik zu verstehen, dass farbige, fotorealistische Visualisierungen für Rezipienten außerhalb des Fachpublikums oft einen Anschein von Authentizität implizieren. Dabei handelt es sich stets nur um einen Darstellungsversuch nach dem besten Wissen und um Arbeiten der Forschenden.
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