„Mir ist schon klar, dass der Chef durch die neuen Vorgaben unter Druck steht, aber wenn er nicht zuerst mal Verständnis für uns zeigt, geht gar nichts.“ Oder: „Solange mein Kollege sich nicht entschuldigt, brauche ich ihn auch nicht zu grüßen.“ Und: „Ich bin ja bereit, auf meinen Sohn einzugehen, aber er muss auch mal zuhören!“
Bei sich selbst anfangen: Was kann ICH ändern?
Mit solchen Bedingungsschleifen wird dem Gegenüber die Gesamtverantwortung für jegliche Veränderung zugeschoben. Und wem schießen bei Konflikten nicht auch solche „aber zuerst“-Gedanken durch den Kopf? Leider hilft uns das in der Regel keinen Schritt weiter. Selbstverantwortung ist gefragt. Und das heißt: sich auf das fokussieren, was ich selbst beeinflussen, kontrollieren und gestalten kann.
Tipps zur Konfliktlösung
Die Resilienztrainerin Monika Gruhl schlägt vor: Folgen wir in Konflikten dem Prinzip Selbstverantwortung, dann heißt das nicht, dass nicht auch andere sich ändern sollten und dass man dazu keine Wünsche äußern oder Vorschläge machen darf. Es bedeutet aber, dass wir zuerst bei uns selbst schauen, was wir anders machen können, um Konflikte zu entschärfen und die günstigsten Voraussetzungen für eine Veränderung zu schaffen, statt Forderungen an die anderen zu stellen. Fragen, die uns hier weiterbringen:
- Mit welchen meiner Eigenarten und Neigungen bereite ich dem anderen Schwierigkeiten?
- Wie könnte ich diese ihm gegenüber entschärfen?
- Welche Seiten des anderen lehne ich im Augenblick ab?
- Was hat mir daran einmal gefallen beziehungsweise welchen Gefallen könnte ich daran finden?
Leiden Sie unter einem anhaltenden Konflikt, in dem Sie das Verhalten der anderen einfach nicht nachvollziehen können? Wenn Sie mögen, dann versuchen Sie doch gleich einmal, mit den vier Fragen Ideen für Ihren guten Weg zur Konfliktlösung zu finden.
Probleme wälzen bringt nichts
Wie viel Zeit und Energie verschwenden wir damit, tatsächliche oder mögliche Probleme immer wieder in allen Einzelheiten zu beschreiben, zu analysieren und zu beklagen! Um nach vorne zu kommen, sollten wir aber genau das Gegenteil tun.
Erinnern wir uns mit Monika Gruhl daran: „Ob wir etwas als Problem oder als Chance wahrnehmen und deuten, ist ein Ergebnis unserer eigenen Denkweise. Es ist ein selbst fabriziertes Konstrukt. Und Konstrukte lassen sich verändern.“
Sich aus der einseitigen Problemsicht lösen
Wenn Sie zum Beispiel den Eindruck haben, dass Ihr Partner Sie häufig nicht versteht, zeigt das wohl, dass Ihre Kommunikation nicht immer zufriedenstellend funktioniert. Sich nun aber ausführlich und intensiv mit dem „Problem“ zu beschäftigen bringt dann wenig. Das verstärkt und verlängert nur das Nichtfunktionieren: Sie richten Ihre Aufmerksamkeit einseitig und ausdauernd auf das vermeintliche Defizit Ihres Partners und rufen damit automatisch auch die entsprechenden unguten Gefühle hervor. Diese stabilisieren wiederum Ihre Problemorientierung. Es wird immer schwerer, sich aus der beschränkten Problemsicht zu lösen. Denn die Einseitigkeit verhindert, dass neue und ungewohnte Perspektiven möglich werden. Das Problem kann sich in selbsterfüllender Prophezeiung als »objektiv real« bestätigen.
Selbstverantwortung übernehmen
Was wir uns lange genug einreden, verfestigt sich und verhindert, dass wir uns Lösungsmöglichkeiten zuwenden und sie zulassen. Ihre Problemsicht kann Sie also geradezu daran hindern, Ansätze zu finden, wie Sie Ihre Partnerkommunikation anders gestalten können.
Eine neue Geschichte erfinden
Monika Gruhl weist den Weg für „problemlose Lösungen“: „Um zu entfalten, was sein könnte, muss man nicht unbedingt alles verstehen, was in der Vergangenheit war. Lösungsorientierung sucht nach Möglichkeiten, eine neue Geschichte zu erfinden, die wahr werden oder, noch besser, wahrgemacht werden kann.“
In dem Beispiel der Partnerkommunikation könnten Sie Ihre „Geschichte“, dass Ihr Partner Sie häufig nicht versteht, beiseitelegen und sich dafür eine neue Geschichte ausmalen: Sie haben ständig zu wenig Zeit für Ihre Gespräche, überhaupt für einander. Dann könnten Sie überlegen, was Sie schon lange nicht mehr mit Ihrem Partner unternommen haben, aber gerne wieder einmal … Und Sie sind in ganz anderen Lösungsgefilden für den vermeintlichen Mangel an Verständnis.
Neue Ideen und ungewohnte Perspektiven entwickeln
Überlegen Sie einmal: Haben Sie schon einmal einen Sachverhalt so sehr als Problem betrachtet, dass es Sie letztlich an der Lösungsfindung hinderte? Sind Sie vielleicht gerade in solch einer Situation? Gibt es etwas, womit Sie derzeit latent oder offen unzufrieden sind? Dann führen Sie folgende Überlegungen wahrscheinlich weiter:
- Gibt es Vorannahmen, die Sie daran hindern, den Rahmen Ihrer bisherigen Lösungsansätze zu überschreiten? Was würde passieren, wenn Sie diesen üblichen Rahmen tatsächlich überschritten?
- Was befürchten Sie, was geschehen könnte, wenn Sie die betreffenden Normen und Glaubenssätze tatsächlich erschüttern würden?
- Wer würde nicht einverstanden sein? Wer würde Sie dafür kritisieren oder infrage stellen?
- Was könnten Sie tun, um damit gut zurechtzukommen?
Wenn Sie sich diese Fragen beantwortet haben, dann sind Sie bereits nahe daran, neue Ideen und ungewohnte Perspektiven zu entwickeln sowie originelle Lösungen zu finden, um mit dem unbefriedigenden Umstand gut umzugehen. Sie sind bereit, automatisierte Denkmuster und Handlungsroutinen zu durchbrechen.
Sich für den guten Ausweg öffnen
Suchen Sie dann nicht nach der Ideallösung, sondern nach der aktuell passenden und umsetzbaren Möglichkeit. Sie muss nicht für alle Zeiten sinnvoll sein. Wenn die Gegebenheiten sich ändern, können Sie die passende neue Lösung umsetzen.
Lösungsorientierung ist eine grundsätzliche Haltung, eine Haltung, mit der wir Prozesse weiterbringen können. Machen Sie sich in schwierigen Situationen mögliche Vorannahmen und Normen bewusst, die Ihren Lösungsblick verstellen könnten. Damit öffnen Sie sich für den jetzt passenden, guten Ausweg.
Konflikte entschärfen mit Gewaltfreier Kommunikation
Marshall B. Rosenberg entwickelte das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation in den 1960er Jahren. Ihr Geheimnis ist, die eigenen Wünsche authentisch ausdrücken, ohne die Grenzen anderer zu verletzen. Bei Auseinandersetzungen und Gewalt geht es immer auch um den Wunsch nach Wertschätzung und Respekt. Dann heißt es: Gefühle aussprechen, Bedürfnisse aller Beteiligten klären, Lösungen finden.
Diesen bewährten Ansatz kann man systematisch lernen. Anika und Ronald Hempel beschreiben diesen Weg in ihrem Buch Liebevolle Partnerschaft – Gewaltfreie Kommunikation für Paare: „Festzustellen, was einem eigentlich wichtig ist – sei es in der Beziehung, im Job oder mit der besten Freundin/dem besten Freund – ist ein Lernprozess, der seine Zeit braucht, und in dem jeder versuchen sollte, sein eigenes Tempo zu finden. Das Ergebnis bereichert das Leben eines jeden, und zwar immer dort, wo Menschen aufeinandertreffen.“