Wenn Extremisten an die Schule drängen

Egal ob Neonazis oder Salafisten: Fachkräfte sollten radikalem Gedankengut klar Paroli bieten.

Wenn Extremisten an die Schule drängen
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Warum feiern wir nicht Hitlers Geburtstag? Diese völlig ernst gemeinte Frage stellten Kinder einer Grundschule im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, während Kati Becker dort als Sozialpädagogin arbeitete. Becker war damals eigens an diese Schule gewechselt, weil es dort ein großes Problem mit Neonazis gab. Ein Sonderfall, denn in der Nähe hatte die NPD ihre Bundeszentrale, und Rechtsextremisten aus ganz Deutschland waren in die Nachbarschaft gezogen. In kleineren Dimensionen aber kann Rechtsextremismus an jeder Schule auftreten. „Und es kommt immer darauf an, dem richtig zu begegnen“, sagt Kati Becker, die heute das Netzwerk „Berliner Register zur Erfassung rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle in Berlin“ koordiniert.
Zwar verfügen Grundschulkinder noch nicht über ein gefestigtes Weltbild. Sie reden so, wie sie es zu Hause hören. Aber was Schülerinnen und Schüler in diesem Alter als normal erleben, prägt die spätere Lebenseinstellung mit. Ausgrenzung und Rassismus sollten nicht dazu gehören. Trotzdem müssen Erzieherinnen und Erzieher keine Angst vor Fallstricken haben. „Man kann Kindern einen herzlichen und zugewandten Umgang beibringen, ohne dabei in die Details der NS-Ideologie einsteigen zu müssen“, erklärt Becker. „ Allein das hilft schon viel gegen Ausgrenzung, wie Neonazis sie propagieren.“

KINDERÄUSSERUNGEN ERNST NEHMEN

Die Expertin rät, Kinder auch dann ernst zu nehmen, wenn sie extremistische Dinge sagen. Dann sollten Fachkräfte kindgerecht mit einem Gespräch reagieren. Rechtsextremen Eltern muss klar Paroli geboten werden. Neonazis verfolgen seit Jahren die Strategie, ihre Positionen in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Teils versuchen sie, an weit verbreitete Vorbehalte – wie zum Beispiel die Ablehnung von Flüchtlingen – anzudocken.
Trägt eine Mutter oder ein Vater auf der Elternversammlung offen Kleidung mit Nazisymbolen oder einschlägigen Sprüchen, dann wissen Pädagogen, mit wem sie es zu tun haben. Doch nicht immer zeigen Neonazis ihre Gesinnung so offen. Deshalb sollten vehementer Protest gegen Migrantenkinder in der Schule oder abfällige Bemerkungen gegen Fremde hellhörig machen. „Grundsätzlich geht es rechtsextremistischen Eltern immer um eine Trennung vermeintlich deutscher Kinder von den anderen“, sagt Kati Becker. Eine Gefahr besteht darin, dass Rechtsextreme sich gerne als Elternvertreter oder in Angeboten für die Kinder engagieren. Becker warnt: „Das sind häufig Frauen, die man gemeinhin gar nicht so als Neonazis wahrnimmt.“
Rechtsextremisten nutzen gerne auch die Angst vor islamistischem Terror, um ihre ausgrenzenden Forderungen zu begründen. Auch dagegen sollten Schulen klar Position beziehen. Das gilt, obwohl es mittlerweile tatsächlich Probleme mit Salafisten an Grundschulen gibt. Auch hier ist es schwierig, radikalen Islamismus von besonders konservativer Religionsauslegung zu unterscheiden.

IM GESPRÄCH BLEIBEN

„Wenn Kinder einen Gebetsraum an der Schule fordern, Mädchen die Teilnahme am Schwimmunterricht verweigern oder Schüler an muslimischen Feiertagen nicht zum Unterricht erscheinen, sind das erste Anzeichen, um ein Gespräch mit den Eltern zu suchen“, sagt Lisa Gellert. Die Politik- und Religionswissenschaftlerin arbeitet beim niedersächsischen Verfassungsschutz in der Islamismusprävention. Allerdings beweisen solche Forderungen allein genauso wenig wie eine voll verschleiert auftretende Mutter, dass eine Familie sich radikalisiert. Wenn aber mehrere solcher Indizien auftreten, kann das ein Hinweis sein. „Bei konkreter Gefährdungslage muss natürlich sofort die Polizei informiert werden“, sagt Gellert. „Sonst raten wir, vor allem mit den Schülerinnen und Schülern im Gespräch zu bleiben, ohne verurteilende Formulierungen nachzufragen und selbst erst mal neutral zu bleiben.“ Wenn ältere Kinder aber plötzlich mit ihrem Freundeskreis brechen, abwertend über andere Religionen sprechen und abrupt die Interessen ändern, sollten Pädagogen das als Alarmzeichen verstehen. Einzelgänger sind für extremistische Strömungen anfälliger als andere Kinder. Gellert: „Oft stecken Ausgrenzungserfahrungen dahinter, wenn Schüler sich in ein geschlossenes Weltbild zurückziehen.“
Werden Eltern im Gespräch mit Fachkräften ausfallend, kann die Schule ganz unabhängig von religiöser Toleranz jederzeit klare Kante zeigen und von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. „Das hat nichts mit Religion, sondern mit Defiziten im Sozialverhalten zu tun“, erklärt die Expertin des Verfassungsschutzes. Es ist eher selten, dass beide Elternteile in gleicher Schärfe die Vorgaben der Schule ablehnen. Präventiv wirkt es deshalb, wenn Pädagogen trotz negativer Erfahrungen zumindest mit dem kooperativeren der beiden in Kontakt bleiben.
„Generell bietet der Ort Schule gute Chancen im Engagement gegen Extremismus“, sagt Gellert. Hier kommen Kinder aus salafistischen Familien auch mit anderen Weltsichten in Kontakt. Diese Chance gilt für jede Form von Extremismus. Deshalb setze hier die Verantwortung des Teams an, meint Sozialpädagogin Becker: „Man muss als Schule dafür sorgen, dass es im Kleinen so aussieht, wie man es im Großen gerne hätte.“  

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