Sind Hausaufgaben notwendig?Forschungsergebnisse

Wer die Frage stellt, ob Hausaufgaben überhaupt notwendig seien oder ob nicht einfach auf sie verzichtet werden könne, erntet häufig Erstaunen. Hausaufgaben gehören für die meisten zur Schule wie die Tafel zum Unterricht. Was sagt die Forschung?

Sind Hausaufgaben notwendig?
© shutterstock.com © Richard Evans

Vielerorts wird nachmittags geübt und gelernt. Dennoch werden Fragen wie die folgenden gestellt: Müssen langweilige Übungen für den Schulerfolg sein? Ist häufige Wiederholung für alle wichtig? Sind umfangreiche Hausaufgaben für langsam Arbeitende sinnvoll? Braucht man Hausaufgaben, um selbstständig zu werden? Diese Fragen zielen letztlich auf die zwei Hauptfunktionen von Hausaufgaben, die üblicherweise unterschieden werden: die leistungssteigernde und die erzieherische Funktion.

HABEN HAUSAUFGABEN EINEN LEISTUNGSSTEIGERNDEN EFFEKT?

Es scheint offensichtlich: Wer mehr lernt, kann auch mehr. Je mehr man übt, desto besser wird man. Sehen lässt sich dieser einfache Zusammenhang im täglichen Leben oft genug: Wer viel läuft, wird schneller. Wer viel liest, kennt sich aus. Warum also sollte dieser Zusammenhang – „viel hilft viel“ – nicht auch bei den Hausaufgaben gelten?

Die erste Forschungsarbeit zu dieser Frage wurde bereits Ende der 1950er-Jahre durchgeführt. Je drei Klassen des dritten und siebten Schuljahres erhielten nach einem Vortest vier Monate lang entweder im Rechnen oder im Rechtschreiben keine Hausaufgaben. Als Ergebnis dieser Untersuchung formulierte Bernhard Wittmann vom Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung sehr prägnant, dass „keine Wirksamkeit der Hausaufgaben behauptet werden kann“.

In der Folge wurde im deutschsprachigen Raum nur noch eine kleine Studie zu Hausaufgaben im Lesen in der Grundschule und mit gleichem Ergebnis wie bei Bernhard Wittmann durchgeführt. Danach gab es bis zur Jahrhundertwende praktisch keine Forschungsarbeiten zur Frage der Effektivität von Hausaufgaben mehr. Durchgeführt wurden lediglich einige Befragungen zu Einstellungen gegenüber Hausaufgaben. Die 1970er- und 1980er-Jahre waren die Zeit der didaktischen Hausaufgabenliteratur, die sich zum Teil sehr kritisch gegen Hausaufgaben wandte und sich mit Buchtiteln wie „Was Hausaufgaben anrichten“ oder „Die verdammten Hausaufgaben“ positionierte.

In den 1990er-Jahren waren in der Schweiz im Kanton Zug die traditionellen Hausaufgaben in der sechsjährigen Grundschule abgeschafft und durch eine zusätzliche Schulstunde pro Woche ersetzt worden, um die Kinder nachmittags zu entlasten. Tina Hascher und Franziska Bischof verglichen die Leistungen von Grundschulkindern der Kantone Zug und Schwyz. Es zeigte sich, dass die Zuger Kinder ohne traditionelle Hausaufgaben zeitlich weniger belastet als die Schwyzer Kinder mit den üblichen Hausaufgaben waren, es aber bezüglich der untersuchten Leistungen in Mathematik „keine Unterschiede“ gab.

Andere Forschungsarbeiten aus dem internationalen Raum kamen teilweise zu gegensätzlichen Ergebnissen. Einige konnten von deutlichen Leistungssteigerungen durch Hausaufgaben berichten. In der gegenwärtig viel zitierten Hattie- Studie aus dem Jahr 2009 wiederum hatten Hausaufgaben einen eher geringen Effekt. In der Grundschule zeigten sich Hausaufgaben hierbei als nicht leistungssteigernd.

Wie ist das möglich? Wie kann es sein, dass die zusätzliche Übung am Nachmittag längst nicht immer hilft und im Durchschnitt, also über alle Studien hinweg, auch nur wenig leistungssteigernd wirkt? Einige mögliche Antworten seien hier benannt:

  • Die Hausaufgaben sind nicht auf die Ziele des Unterrichts abgestimmt und fördern keine wichtigen Lernprozesse (beispielsweise Ausmal-Hausaufgaben).
  • Die Hausaufgaben sind zu leicht oder zu schwer und bringen dadurch die Kinder nicht voran.
  • Die Hausaufgaben sind für alle gleich, sodass immer nur einige Lernende einen Gewinn daraus ziehen können. In einer eigenen aktuellen Studie wurde offenkundig, dass es nur selten Hausaufgaben gibt, die an die verschiedenen Fähigkeiten angepasst sind.
  • In einer anderen eigenen Untersuchung zeigte sich, dass die Hausaufgaben fast immer am Ende der Stunde oft noch in der Pause gestellt werden. Oft nehmen sich die Kinder keine Zeit mehr zum Notieren und haben auch keine Möglichkeit nachzufragen.
  • Die Eltern mischen sich zu stark ein und helfen zu viel. Studien weisen darauf hin, dass sich dies negativ auf die Leistungen auswirken kann.
  • Das Besprechen der Hausaufgaben kostet viel Unterrichtszeit. Damit kann durch Hausaufgaben kaum zusätzliche Lernzeit gewonnen werden.
  • Die Hausaufgaben werden nicht kontrolliert und nicht durchgesehen. Dadurch sinkt die Motivation, sich anzustrengen. Außerdem bleiben Fehler unerkannt.

HABEN HAUSAUFGABEN EINEN ERZIEHERISCHEN EFFEKT?

Hausaufgaben wird zugeschrieben, sie würden beispielsweise die Selbstständigkeit der Kinder fördern und auch ihre Zuverlässigkeit und ihr Pflichtbewusstsein. Ob diese Vorstellung zutreffend ist, wurde bislang nicht erforscht. Es kann aber gefragt werden, ob sich dieser Effekt grundsätzlich einstellt oder vielleicht vorwiegend bei jenen Kindern, die hier sowieso schon auf einem guten Weg sind. Bei wenig selbstständigen Kindern erscheint es hingegen möglich, dass die Eltern sich aufgefordert sehen zu unterstützen und zu kontrollieren. Dabei wird die Selbstständigkeit kaum gefördert. Manchmal schlägt die gut gemeinte Hilfe auch um in eine zu starke Kontrolle und verschlechtert die Eltern-Kind-Beziehung.

Kinder wiederum, die Pflichten tendenziell ausweichen, werden dies unter Umständen bei den Hausaufgaben auch wieder tun. Die Tatsache, dass in der weiterführenden Schule das Abschreiben von Hausaufgaben weit verbreitet ist, zeigt, dass die erwünschte erzieherische Funktion nicht immer eintritt.

SCHULE UND GESELLSCHAFT SIND GEFRAGT

Den vorhandenen Studien zufolge haben Hausaufgaben im Mittel einen geringen leistungssteigernden Effekt. Aussagen über eine mögliche erzieherische Wirkung lassen sich mit Blick auf die Forschungslage nicht treffen. Ob der geringe Ertrag der Hausaufgaben den dafür notwendigen Aufwand, das heißt die häusliche Arbeit und die immer wieder berichteten Schwierigkeiten, rechtfertigt, kann nicht die Forschung entscheiden. Hier sind Schule und Gesellschaft gefragt. Zu diskutieren wäre das Verhältnis von Aufwand und Ertrag beziehungsweise die Frage der Notwendigkeit von Hausaufgaben dann auch vor dem Hintergrund der Fragen, wie wir uns Kindheit und Jugend vorstellen, was die Aufgaben von Schule sind, was ein gelungenes Leben ausmacht und wie wir die nachfolgende Generation zu einem solchen Leben befähigen.

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