Zum Jubiläum der Würzburger SynodeSchnee von gestern?

Im kirchlichen Gedächtnis spielt die Würzburger Synode keine allzu große Rolle mehr. Ist heute der Synodale Weg die Antwort auf die Situation gelebten Glaubens?

Porträt Ulrich Ruh
Ulrich Ruh, Ehemaliger Chefredakteur der Herder Korrespondenz© Christian Klenk

Vor 50 Jahren, am 23. November 1975, endete die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“, nach dem Tagungsort abgekürzt „Würzburger Synode“ genannt (vgl. HK, September 2025, 13–15). Im kirchlichen Bewusstsein der heutigen Bundesrepublik spielt diese „westdeutsche“ Veranstaltung mit ihren immerhin acht Vollversammlungen und ihren 18 verabschiedeten Beschlüssen praktisch keine Rolle mehr. Auch der seit Jahren tagende „Synodale Weg“ hat kaum dazu beigetragen, die Synode von damals der allgemeinen Vergessenheit zu entreißen.

Die Würzburger Synode ist nicht ohne das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) zu verstehen, dessen Umsetzung in die kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik sie dienen sollte, auch nicht ohne die Diskussionen und Eruptionen der unmittelbaren Nachkonzilszeit, für die nicht zuletzt der turbulente Essener Katholikentag von 1968 steht. Ein Teil der Beschlüsse, etwa die Texte zu Gottesdienst oder Ökumene, schloss man sozusagen direkt an entsprechende Vorgaben des Konzils an, andere (etwa der zum schulischen Religionsunterricht) unternahmen eine Neukonzeption deutscher Spezifika. Mit dem Grundsatzbeschluss „Unsere Hoffnung“ versuchte man eine Neuformulierung des christlichen Glaubenskerns in der Sprache der seinerzeit avancierten Theologie.

Die damaligen Beschlüsse sind nicht einfach der sprichwörtliche „Schnee von gestern“. Aber sie stammen aus einer Zeit, in der die katholische Kirche in Deutschland in vielen Bereichen noch anders aufgestellt war als in der Gegenwart: Das „Kirchenvolk“ in Gemeinden und Verbänden ist seither massiv zusammengeschrumpft, das gesellschaftliche Gewicht des Katholizismus hat inzwischen deutlich abgenommen; Weltklerus wie Ordensgemeinschaften sind zahlenmäßig sehr viel schwächer geworden und überaltert, den theologischen Nachwuchs muss man fast mit der Lupe suchen. Ob der Synodale Weg mit seinen Schwerpunkten angesichts der Situation von gelebtem Glauben und Kirchlichkeit viel bewirken kann, ist zumindest fraglich. Es bräuchte heute eine ehrliche Bestandsaufnahme und viel intelligente Fantasie – ob mit oder ohne einer neuen Synode.

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