Zum 40. Todestag von Heinrich BöllSakramentale Wirklichkeit

Der Todestag des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll jährt sich zum 40. Mal. Seine sich in seinen Werken niederschlagende Wahrnehmung und Beschreibung der Welt hat indes nichts an Reiz verloren.

PorträtThomas Brose
Thomas Brose, Religionsphilosoph© privat

Ich selbst bin nicht religiös, nicht einmal kirchlich, und bediene mich der liturgischen Texte und Melodien aus therapeutischen Gründen“ – das behauptet Hans Schnier im Roman Ansichten eines Clowns. In der Badewanne, so erfahren wir, die Leserinnen und Leser, singt er „mit mäßig lauter Stimme ausschließlich Liturgisches: Choräle, Hymnen, Sequenzen“. Aber er macht sich keineswegs darüber lustig: „Sie helfen mir am besten über die beiden Leiden hinweg, mit denen ich von Natur belastet bin: Melancholie und Kopfschmerz.“

Hier wird er auf sehr typische Weise hörbar: Der spezielle Sound eines der bekanntesten Schriftsteller der „Bonner Republik“: von Heinrich Böll. In diesem Sommer (16.07.) jährt sich sein Todestag zum 40. Mal. Von den einen als „Gutmensch“ verspottet, von anderen als „Kirchenkritiker“ gefürchtet, kommt kein Autor so nah an die – theologisch gesprochen – sakramentale Wirklichkeit der Welt heran.

Und keiner schreibt so kenntnisreich über Choräle, Hymnen und Liturgisches, wie der Literatur-Nobelpreisträger von 1972. Für den gebürtigen Kölner „war ganz entscheidend das Erlebnis der Liturgie, was auch in allem, was ich schreibe, sichtbar wird. Durch Rhythmus, durch Wiederholung. Es hat einen litaneihaften Zug“.

Was Bölls große Werke, auch „die Ansichten“ des Schausteller-Clowns Hans Schnier, betrifft, geht es ihm nicht so sehr um die Anklage von Schuldig-Gewordenen des „Dritten Reiches“, sondern vor allem darum, auf den sakramentalen Charakter der Welt aufmerksam zu machen: Wo Menschen ihr Brot teilen, miteinander trinken und in tiefer Liebe verbunden sind, da kann die Kraft der Ur-Symbole wirksam werden. Mit anderen Worten: Bölls Romane, Hörspiele und Essays beruhen wesentlich auf der „katholischen“ Vorstellung, dass das Göttliche in der Welt sakramental gegenwärtig ist: dass „Spirituelles im Materiellen, Seelisches im Körperlichen, Geistliches im Sinnlichen konkretisierbar ist“ (Karl-Josef Kuschel).

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