Mehr als 6.000 Abschiebungen aus Deutschland im ersten Quartal 2025 – so lautete vergangene Woche eine Meldung der Tagesschau. Ein zweifelhafter Erfolg. Dass es sich dabei um Menschen handelt, die – aus ganz unterschiedlichen Gründen – Schutz suchen, kommt in der Berichterstattung nicht zur Sprache. Dabei hat uns Christinnen und Christen der gerade verstorbene Papst Franziskus die Sorge um die Vulnerablen besonders ans Herz gelegt.
Michael Schöpf SJ, internationaler Direktor des weltweit tätigen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS), stellte bei einem Treffen im April – insbesondere mit Blick auf die USA – einen gravierenden Mentalitätswandel fest: Es gehe, so Schöpf, nicht mehr primär um die Frage, wie man den Zuzug Geflüchteter sinnvoll steuern könne. Vielmehr würden sowohl die bereits angekommenen Menschen als auch jene, die sich noch auf den gefährlichen Weg machen, pauschal als Staatsfeinde betrachtet. Das sei Ausdruck eines veränderten, hochgradig populistischen und gefährlichen gesellschaftlichen Bewusstseins.
Ist eine vergleichbare Haltung nicht auch in Deutschland bei bestimmten rechtspopulistischen und -extremen Kräften zu beobachten? Wenn es – wie Carolin Emcke beschreibt – in unserer Gesellschaft eine wachsende Gruppe von Menschen gibt, die Geflüchtete nur noch als Kollektiv und nie als Individuen wahrnehmen, und sie stereotyp mit Islam oder Kriminalität gleichsetzen, wird unsere Humanität prekär. Damit steht nicht weniger als die humane Substanz unserer Gesellschaft auf dem Spiel. Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion aus dieser Humanität auszuschließen, bedeutet eine fundamentale Preisgabe des christlich-abendländischen Erbes – jenes Erbes, das Populisten paradoxerweise zu verteidigen vorgeben.
Beim neunten katholischen Flüchtlingsgipfel, der vergangene Woche in Mainz stattfand, kritisierte die Migrationsforscherin Birgit Glorius, dass es starke Tendenzen zur Renationalisierung und zum Rückzug aus globaler Solidarität gebe. Doch Gemeinwohlverantwortung – ein zentrales Anliegen der Kirchen – endet nicht an nationalen Grenzen. Konkret heißt das: Eine Wende in der Migrationspolitik ist nicht allein dadurch erfolgreich, dass die Zahl der Grenzübertritte sinkt, mehr Zurückweisungen erfolgen oder mehr Abschiebungen stattfinden. Solche Erfolge sind allenfalls kurzfristig dem nationalen Gemeinwohl dienlich. Sie als politisches Ziel zu formulieren, ist aus christlich-ethischer Perspektive höchst problematisch.
Die christliche Ethik und die Kirchen stellen das staatliche Interesse an Rückführungen nach rechtsstaatlichen Verfahren nicht grundsätzlich infrage – sei es in das Herkunftsland oder in einen nach der Dublin-Regelung zuständigen Staat. Aber dieses Interesse muss sich stets an der Würde des Einzelnen und am Recht auf körperliche Unversehrtheit orientieren. Ziel kann nicht sein, Migration pauschal zu stoppen. Vielmehr geht es darum, Fluchtursachen zu bekämpfen, das individuelle Asylrecht zu schützen und geordnete Migration zu ermöglichen.