Vor ein paar Wochen wurde in meinem Heimatbistum Köln ein Mitarbeiter beziehungsweise eine Mitarbeiterin „für Gemeindegründung mit Schwerpunkt Lobpreis“ gesucht. Weiter hieß es dort: „Das Gemeindegründungsprojekt soll die Bemühungen des Fachbereichs Evangelisierung verstärken, neue Wege der Verkündigung und der Glaubensweitergabe zu gehen.“ Inzwischen ist die Stellenausschreibung nicht mehr aktiv, mein Unbehagen, das mich dabei überkam, aber schon. Theologische Fragen verschiedener Art drängen sich auf:
Was Lobpreis ist, zeigt uns das Magnifikat. Maria lobt und preist Gott, der in seiner Gnade Großes an ihr, der unbedeutenden jungen Frau aus Nazareth, getan hat. Sie wird den Sohn Gottes, den Messias, gebären. Der Lobpreis ist auch Dank für die Erfahrung mit diesem Gott, der sich bereits auf dem Weg des Volkes Israel durch diese Geschichte als gnädig und dem Volk zugewandt erwiesen hat. Zugleich ist er Ausdruck der Hoffnung auf Gottes Taten: Er zerstreut und stürzt die Reichen, er erhebt und beschenkt die Niedrigen.
Der Lobpreis in der besagten Stellenausschreibung (und in vergleichbaren Projekten) aber ist offenkundig etwas anderes – er ist Mittel zum Zweck der Evangelisierung sowie der Gemeindegründung, nicht das Ergebnis einer Erfahrung des Gottes, der den Weg mit den Menschen durch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst geht. So verzweckter Lobpreis knüpft bekanntermaßen an die evangelikalen und neucharismatischen Bewegungen an und will von deren Worship-Musik lernen. Diese verspricht das unmittelbare Erleben der Gegenwart Gottes. Worship – ein individueller Gottesbeweis? Und damit das bestens geeignete Mittel zur Evangelisierung?
Kann Evangelisierung im Modus der Worship-Musik gelingen, die auf Wiederholung, Vereinfachung und eine Sprache der totalen Hingabe setzt? Verkündigung, die sich auch zugleich mit den vielfältigen Anfragen der Moderne an Religionen und die Kirche auseinandersetzen muss, wird ersetzt durch populistisch anmutende einfache Antworten. Wo komplexe Glaubenswahrheiten, existenzielle Spannungen und ethische Zumutungen in eingängige Schlagworte aufgelöst werden, ersetzt Emotion das Urteil. Gehört nicht zur Verkündigung des Glaubens doch auch immer die vernünftige Auseinandersetzung mit seinen zentralen Aussagen? Wenn der christliche Glaube als emotionale Stimmung ohne inhaltliche und theologische Substanz vermittelt wird, birgt dies die große Gefahr der Indoktrination und Manipulation. Aber ist nicht nach dem Zweiten Vatikanum völlig klar, dass Evangelisierung zur Freiheit des Glaubens und der Glaubensannahme führen muss? Wie kann die Kirche dem Eindruck wehren, dass Evangelisierung durch Lobpreis es allein auf Kirchenwachstum, nicht aber auf ein verantwortetes Ja zum Glaubensbekenntnis abgesehen hat?
Last but not least betont Papst Leo XIV. in seinem jüngsten Schreiben „Dilexi te“, dass das „Anliegen des Evangeliums nicht bloß in einer individuellen und innigen Beziehung zum Herrn besteht“ (97). Es gehe um vielmehr, nämlich um das Reich Gottes, in dem „das Gesellschaftsleben für alle ein Raum der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde sein (wird)“ (97). Muss folglich nicht Evangelisierung und auch christliche Gemeinde genau diese Dimension in die Mitte der Verkündigung stellen?