Gesellschaft und KircheLebensschutz darf kein Kampagnen-Thema sein

In den vergangenen Wochen ist viel über Schwangerschaftsabbrüche und Lebensschutz gesprochen worden. Doch viele Narrative tun der Debatte keinen Gefallen.

Portträt Michaela Pilters
© Privat

Um es vorwegzusagen: Ich bin gegen Abtreibung und ich bin katholisch. Aber ich bin nicht einverstanden, wie im letzten Monat mit dem Thema des Schwangerschaftsabbruchs in der Öffentlichkeit umgegangen wurde. Zwei unterschiedliche Fälle, zwei Aufreger. Der Chefarzt einer Klinik hat dagegen geklagt, dass ihm Schwangerschaftsabbrüche untersagt wurden. Und das Arbeitsgericht Hamm hat diese Klage zurückgewiesen. Das Krankenhaus sei berechtigt gewesen, „im Rahmen des zustehenden Direktionsrechts diese Vorgaben zu machen“. Eine Entscheidung, die der Gynäkologe nicht hinnehmen will. Nun muss man wissen, dass die Klinik den Träger gewechselt hat, aus dem Evangelischen Krankenhaus Lippstadt wurde das „Klinikum Lippstadt – Christliches Krankenhaus“ mit einem katholischen Träger. Was dem Chefarzt über viele Jahre im Krankenhaus und in seiner Privatpraxis erlaubt war, wurde ihm nach der Fusion untersagt. Verständlich, dass er das nicht hinnehmen will und die allgemeine Empörung groß ist. Aber ein katholisches Krankenhaus ist nun einmal ein Tendenzbetrieb mit eigenem Arbeitsrecht. Bei einer Neuanstellung hätte der betroffene Arzt die Position nie annehmen dürfen, und wenn er sich nicht an die Vorgaben halten will, bleibt ihm letztlich nur die Kündigung.

Deutlich wird bei dem Vorgang wieder einmal die unterschiedliche Einschätzung der beiden christlichen Kirchen. Der deutlich liberaleren Haltung der Evangelischen Kirche in Sachen Schwangerschaftsabbruch steht die klar ablehnende Haltung der Katholischen Kirche gegenüber; am Lebensschutz scheiden sich die Geister. Für die Ökumene eine Belastung, die oft größer ist als die Abendmahlsfrage, welche von vielen Gläubigen einfach ignoriert und umgangen wird. Soll sich die Konfessionsfrage an der Einstellung zur Abtreibung entscheiden?

Zum anderen Fall, der gescheiterten Wahl neuer Bundesverfassungsrichter, ist schon viel gesagt worden (vgl. HK, August 2025, 1). Frauke Brosius-Gersdorf hat durch ihren Verzicht auf eine Kandidatur Deutschland und der Regierung einen großen Dienst erwiesen, das zeugt von ihrer Souveränität und menschlichen Größe. Wie sehr die Kampagne gegen sie, die auch von katholischen Konservativen befeuert wurde, ihr und dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichtes geschadet hat, ist beschämend. Immerhin hat sich Bischof Herwig Gössl bei ihr entschuldigt und der Vorsitzende der Bischofskonferenz sie in Schutz genommen. Das moralisch schwierige Thema des Schwangerschaftsabbruches darf nicht einem Kampagnenpopulismus überlassen werden, das hilft weder den betroffenen Frauen, dem ungeborenen Leben noch den Kirchen.

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