Als Exorzismus (griech. = Hinausbeschwörung) bezeichnet man allgemein die rituelle Vertreibung böser Mächte aus Lebewesen und Gegenständen durch Worte, Gesten (z. B. Handauflegung) oder bestimmte Materialien. Die Vorstellung, dass gottfeindliche Mächte in der Welt walten und dass ihre Macht in Form von Besessenheit offen zutage treten kann, ließ schon früh ein entsprechendes liturgisches Exorzismusritual zur Befreiung der betroffenen Personen entstehen, „Großer Exorzismus“ genannt (begrifflich unterschieden von den „kleinen“ Exorzismen, die z. B. Bestandteil der Taufliturgie waren).
Im Jahr 1999 wurde vom Vatikan erstmals seit 1614 eine völlige Neubearbeitung des alten lateinischen Exorzismusrituals veröffentlicht. Eine wichtige Neuerung darin ist, dass nun im Gegensatz zu früher nicht mehr der direkte Ausfahrbefehl an den Dämon maßgebend ist, sondern die Bitte an Gott, den Besessenen vom Bösen zu befreien. Der gesamte liturgische Charakter des Ritus ist am bereits erbrachten Sieg Christi über das Böse orientiert. Trotz vieler weiterer Anpassungen an das moderne Verständnis von Glaube und Liturgie steht der neue Ritus im Zentrum außer- und innerkirchlicher Kritik, welche besonders seine Zeitgemäßheit anzweifelt.
Eine deutschsprachige Übersetzung des Ritus von 1999 ist bisher nicht approbiert worden. Ohnehin spielt der „Große Exorzismus“, welcher laut Kirchenrecht nur unter hohen Auflagen durchgeführt werden darf, in den westlichen Industrienationen heute kaum mehr eine Rolle – anders etwa in Südamerika oder in Asien.
Manuel Uder