Christi Himmelfahrt

Wir schreiben das Jahr 1400. Man feiert den „Auffahrtstag“ in einer süddeutschen Landpfarrkirche. Vom Altar wird mit Hilfe eines ausgeklügelten Seilwindensystems eine Christusfigur langsam durch eine kreisrunde Öffnung im Gewölbe auf den Dachboden hinaufgezogen. Blumen, Rosinen, Mandeln, Oblaten und Heiligenbildchen regnen auf die Gläubigen herab. Ist der hölzerne Heiland im „Himmel“ angekommen stürzt man von dort eine Satanspuppe herab. Kinder warten schon darauf, sie mit Gerten übel zuzurichten. Der Teufel hat’s schließlich verdient! Jeder darf in diesem Schauspiel augenscheinlich und greifbar erfahren: Christus hat den ihm gebührenden Platz im Himmel eingenommen; die Herrschaft des Bösen ist gebrochen. Aber erschöpft sich in diesen Motiven das Hochfest Christi Himmelfahrt?

Was das volksfromme Brauchtum des Mittelalters an Bedeutungsebenen nicht darstellen konnte, leisten heute die liturgischen Texte des Messbuchs: Sie bezeugen nicht nur die Himmelfahrt als Begebenheit, die sich in neutestamentlichen Zeiten, also in ferner Vergangenheit ereignet hat. Nein, sie stellen vor allem Grundaussagen christlicher Hoffnung heraus, die auf die Zukunft gerichtet sind: So ist von der Wiederkunft Christi die Rede (Eröffnungsvers), von der Erhöhung des Menschen schlechthin, vom Vertrauen, dass wir alle zur Herrlichkeit berufen sind (Tagesgebet). Nicht unendlich weit weg ist Jesus Christus durch seine Erhöhung. Im Gegenteil: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. Halleluja.“ (Kommunionvers) In diesem Sinne fügt sich Christi Himmelfahrt nahtlos ein in die fünfzigtägige Freudenfeier des Osterfestes.

Manuel Uder

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