Ein Band der Einheit

Vor 1700 Jahren ist das Große Glaubensbekenntnis entstanden. Das aktuelle Jubiläumsjahr stellt einen passenden Anlass dar, den Text als ökumenisches Zeichen in der Liturgie wiederzuentdecken.

Ikone: Glaubensbekenntnis von Nitzäa
Eine ostkirchliche Ikone zeigt, wie Kaiser Konstantin der Große im Rahmen des Konzils von Nizäa (325) den Text des Großen Glaubensbekenntnisses (auf Griechisch) proklamiert.© gemeinfrei

Bekanntlich sieht das Messbuch für die Eucharistiefeier an Sonn- und Festtagen vor, dass auf die Homilie das Glaubensbekenntnis der Versammelten folgt (AEM 43–44). Vielfach nutzt man dafür die Auswahlmöglichkeiten des deutschsprachigen Messbuchs, wonach das Apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen oder ein Credo-Lied gesungen werden kann. Der Eindruck dürfte nicht täuschen, dass in der Praxis das Große Glaubensbekenntnis – das hier an erster Stelle vorgesehen ist – kaum zum Zuge kommt. Am ehesten erklingt es noch, wenn ein lateinisches Messordinarium gesungen wird (GL 122/KG 171) oder der Chor eine „klassische“ Messkomposition zu Gehör bringt.

Die Gründe, dem Apostolikum oder dem Kirchenlied den Vorzug zu geben, sind vielfältig. Die dogmatisch-abstrakte Begrifflichkeit, die lehrhafte Sprache und auch die Länge führen wohl dazu, das Große Glaubensbekenntnis durch Alternativen zu ersetzen. Nicht zuletzt mag die Sorge, die Gläubigen mit den theologie-gesättigten Bekenntnistexten zu überfordern, die Wahl eines Credo-Liedes begünstigen. Dennoch ist das Große Glaubensbekenntnis das zentrale Bekenntnis aller christlichen Konfessionen, an das in diesem Jubiläumsjahr des ersten gesamtkirchlichen (ökumenischen) Konzils von Nizäa (325) erinnert werden könnte.

Klärung des Christus-Glaubens

Vor 1700 Jahren kamen auf Einladung von Kaiser Konstantin († 337) Bischöfe aus allen Regionen des Reichs nach Nizäa, der heutigen türkischen Stadt İznik, zusammen, um neben einem einheitlichen Ostertermin weitere innerkirchliche Konflikte zu beraten und zu entscheiden. Vor allem die von Arius, einem alexandrinischen Presbyter, vertretene und populär gewordene Auffassung, Christus sei als ein Geschöpf Gottes anzusehen, das Gottvater später als seinen Sohn „adoptierte“, verlangte eine gesamtkirchliche Klärung. Das Konzil fasste seine Entscheidung in einem Glaubensbekenntnis (Symbolum) zusammen. Demnach ist Christus „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“ Die Überzeugung, dass der Sohn dem Vater in der Gottheit wesensgleich (homooúsios) sei und Gott sich selbst in der Person und Geschichte Jesu Christi geoffenbart habe, fügten die Konzilsväter in ein älteres Taufbekenntnis (vielleicht aus Jerusalem) ein. Sie schufen damit den Kern des Großen Glaubensbekenntnisses. Es ist bis heute die wichtigste liturgische Bekenntnisformel in Ost und West geblieben und bildet ein Band der Einheit zwischen allen christlichen Konfessionen. Später wurde das Credo, wohl auf dem Konzil von Konstantinopel (381), erweitert – weshalb man vom Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis spricht. In der heute bekannten Gestalt ist es durch die Akten des Konzils von Chalkedon (451) überliefert. Mit dem Konzil von Nizäa handelte es sich also um den ersten Versuch, durch eine synodale Versammlung von Vertretern der ganzen Christenheit Konsens im Glauben der Kirche zu erzielen.

Element der Messliturgie

Ein formelhaftes Glaubensbekenntnis des dreieinen Gottes hatte seinen originären Ort in der Taufvorbereitung und in der Taufliturgie selbst. Auch das Große Credo war zunächst ein Taufbekenntnis. Um aber aufblühenden arianischen Vorstellungen entgegenzuwirken, fand es seinen Eingang in die Eucharistiefeier. In Antiochien soll dies bereits im 5. Jahrhundert geschehen sein, weitere orientalische Kirchen folgten. In Konstantinopel verbindet man die Einfügung des Credos in die eucharistische Liturgie mit dem Patriarchen Timotheus IV. (517–537). Dem Beispiel der Hauptstadt folgte bald der ganze Osten. So hat das Große Credo in den meisten östlichen Traditionen – anders als in der römischen Messe – seinen Platz unmittelbar vor dem Eucharistiegebet.

Mit dem Übertritt der arianischen Westgoten in Spanien zum katholischen Glauben verfügte die Reichssynode von Toledo (589), nach östlichem Vorbild das Große Glaubensbekenntnis in jeder Messe zu sprechen. In der altspanischen Liturgie ist es daher bis heute mit dem Vaterunser als Kommunionvorbereitung verbunden. Der Brauch wanderte schließlich nach Irland und England, von wo ihn Alkuin († 804), der bedeutendste Gelehrte Karls des Großen, ins Frankenreich mitbrachte, um jegliche Reste christologischer Irrlehren zu bekämpfen. In der hier gebräuchlichen Version fand sich der kleine Zusatz, wonach der Heilige Geist vom Vater „und Sohn“ (filioque) ausgeht. Eigentlich sollte dies die Einheit und Gleichheit der drei göttlichen Personen unterstreichen, was aber der Osten anders sah. Er verstand das filioque als einen Angriff auf die Dreiheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Lange Zeit blieb damit das Glaubensbekenntnis ein Zankapfel zwischen Ost und West und trug maßgeblich zur Trennung der Kirche 1054 bei. Sachlich war man sich im Grunde einig und konnte die theologische Frage auch auf dem Konzil von Florenz 1439 klären. Dennoch verzichten die östlichen Kirchen bis heute auf das filioque.

Der Gebrauch des Großen Credos in der Messe nach dem Evangelium (und der Predigt) setzte sich nur langsam im Frankenreich durch. Erst auf Drängen Kaiser Heinrichs II. (1002–1024) wurde es widerwillig 1014 auch in Rom in die Messliturgie aufgenommen. Seine Verwendung bleibt aber bis heute auf Sonntage und bestimmte Hochfeste beschränkt.

Die lutherischen Gottesdienstordnungen übernahmen das Große Credo als maßgebliches gemeinsames Glaubensbekenntnis. Um das gemeindliche Bekenntnis zu fördern, sah Martin Luther es auch als Gemeindegesang („Wir glauben all an einen Gott“, EG 183) vor. Die reformierte Tradition folgte diesem Brauch, ersetzte das Credo aber später vielfach durch das Apostolische Glaubensbekenntnis. Dennoch ist das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis bis heute ein einigendes Band des christlichen Glaubens über alle Konfessionsgrenzen hinweg und ein wertvolles Erbe aus dem Osten, das auch im Gottesdienst der Kirchen des Westens seinen Platz gefunden hat.

Ökumenisches Zeichen in der Praxis

Immer schon galt das Nicäno-Konstantinopolitanum als ein sperriges Element im Gottesdienst. Zwar will es eine theologisch korrekte und zugleich komprimierte Zusammenfassung der christlichen Glaubensüberzeugung bieten, bleibt aber mit seiner zeitbedingten Sprache gebunden an die spätantike Kultur und Denkwelt – und damit weit entfernt von heutigen Glaubensvorstellungen.

Muss man es also als ein museales Exponat betrachten, das keine Relevanz mehr für unseren Glauben heute besitzt? Vielleicht kann das aktuelle 1700-jährige Gedenken an das Konzil von Nizäa ein äußerer Anlass sein, das Große Credo in seiner ökumenischen Bedeutung neu wahrzunehmen und es gelegentlich in der sonntäglichen Gemeindemesse oder der Wort-Gottes-Feier zu verwenden. Dazu bietet sich besonders die fünfzigtägige Festzeit zwischen Ostern und Pfingsten an, in der die Christenheit in Ost und West die zentralen Geheimnisse des Glaubens feiert. Es wäre ein markantes Zeichen der ökumenischen Verbundenheit der Konfessionen, sich in diesen Wochen mit dem gleichlautenden Bekenntnis des gemeinsamen Glaubens zu vergewissern und das Große Credo im Gottesdienst zu rezitieren.

Neben der lateinischen Choralfassung (GL 122/KG 171), die im Wechsel zwischen Kantor/in bzw. Schola und Gemeinde gesungen werden kann, und dem deutschen Text (GL 586,2/KG 245), der von allen gemeinsam gesprochen wird, sind weitere Varianten denkbar. So sieht das „Gotteslob“ eine deutsche Fassung mit einem Kehrvers der Gemeinde vor (180,1–2). Ebenso könnte ein Sprecher oder eine Sprecherin den Text des Credos vortragen, in den sich nach den drei Teilen des trinitarischen Bekenntnisses eine Gemeindeakklamation einfügt (GL 177,1; 178,1; 180,1).

Das setzt natürlich voraus, dass die Verwendung des Großen Credos begründet wird und die Gemeinde auf die ökumenische Bedeutung dieses Glaubensbekenntnisses hingewiesen wird. Es dürfte den Gläubigen leichter fallen, sich darauf einzulassen, wenn ihnen die Wahl dieses Textes einsichtig erscheint und das damit verbundene Anliegen nachvollziehbar ist. Das Jubiläumsjahr mag denn auch Anlass sein, das Erste Ökumenische Konzil und die zu jener Zeit kursierenden Glaubensvorstellungen in der Predigt aufzugreifen oder ausgehend von der diakonalen Einladung zum Credo in der Chrysostomus-Liturgie („Lasst uns einander lieben, damit wir in Eintracht bekennen“) den Sinn des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses in der Sonntagsfeier zu erschließen. Überdies könnte natürlich manche Formulierung des Nicäno-Konstantinopolitanum auch eine Herausforderung für die gottesdienstliche Homilie sein, vor allem wenn man an die Perikopen aus den johanneischen Abschiedsreden denkt.

Unbestritten ist es legitim und notwendig, dass Gebet und Bekenntnis in der Feier des Gottesdienstes Ausdruck des zeitgenössischen Denkens und Glaubens sind. Gleichwohl werden wir auf die überlieferten Formen, mit denen Generationen vor uns gebetet und ihren Glauben gefeiert haben, nicht verzichten können. Denn der Glaube der kirchlichen Gemeinschaft ist stets größer und vielfältiger als der oft schwache und begrenzte Glaube der einzelnen Christinnen und Christen. Das Nizänisch-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis atmet etwas von der großen Weite des Glaubens der Kirche, in die wir uns mit unserem eigenen Glauben (und unseren Zweifeln) hineinstellen können.

Zum Weiterlesen

  • Wolfgang Beinert u. a.: Glaubensbekenntnis und Gotteslob der Kirche, Einsiedeln u. a. 1971
  • Jakob Baumgartner: Vom Bekennen des Glaubens, in: Gott feiern, hg. von Josef G. Plöger, Freiburg u. a. 1980, S. 142–158
  • Reinhart Staats: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen, Darmstadt 21999
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