Zwischen Abriss und Aufbruch

Barbara Schmid: Sakralbaustandorte im Kontext religiöser Nutzung und städtebaulich-architektonischer Veränderungen (Schriftenreihe Bau- und Immobilienmanagement 42), Weimar: Bauhaus-Universitätsverlag 2024; 738 S.; 58,00 €; ISBN 978-3-95773-315-3

Dass Sakralbauten etwas mit immobilienwirtschaftlichen Fragen zu tun haben könnten, war lange Zeit kein Thema in kirchlichen Kreisen. Spätestens mit der Festlegung von um die einhundert nicht weiter aus Kirchensteuermitteln finanzierten „weiteren Kirchen“ im Bistum Essen im Jahr 2006 begann dann aber das, was heute viele Bistümer umtreibt: die Auseinandersetzung mit dem Thema Zukunft der kirchlichen Gebäude. Längst haben Immobilienwissenschaft und -management Eingang in bischöfliche Ordinariate oder auch landeskirchliche Strukturen gefunden. Aus den ehemaligen Baureferaten sind Abteilungen geworden, die ganz neu und anders über den Bestand ihrer Immobilien nachdenken, als man das über Jahrzehnte hinweg gewohnt war.

Barbara Schmid legte 2021/22 an der Weimarer Bauhaus-Universität eine umfangreiche und dabei auch höchst fundierte Dissertation vor, die den vielfältigen Diskurs zur Frage der Zukunft der Sakralbauten aus Sicht der Immobilienwirtschaft thematisiert. Sie war zuvor zwölf Jahre im Baureferat der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, dann als Denkmalpflegerin für die Stadt Gelsenkirchen tätig. Damit wird deutlich: Sie weiß, wovon sie spricht. Sie entwickelt ihr Vier-Säulen-Modell unter einem ganzheitlichen Perspektivansatz interdisziplinär. Dabei berücksichtigt sie Fragen aus der Theologie, Pädagogik, Soziologie, Geografie, aus Städtebau, Architektur, Kunstgeschichte und Denkmalpflege und führt sie unter einem Standort-Prozess-Modell zusammen, das auch die Lebenszyklen der Sakralbauten betrachtet. Sie konstatiert einen „Mangel an Kooperationsprozessen zwischen Kirche und Gesellschaft […], da Entscheidungsprozesse zur Profanierung und Entwidmung von den Vorständen der kirchlichen Gemeinden allein auf der Grundlage von Vorgaben der kirchlichen Administrationen ohne Beteiligung der Kommunen und der Gesellschaft getroffen werden“ (S. 596).

Schmids Fazit: Um künftig mehr Kirchengebäude erhalten zu können oder aber ihnen zumindest mehr Möglichkeiten zur Entwicklung zu eröffnen, bedarf es eines vorgelagerten wie vermehrten Austauschs der Vertreter der Pfarreien mit ihrem Umfeld. Für die Autorin sind „Sakralbauten als Teil des menschlichen Alltagslebens, der Sozialgeschichte, der Verbundenheit mit Religion und Glauben ein Symbol der Städte und Dörfer, der Kulturlandschaft und der Identifikation mit dem Standort […], sie verkörpern Heimat und Verbundenheit mit den Menschen vor Ort. Sie sind nicht wegzudenken“ (S. 604).

Die Lektüre dieses Bandes und seine Diskussion lohnen sich für alle, die mit kirchlichen Immobilienprozessen zu tun haben – Laien wie professionell Engagierte.

Dr. Walter Zahner, Regensburg

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Cover Sakralbaustandorte
Barbara Schmid

Sakralbaustandorte im Kontext religiöser Nutzung und städtebaulich-architektonischer Veränderungen

Schriftenreihe Bau- und Immobilienmanagement, Bd. 42, Weimar: Bauhaus-Universitätsverlag 2024; 738 S.; 58,00 €; ISBN 978-3-95773-315-3