Gummistiefel rausholenKeine Angst vor Wind und Wetter

Jeden Nachmittag, wenn ich zum Abholen in die Schule komme, bietet sich mir ein putziges Bild. Gemeinsam mit ihren Freundinnen aus der ersten Klasse sitzt meine Tochter im Flur vor ihrem Klassenraum. Dort stehen zwei Tische, einige Stühle und eine Spielzeug-Kreidetafel. Die Mädchen spielen eifrig und vertieft – Schule! Abwechselnd darf eine die Lehrerin sein. Mit krakeliger Schrift schreibt die Nachwuchspädagogin Buchstaben und Rechenaufgaben an die Tafel. Die anderen recken die Finger in die Höhe. Wie süß, dass die Kinder gar nicht genug bekommen können vom Unterricht! Mehr denke ich mir nicht dabei.
Bis mich eines Tages eine andere Mutter anspricht. Ob ich nicht auch so unzufrieden sei mit der Nachmittagsgestaltung? „Die Kinder sind immer nur drinnen! Alles findet im Klassenzimmer statt!“ Stimmt, ja, vielleicht – war mir aber ehrlich gesagt noch gar nicht aufgefallen. Die Mädchen scheinen doch zufrieden zu sein bei ihren stundenlangen Rollenspielen. Oder?

STUNDENLANG STILL SITZEN

Die Mütter der Jungs sehen die Sache ein bisschen anders. Regelmäßig umringen sie unsere Erzieherin, eine gutmütige ältere Fachkraft. Mehr mit den Kindern rausgehen, bitte! Mehr Toben! Mehr Ausflüge in den Park! Egal bei welchem Wetter! Ich mische mich in die Diskussion nicht ein, finde aber insgeheim, dass die Eltern mit ihrem Outdoorwahn ein bisschen übertreiben…
Zehn Jahr später. Meine Töchter sind längst auf dem Gymnasium. Um ihren täglichen Auslauf an der frischen Luft mache ich mir nur noch selten Sorgen. Anders beim Jüngsten. Denn jetzt bin ich selbst eine Jungs-Mama. Meine Perspektive hat sich radikal verschoben: Das arme Kind muss vormittags stundenlang still sitzen! Gerade in der kalten Jahreszeit finden viel zu viele Aktivitäten in geschlossenen, beheizten Räumen statt. Haben die Kinder dafür nachmittags genug Ausgleich? Zwar bietet der Schulhof mit seinen paar Hecken und Klettergerüsten nicht sonderlich viel Abwechslung. Aber besser als nichts ist das allemal.

FAHRT IN DEN NATURPARK

Zum Glück ist in den letzten Jahren viel passiert an den Schulen. Das merkt man schon daran, dass unser Erzieherteam mittlerweile zur Hälfte aus engagierten jungen Männern besteht. Kein Nachmittag vergeht, ohne dass einer von ihnen ein Ballspiel initiiert. Auch die neue Klassenlehrerin hat beim Elternabend betont, dass Sport eines ihrer Lieblingsfächer ist – und dass die erste gemeinsame Klassenfahrt in einen Naturpark führen soll, wo die Kinder auf Bäume klettern und gemeinsam einen Unterschlupf im Wald bauen werden.
Erst hören alle begeistert zu. Doch dann holen die Eltern auf einmal ihre großstädtischen Bedenken ein. Was, wenn das Wetter während der Klassenfahrt tagelang schlecht ist? Was, wenn die Temperaturen unter 7 Grad fallen? Was, wenn die Kinder sich stundenlang draußen bei Regen und Wind aufhalten müssen? Vielleicht sollten wir doch lieber ein anderes Ziel auswählen? Wie sich die Zeiten ändern, denke ich im Stillen. Jetzt, wo die Schule all unsere Wünsche nach mehr Bewegung und mehr Naturerlebnissen erfüllt – da geht uns Helikoptereltern auf einmal die Muffe.
Die Klassenfahrt ins Grüne war dann übrigens ein riesiger Erfolg. Noch tagelang hat mein Sohn begeistert von seinem selbst gebauten Unterstand aus Ästen und Blättern erzählt. Nächstes Jahr will die Klasse gleich noch mal dorthin fahren.  

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