In einem aktuellen Interview zeigt sich Papst Leo XIV. sehr zurückhaltend im Blick auf die bekannten Reformanliegen u.a. des Synodalen Weges. In Fragen der Sexualmoral, in Genderfragen, aber auch im Blick auf die Rolle von Frauen in der Kirche positioniert er sich als Statthalter der Tradition.

Vor Kurzem noch hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ausdrücklich bedauert, dass die Regenbogenflagge am Christopher-Street-Day nicht am Berliner Reichstag gehisst worden ist. Praktizierte Homosexualität sei keine Sünde, auch wenn das immer noch so im Katechismus der katholischen Kirche steht. Die diesbezügliche Lehre der Kirche könne und müsse sich ändern. Respekt vor der Vielfalt sexueller Orientierungen sei ein Anliegen der katholischen Kirche. Als Symbol dafür sollten auch Regenbogenflaggen öffentlich gezeigt werden.

Bemerkenswert ist, dass diese Wertschätzung der Diversität an sexuellen Lebensformen nicht uneingeschränkt von Papst Leo XIV. geteilt wird. Soeben ist jedenfalls ein Interview publik geworden, in dem er eine doppelte Strategie verfolgt: einerseits setzt er die Willkommenskultur von Papst Franziskus fort. Jeder sei eingeladen, in die Kirche zu kommen und das Evangelium Jesu Christi zu hören, das zu Umkehr und Glauben aufrufe. Die Türen dürften für niemanden geschlossen werden. Andererseits sieht Leo keinen Anlass, die Lehre der katholischen Kirche zu verändern.

Kein vorbehaltloses Ja zur Umkodierung der Geschlechterverhältnisse

Die Umkodierung der Geschlechterverhältnisse in den spätmodernen Gesellschaften des Westens will er offensichtlich nicht ungeprüft mit einem theologischen Gütesiegel versehen. Im Gegenteil wirbt er für Ehe und Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Die Komplementarität der Geschlechter von Mann und Frau, die sich vorbehaltlos aneinander binden und offen sind für Nachwuchs, das ist für ihn das bevorzugte Lebensmodell. Ausdrücklich sagt er, es sei unwahrscheinlich, dass sich in Fragen der kirchlichen Lehre in naher Zukunft etwas ändere. Da er als Papst selbst der Motor dieser Veränderungen sein müsste, darf man dies als Bremse entsprechender Revisionsforderungen interpretieren.

Die Kirche für alle offen zu halten, ohne sich den Imperativen der Diversität zu öffnen, das dürfte für viele hierzulande eine Quadratur des Kreises sein. Papst Leo hingegen positioniert sich als Statthalter der Tradition.

In jedem Fall erhalten die Reformanliegen des Synodalen Weges, die klar für eine Revision der kirchlichen Sexualmoral eintreten, durch das Interview einen pontifikalen Dämpfer. Das betrifft übrigens auch die Frage nach dem Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern. Über den Diakonat der Frau sagt der Papst im Interview: "Im Moment habe ich nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern." Zugleich ist Leo bewusst, dass Fragen von Geschlecht und Sexualität eine polarisierende Dynamik nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche entfalten können. Eine Haltung der Ausgrenzung will er überwinden, ohne Diversität unterschiedslos theologisch gutzuheißen. Dabei dürfte auch im Hintergrund stehen, dass die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Fragen der sexuellen Orientierung nicht in allen Kontinenten der polyzentrischen Weltkirche gleich groß ist. Was in Westeuropa gefordert wird, stößt in Afrika und Asien mehrheitlich auf Vorbehalte.

Die Kirche für alle offen zu halten, ohne sich den Imperativen der Diversität zu öffnen, das dürfte für viele hierzulande eine Quadratur des Kreises sein. Papst Leo hingegen positioniert sich als Statthalter der Tradition. Im "ganz normalen Chaos der Liebe" scheint er der Lehre der Kirche jedenfalls mehr an orientierender Kraft zuzutrauen als manche seiner Amtsbrüder in Deutschland.

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