Psalm 33 – Gottes Verlässlichkeit und menschliches UngenügenDer Psalter als Buch des Messias

Warum gibt es in Gottes guter Schöpfung so viel Böses? Gott hat die Welt perfekt erschaffen und trotzdem ist sie voller Gewalt und Bosheit. Dürfte man nicht erwarten, dass ein Gerechter problemlos in der ursprünglich guten Welt leben kann? Ja, aber Gottes Wille und des Menschen Reaktion passen nicht zusammen.

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Der heute zu betrachtende Psalm 33 besingt die Güte der Welterschaffung und Weltregierung Gottes. Der Psalm ist ein klassischer Hymnus mit Lobaufruf (V. 1-3), Begründung ("denn", V. 4-19) und Schluss (V. 20-22). Fünffach fordert der Dichter in der ersten Strophe zum Lob Gottes auf: "Jubelt – dankt – spielt – singt – schlagt die Saiten!"

1 Jubelt, ihr Gerechten, über den Herrn, für Gerade ziemt sich ein Loblied!
2 Dankt dem Herrn auf der Tragleier, auf der Zehner-Leier spielt ihm!
3 Singt ihm einen neuen Gesang, schlagt gut die Saiten zum Jubelschrei!

Alles steigert sich zum Jubelschrei. Die Tragleier und die zehnsaitige Leier wurden teils mit einem Plektron gespielt oder mit den Fingern gezupft. Ein "neues Lied" (V. 3) kann singen, wer längere Zeit wenig Grund zum Singen hatte. Der Dichter fordert "Gerechte und Gerade" auf, Gott für seine perfekte Welterschaffung und seine gute Weltregierung zu loben. Die zweite Strophe in V. 4-5 begründet diese Aufforderung:

4 Den geradlinig ist das Wort des Herrn und all sein Wirken in Wahrheit.
5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, von der Loyalität des Herrn ist angefüllt die Erde.

Wahrheit und Güte Gottes erfüllen die Erde

Die zuverlässige Wahrheit und Güte Gottes erfüllen die Erde. Die Voraussetzungen für das Menschenleben in ihr sind also ideal. Die V. 4-5 sind eine Themenangabe für den weiteren Psalm: Das schöpferische Wort (V. 4) wird in V. 6 aufgenommen und in den V. 6-12 entfaltet. Die Güte und Loyalität des Herrn (V. 5) entfalten die V. 13-19 (siehe V. 18!). So gibt die zweite Strophe den Plan für das Ganze. Die dritte Strophe entfaltet nun "das Wort des Herrn" aus V. 4:

6 Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel ins Werk gesetzt, durch den Geisthauch seines Mundes all ihr Heer.
7 Er sammelt dammgleich die Wasser des Meeres, verfügt in Kammern die Urfluten.
8 Fürchten soll sich vor dem Herrn die Erde all, vor ihm scheuen alle Bewohner des Festlands!
9 Denn er sprach und es ward. Er gebot und es stand.

V 6 und 9 sagen, Gott habe die Welt durch sein Wort erschaffen. Er hat dadurch das Chaos gebändigt (V. 7) und müsste nun von allen Menschen respektiert und geachtet werden angesichts seiner gewaltigen Schöpfermacht (V. 8). Diese zeigte sich ja gerade darin, dass bei der Schöpfung zwischen Befehl und Ausführung keine Wimpernzucken verging: "er sprach und es ward. Er gebot und es stand". Die vierte Strophe zieht eine Konsequenz aus dieser zuverlässigen Schöpfung:

10 Der Herr zerbrach den Plan von Nationen, vereitelte die Absichten von Völkern.
11 Der Plan des Herrn wird in Ewigkeit Bestand haben, die Absichten seines Herzens für Generationen.
12 Selig die Nation, deren Gott der Herr ist, das Volk, das er sich zum Erbteil erwählte!

Nur Gottes Pläne und Taten haben Bestand. Weltreiche kommen und gehen. Das Neuassyrische Reich ging 609 v. Chr. unter, das neubabylonische 539 v. Chr. Dann folgt das Perserreich bis 333 v. Chr., dann Alexander d. Gr. und die hellenistischen Reiche, schließlich das Römische Reich. Gottes Volk Israel hat sie alle überlebt. Menschliche Pläne können einiges erreichen, aber nichts von Bestand. Auch moderne Reiche wie die Sowjetunion gehen nach einiger Zeit unter, und auch die USA und China bleiben nicht ewig. Nur der Schöpfer, dessen Wort Verlässliches wirkt (V. 4), bringt Dauerhaftes hervor. Darum preist der Dichter die Nation selig, die sich an den Herrn als ihren Gott hält, nicht an trügerische Ideologien oder Abgötter. Die von Gott erwählte Nation ist zunächst Israel, aber dann auch alle anderen, die hinzuerwählt werden, wie die Christen (1 Petr 1,1).

Gottes Weltregierung mit gütigem Blick

Gottes Wort hat also eine verlässliche Welt geschaffen (V. 6-12), und er regiert sie fortwährend mit seinem gütigen Blick (V. 13-19). Im Grunde lehnt sich der Psalmist hier an das Schöpfungsgedicht Gen 1 an, wo es zehnmal heißt "und Gott sprach" und siebenmal "und Gott sah, dass es gut war". Die fünfte Strophe eröffnet das Thema der Weltregierung Gottes mit seinem gütigen Blick:

13 Vom Himmel blickte der Herr, sah auf alle Menschen, 14 vom Podest, auf dem er thront, schaute er sich alle Bewohner der Erde an,
15 er, der zugleich geformt hat ihr Herz, geachtet auf all ihre Werke:

Was sah er und wie reagierte er darauf?

16 Das gab’s nicht, dass ein König sich gerettet hat durch große Streitkraft, kein Kriegsmann wird sich herausreißen durch große Stärke.
17 Trügerisch ist das Pferd für die Rettung, mit seiner großen (Streit-) Kraft wird es doch keinen entrinnen lassen.
18 Siehe, das Auge des Herrn ruht auf denen, die ihn fürchten, auf denen, die harren auf seine Loyalität,
19 um zu entreißen dem Tod ihre Seele (ihr Leben), um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen in der Hungersnot.

"Der Schöpfer und ‚Herzensbildner’ (V. 15) sorgt mit seinem Hinsehen dafür, dass menschliche Eigenmächtigkeit scheitert und Gottesfurcht Erfolg hat" (Böhler, Psalmen 1–50, HThKAT, 588). Unmerklich, nur langfristig sichtbar lenkt Gott mit seinem gütigen Auge die Geschichte: Herrscher und Mächte vertrauen auf Armeen (Stalin: Wie viele Divisionen hat denn der Papst?). Kavallerie ("Pferd") und Artillerie können kurzfristig etwas erzwingen (die UdSSR wurde 70 Jahre alt, das "Tausendjährige Reich" zwölf Jahre).

Das Volk Israel besteht nach Jahrtausenden noch immer, das Papsttum und die Kirche auch. Weltreiche und Diktatoren haben Gottes Volk immer wieder schwer zusetzen können. Aber Bestand hat ihr Werk nicht. Nur Gottes Werk hat Bestand. Er sieht auf die, die ihn fürchten und auf seine Güte bauen, denn er sorgt dafür, dass sie nicht untergehen (V. 18-19). Die auf ihre eigenen menschlichen Kräfte setzen wollen, gehen mit diesen auch unter, weil sie vergänglich sind. Die aber auf den Ewigen bauen, können Bleibendes schaffen, da sie über sich selbst hinauswachsen. Durch sie schafft der Ewige Bleibendes und fördert es permanent, so dass es bleibt: Gottes Volk, seine Verkündigung und die Ideen von Liebe, Freiheit, Menschenwürde. Niemand kann die aus der Welt schaffen, obwohl es ständig versucht wird.

Wer auf den Herrn vertraut, kann sich auf seine Loyalität verlassen

In V. 20-21 spricht eine Wir-Gruppe. unterdessen haben sich die in V. 1-3 Aufgeforderten dem Psalmisten angeschlossen. Diese Gruppe derer, die sich zu diesem Gott, der allein Dauerhaftes schafft, bekennen, gelobt abschließend in der siebten Strophe:

20 Unsere Seele wartet hiermit auf den Herrn, der unsere Hilfe ist und unser Schild.
21 Denn an ihm soll sich freuen unser Herz, denn auf seinen heiligen Namen haben wir unser Vertrauen gesetzt.
22 Es werde Wirklichkeit über uns deine Loyalität, Herr, dementsprechend, dass wir geharrt haben auf dich!

Nicht Reichtum oder Militär, sondern der Herr "ist unsere Hilfe und unser Schild". Wer auf ihn vertraut, kann sich auf seine Loyalität verlassen. Sie wirkt leise, langfristig, aber dauerhaft. Innerweltliche Mächte dagegen poltern laut, suchen kurzfristigen Erfolg und können auch nichts auf Dauer bewirken. Indem der letzte Vers 22 ins Du zu Gott übergeht, wird das ganze Gedicht zum Gebet.

Der Dichter hat dem, was er sagen will auch durch die Form Ausdruck gegeben. Sieben Strophen (1-3.4-5.6-9.19-12.13-15.16-19.20-22) drücken durch die Symbolzahl "sieben", die Vollkommenheit bedeutet, die Perfektion und Vollständigkeit von Gottes Schaffen und Wirken aus. Diese umfassende Vollkommenheit zeigt sich auch im siebenfachen Vorkommen des Wortes "all": V. 4, V. 6-8 und 13-15. Die 22 Verse des Psalms entsprechen der Zahl der Buchstaben des hebräischen Alphabets: Das Wort Gottes hat sich in der erschaffenen Welt als seinem "Text" vollkommen ausgedrückt. Gottes Macht und Güte kann darin "gelesen", daran "abgelesen" werden.

Gott hat das erste und letzte Wort in der Geschichte

Und schließlich durchzieht der Gottesname das ganze Gedicht von Anfang bis Ende: Neun Mal steht "der Herr" (Jhwh) in den Versen 1-12. An zehnter Stelle folgt in V. 12, dem Zentralvers, "sein Gott". Dann kommen weiter vier Erwähnungen "des Herrn". Vierzehn Nennungen Gottes, zweimal sieben, doppelte Vollkommenheit der Gottesgegenwart, prägen das Gedicht, erfüllen Gottes Welt. Der zentrale Vers 12 ist eine Seligpreisung, denn die sind glücklich zu preisen, zu beglückwünschen, die sich an Gott halten, der allein verlässlich Bleibendes schafft. Das erste Wort in der Schöpfung und das letzte Wort in der Geschichte hat Gott. Das ist die Hoffnung derer, die auf ihn harren (V. 22) und ihre Freude (V. 21).

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