Die Taliban sprengen uralte Buddha-Statuen, zwei Idioten in England sägen einen herrlichen Baum ab: Warum zerstören manche das, was andere erhebt?

"Palmström", so heißt es bei Christian Morgenstern, "gehört zu jenen Käuzen, / die oft unvermittelt-nackt / Ehrfurcht vor dem Schönen packt." Glücklicherweise gibt es nicht wenige Käuze, Menschen also, die sich von der Schönheit angezogen fühlen. Man sollte die zahllosen Touristen, die keine Kosten scheuen, um Botticellis Primavera in Florenz oder Leonardos Mona Lisa in Paris zu sehen, nicht verachten.

Bei Morgenstern allerdings geht es nicht um die große Kunst, sondern um die kleine. Denn das Schöne in Palmströms Fall ist bloß "ein rotes Taschentuch: / Auf dem Tuch ist eine Eiche / dargestellt sowie ein Mensch mit einem Buch." Genau das weckt in ihm eine gewisse Ehrfurcht, und er zögert, sich in das Tuch hineinzuschnäuzen. "Zärtlich faltet er zusammen, / was er eben erst entbreitet. / Und kein Fühlender wird ihn verdammen, / weil er ungeschneuzt entschreitet."

Die Spur der Vernichtung, die von Bilderstürmern durch die Jahrhunderte gezogen wurde, ist lang und furchterregend.

Natürlich ist Palmströms Empfindsamkeit ein bisschen komisch, aber rührend ist sie auch. Denn leider provoziert das Schöne nicht selten die entgegengesetzte Emotion: Hass. Und dieser Hass gebiert Zerstörungslust, Vandalismus. Die Spur der Vernichtung, die von Bilderstürmern durch die Jahrhunderte gezogen wurde, ist lang und furchterregend.

Als sich 2001 die Taliban daran machten, die etwa 1500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan in die Luft zu sprengen, erhob sich in der ganzen Welt Protest. Vergeblich. Auch der reformatorische Bildersturm, unter anderem angefacht von Calvin, fand nicht überall Beifall, jedenfalls nicht den Luthers. Und die bilderstürmerischen Exzesse der Französischen Revolution sind später oft beklagt worden, doch der Hass auf die Kirche war damals größer als die Ehrfurcht vor dem Schönen.

Man kann die echten oder auch nur vorgeschobenen religiösen und politischen Motive eigentlich beiseitelassen, weil sie letztlich die Aggression, die das Schöne auslösen kann, nicht erklären. Attentate gegen Kunstwerke, ob Bilder oder Plastiken, sind leider nicht selten. Die Täter erwarten davon keinen Gewinn oder persönlichen Vorteil. Sie scheinen von dem innigen Wunsch beseelt, dass das Schöne nicht sei. Einen ähnlichen Impuls darf man wohl auch den Sprühdosenfanatikern unterstellen, denen jede weiße Wand, jede saubere Haustür ein Ärgernis ist.

Die Aggression richtet sich auch gegen das Naturschöne. Ein prominentes Beispiel ist jener etwa 150 Jahre alte Berg-Ahorn im nördlichen England, der unter dem Namen Robin-Hood-Baum bekannt ist und 2016 zum englischen Baum des Jahres gewählt wurde. Er stand zwischen zwei Hügeln unmittelbar neben dem Hadrianswall und bildete eine weithin sichtbare ästhetische Attraktion. Die zwei Männer, die den Baum 2023 mit einer Motorsäge gefällt haben, wurden jetzt zu vier Jahren Haft verurteilt.

Die Schönheit ist göttlichen Ursprungs

Ich gestehe, dass mich das Urteil freut. Was hatte die Täter zu ihrem Verbrechen veranlasst? Es kann nur der Hass auf das Schöne gewesen sein. Das Schöne aber, ob von Menschen oder von der Natur hervorgebracht, ist keine zufällige Erscheinung. Es ist göttlichen Ursprungs. Eichendorff hat das gespürt, als er 1805 bei einer Harz-Wanderung notierte: "O Gott! wie schön ist deine Welt! riefen wir alle einmütig aus im seligen Genusse und konnten nur mit Mühe unsere Blicke von der unermeßlichen Weite ablenken." Der Dichter Georg Thurmair hat sich davon zu seinem Kirchenlied "Mein Gott, wie schön ist Deine Welt…" anregen lassen.

Das Schöne ist auch der Ausgangspunkt der Theologie Hans Urs von Balthasars (1905 bis 1988), jenes legendären Schweizer Theologen, der zu den Gründern von COMMUNIO zählt. Sein gewaltiges, sieben Bände und mehrere tausend Seiten umfassendes Werk "Herrlichkeit – Eine theologische Ästhetik" (1964) beginnt er mit dem Satz: "Versucht wird hier, die christliche Theologie unter dem Licht des dritten Transzendentale zu entfalten: die Sicht des Verum und des Bonum zu ergänzen durch das Pulchrum." Er findet es notwendig, weil "aus dem immer stärkeren Verlust dieses Gesichtspunktes" – gemeint ist der Gesichtspunkt des Schönen (Pulchrum) – dem christlichen Denken eine Verarmung erwachsen sei. Das Wahre und das Gute und das Schöne – er nennt sie Transzendentalien – seien untrennbar. " Die Vernachlässigung des einen kann sich nur verheerend auf die anderen auswirken."

Ehrfurcht empfindet man nur vor jemandem, der größer, bedeutender ist als man selbst. Man beugt die Knie oder das Haupt, weil man spürt: Hier ist etwas oder jemand so evident überlegen, dass sich die Frage einer Konkurrenz gar nicht stellt.

In der Ehrfurcht vor dem Schönen verbinden sich die Transzendentalien. Denn Ehrfurcht empfindet man nur vor jemandem, der größer, bedeutender ist als man selbst. Man beugt die Knie oder das Haupt, weil man spürt: Hier ist etwas oder jemand so evident überlegen, dass sich die Frage einer Konkurrenz gar nicht stellt. Dieses Gefühl kann sich nur einstellen, wenn das Schöne nicht einfach nur das Gefällige, sondern zugleich von einer tieferen Wahrheit erfüllt ist. Sie kann sogar dazu führen, dass man ein Taschentuch zweckwidrig nicht benutzt.

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