Die Überschrift dieses Artikels soll und darf provozieren. Wenige Zitate werden so missverstanden und gerade in Kirchenkreisen so oft missbraucht, wie Martin Bubers tiefes Wort "Erfolg ist keiner der Namen Gottes". Der jüdische Religionsphilosoph dachte im Jahr 1951 über den Schrecken der Shoah nach und kam zu dem Schluss, dass das Gute nicht immer siegt, dass auch die gute Tat keineswegs immer belohnt wird.
Wer seine Schriften kennt, weiß, dass Buber alles andere als eine Absage an die entschiedene Tat predigt. Tatsächlich warnt er selbst vor der "Gottsüchtigkeit", die ihre Weigerung, diese Erde tatkräftig zu gestalten, in frommen Weltverzicht tarnt.
Keinen Menschen interessiert das eigene Angebot? Man ist sich selbst nicht mehr sicher, wofür man steht? Mit keinem anderen Zitat lässt sich der Defätismus pseudotheologisch besser verbrämen. Erfolg ist nun mal keiner der Namen Gottes, also ist das, was ich völlig erfolglos fabriziere, gegen jede Kritik immun.
Was im Munde eines mit dem Leben davongekommenen Juden nach 1945 nachdenkliche Reflexion auf den Abgrund des Bösen ist, verkommt in den Niederungen des Pastoraljargons zur Phrase. Bringt eine bestimmte Gestalt kirchlichen Handelns ganz offensichtlich keine positiven Ergebnisse hervor, ist das Buber-Zitat eine hochwillkommene Ausflucht.
Keinen Menschen interessiert das eigene Angebot? Man ist sich selbst nicht mehr sicher, wofür man steht? Mit keinem anderen Zitat lässt sich der Defätismus pseudotheologisch besser verbrämen. Erfolg ist nun mal keiner der Namen Gottes, also ist das, was ich völlig erfolglos fabriziere, gegen jede Kritik immun; ja, es hüllt sich sogar in den Nimbus des Transzendenten.
"Kenosis" als Rechtfertigung für die schleichende Selbstabschaffung
Auch ein Liebling der pastoralen Profis: die Kenosis-Theologie. Christus hat sich selbst erniedrigt und entleert: ist nicht gerade die Geste des Leerwerdens und des Loslassens von eigenen Ambitionen dann jesuanisch? Vielleicht gar die schleichende Selbstabschaffung?
Auch hier wird ein tiefer, bedenkenswerter Inhalt allzu schnell zum Geschwätz. Nur weil irgendetwas leer ist oder wird, bedeutet noch lange nicht, dass dies der besonders christusähnlichen Selbsthingabe geschuldet ist. Das Ausbleiben von Menschen, die Leere der Kassen (oder auch: der Mangel an originellen Ideen, wertvollen Inhalten, attraktiven Angeboten) kann durchaus auch bedeutend weniger geistlichen Gründen geschuldet sein.
Der Satz, dass Erfolg keiner der Namen Gottes sei, ist eine Teilwahrheit. Denn immer gilt: Auch der Misserfolg ist noch lange keiner der Namen Gottes. Nur, weil etwas schlecht gemacht (aber vielleicht dabei gut gemeint) ist und deshalb scheitert, bedeutet noch lange nicht, dass man es weiter machen sollte.
In einer von der Kirchensteuer finanzierten und deshalb von der ausbleibenden Resonanz weitgehend unbelehrten Pastoral ist Bubers Zitat sogar gefährlich. Denn dass etwas ganz offenkundig nicht oder nicht mehr funktioniert, was man tut, ist eine dringende Anfrage an einen selbst. Dies zu ignorieren, setzt zwingend weitere Versteifung ins immer Dysfunktionalere in Gang.
Mit Talenten wuchern
Freilich: Jesus sprach auch nicht vom "Erfolg". Erstaunlich viel spricht er jedoch von der Frucht. Diese sollen wir bringen. Mit unseren Talenten sollen wir wuchern. Den Samen aussähen und Menschen fischen. Keine dieser Metaphern ist frei vom Konzept der Wirkung. Selbstverständlich soll das, was wir in seinem Namen anfangen, etwas bewirken. Diese Wirkung jedoch ist nicht immer messbar in den Kategorien menschlichen Erfolges.
Und genau hier hat das Buber-Zitat seine Berechtigung: Ob jemand reich, beliebt und angesehen ist, sagt überhaupt nichts darüber aus, wie Gott ihn bewertet.
Selbstverständlich sind auch die Früchte des Geistes irgendwie sichtbar.
Die Kategorie der "Frucht" jedoch auf das rein Jenseitige zu verschieben, geht an der Wirklichkeit unserer leiblichen Existenz vorbei. Selbstverständlich sind auch die Früchte des Geistes irgendwie sichtbar. Wenn Paulus schreibt, die Früchte des Fleisches seien deutlich erkennbar (!), dann meint er damit ziemlich handfeste Dinge wie Streit, Trunksucht und Jähzorn. Wenn er im Vers darauf (Gal 5,22) die Früchte des Geistes beschreibt, sind dies ebenso menschliche Eigenschaften, die sichtbar sind: Freundlichkeit, Sanftmut, Selbstbeherrschung und so weiter.
Wenn das, was wir kirchlich, theologisch und pastoral anstellen, nicht spezifische Früchte hervorbringt, dann sollten wir es überdenken. Das wird nicht immer das Gepräge "weltlichen" Erfolgs haben, muss sich aber stets die Frage stellen lassen, ob die erwähnten Früchte tatsächlich in einer Gruppe von Menschen nachweisbar sind; und auch: ob diese Gruppe wächst oder schrumpft.
Hier gäbe es so einiges zu lernen, was im Idealfall sogar zur Umkehr führt. Oder, um es mit Martin Buber zu sagen: "Die Gottesbegegnung widerfährt dem Menschen (…) auf dass er den Sinn an der Welt bewähre. Alle Offenbarung ist Berufung und Sendung."