Werbebanner, Newsletter, Pop-ups, Flyer und Prospekte verkünden zum Jahresende immer hartnäckiger und einprägsamer die frohe Botschaft. Diese Botschaft nimmt die Sehnsucht und Bedürftigkeit des Menschen ernst. Sie lässt das innere Verlangen nach Befriedigung nicht ins Leere laufen. Sie mobilisiert erfolgreich Massen, sie euphorisiert das Gemüt, sie gibt der Sehnsucht des Menschen klare Orientierung. In einer Epoche der Fragmentierung und Individualisierung bringt sie Menschen aller Klassen, Herkünfte und Überzeugungen zusammen.
So gehört der Black Friday, inzwischen zur Black Week ausgeweitet, längst zu den festen Terminen des säkularen Jahres. Die Tempel des Konsums haben ihre Tore weit geöffnet.
Der moderne Konsumkapitalismus hat die Bedeutung menschlicher Sehnsucht bemerkenswert genau verstanden. Schon Augustinus beschrieb das im Menschen waltende desiderium als grundlegendes Erleben eines Geschöpfes, das sich seiner Distanz zum Schöpfer bewusst wird. Diese innere Unruhe, die Augustinus selbst intensiv verspürt hat, ist für ihn Ausdruck einer auf Gott gerichteten Grundspannung. Wird die Sehnsucht auf etwas anderes als Gott ausgerichtet, entsteht Idolatrie. Die Idolatrie ist nicht primär eine Versündigung am Schöpfer, sondern führt zur Entfremdung des Geschöpfs von sich selbst.
Marx beschreibt eindringlich, wie sich der Mensch in ökonomischen Verhältnissen von seinem eigenen Wesen entfernen kann. Doch sein Lösungsvorschlag bleibt in einer rein materiellen, transzendenzlosen Perspektive verhaftet.
An diesem Punkt berührt sich Augustinus’ Diagnose mit der marxistischen Entfremdungstheorie. Marx beschreibt eindringlich, wie sich der Mensch in ökonomischen Verhältnissen von seinem eigenen Wesen entfernen kann. Doch sein Lösungsvorschlag bleibt in einer rein materiellen, transzendenzlosen Perspektive verhaftet. Die Entfremdung zu überwinden, indem man das Warenangebot reduziert, greift zu kurz. Es nimmt dem Menschen die Ersatzobjekte seiner Sehnsucht, ohne ihm eine Alternative zu bieten. Selbst viele kirchliche oder theologische Kapitalismuskritiken reagieren mit Negation, empfehlen "Konsumverzicht", ohne ein tragfähiges Gegenmodell zu formulieren.
Die Black Week als locus theologicus
Der konsumistische Rausch der Black Week bietet dem sehnsüchtigen Menschen einen giftigen Trunk, der kurzfristig Erleichterung verspricht, die innere Leere aber fortbestehen lässt. Konsum wird zu einer Perversion jenes Wassers, von dem im vierten Kapitel des Johannesevangeliums die Rede ist: eines Wassers, das den Durst dauerhaft stillt. Dieses "Wasser des Umsonst" entzieht sich jeder Logik des Habens. Konsum hingegen lebt von der Suggestion eines Mehr-Habens – eines Mehr an Satisfaktion, Potenz oder Selbststeigerung. Doch dieses vermeintliche "Mehr-Ich-Sein" bleibt letztlich eine Form fehlgeleiteter Transzendenzsuche: Ein kurzer euphorischer Moment, der eine Art emotionaler Überhöhung vorgaukelt, während das Selbst doch auf sich selbst zurückgeworfen bleibt.
Der Konsum liefert einen Moment der Selbststeigerung, der jedoch sofort wieder zerfällt. In den Tempeln des Konsums wird diese Liturgie immer wieder neu inszeniert.
Wenn man im homo consumens zugleich ein transzendenzorientiertes Wesen erkennt, wird die Black Week zu einem spätmodernen locus theologicus. Der sich selbst für aufgeklärt und emanzipiert haltende Konsument wirkt in seinem Versuch, Selbstgewinn durch Waren zu erzeugen, erstaunlich verletzlich. Der Konsum liefert einen Moment der Selbststeigerung, der jedoch sofort wieder zerfällt. In den Tempeln des Konsums wird diese Liturgie immer wieder neu inszeniert. Für das Gefühl des "Mehr-Sein durch Mehr-Haben" zahlt der Mensch nicht nur mit Geld, sondern mit seiner Leistungskraft. Das Motiv des "erkauften Heils" hat wieder Konjunktur.
Geben und Empfangen
Ein anderes Verständnis von Konsum findet sich in der christlichen Tradition. Konsumieren bedeutet hier Empfangen. Der christlich verstandene homo consumens ist ein homo recipiens. Der amerikanische Theologe William Cavanaugh hat gezeigt, dass die Eucharistie einen Gegenentwurf zum modernen Konsumismus bietet (vgl. Being Consumed: Economics and Christian Desire, Grand Rapids 2008). In ihr ist Empfangen kein Akt der Anhäufung, sondern ein wechselseitiges Sich-Hingeben. Empfangen stiftet eine Beziehung zum eigentlichen Gegenüber menschlicher Sehnsucht. Konsum dagegen reduziert das Empfangen auf ein akkumulierendes Haben. Diese Unterscheidung führt zu einer sozialen Frage: Gestaltet sich unser Verhältnis zur Welt und zu anderen Menschen nach dem Prinzip, dass wir durch den Anderen unser Haben vermehren? Oder ist es geprägt von Momenten des Gebens? Spiegelt die Logik der Einkaufszentren und Onlineportale möglicherweise die Ökonomie unserer alltäglichen Beziehungen?
Der Advent dient nicht nur der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, sondern ist eine Einübung in eine Lebenshaltung, die auf die Ewigkeit ausgerichtet ist.
Was erfüllt den Menschen? Die Black Week bietet einen Anlass, über Sehnsucht und Erfüllung nachzudenken. Ihr ästhetisch aufgeladener Hyperkonsumismus erzeugt – vielleicht unfreiwillig – einen deutlichen Kontrast zum christlichen Verständnis von Erfüllung. Es ist fast ironisch, dass der Advent zwischen der Black Week und Weihnachten liegt. Der Advent dient nicht nur der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, sondern ist eine Einübung in eine Lebenshaltung, die auf die Ewigkeit ausgerichtet ist. Als asketisch geprägte Zeit – ähnlich der Fastenzeit – kann er zur Schulung innerer Widerstandskraft werden. Diese Resilienz gegenüber übersteigerten Versprechungen und Verlockungen ist kein moralischer Appell, sondern eine notwendige Haltung in einer Zeit permanenter Überreizung.