Antisemitismus an SchulenHaltung zeigen

Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs ist die Judenfeindlichkeit stark gestiegen, auch an den Schulen. Winfried Verburg von der Katholischen Elternschaft Deutschland fordert auf, dem Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.

Antisemitische Diskriminierungen sind an Schulen leider an der Tagesordnung. Der schulische Auftrag lautet jedoch, allen Schülerinnen und Schülern diskriminierungsfreie Bildungsteilhabe zu ermöglichen – auch den jüdischen. Was konkret können und müssen Schulen tun? Ich schlage drei Schritte vor.

Der erste Schritt ist die Anerkennung, dass es an der eigenen Schule Antisemitismus gibt. So wie Lehrkräfte davon ausgehen müssen, dass in jeder Klasse ein bis zwei Schülerinnen und Schüler von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren, muss eine Schulgemeinschaft davon ausgehen, dass antisemitisches Denken, Reden und Handeln an ihrer Schule existieren. Dies gilt unabhängig davon, ob Jüdinnen und Juden zur Schulgemeinschaft gehören. Das wissen Schulen meist auch gar nicht, weil diese Familien ihr Jüdischsein gegenüber der Schule verbergen – aufgrund antisemitischer Erfahrungen. Diese Erfahrungen führen sogar nicht selten dazu, dass Eltern umziehen, damit ihre Kinder eine jüdische Schule in privater Trägerschaft besuchen können. Dabei nennen sie der bisherigen Schule oft nicht die Gründe, da sie von dieser keinen Rückhalt erwarten. Durch diesen ersten Schritt der Sensibilisierung werden also die üblichen Reaktionen wie Dethematisierung und Bagatellisierung vermieden, die Opfer erneut traumatisieren.

Der zweite Schritt zielt darauf ab, jüdischen Schülerinnen und Schülern einen diskriminierungsfreien Schulbesuch zu ermöglichen. Dafür muss sich die gesamte Schulgemeinschaft – nicht nur die Lehrpersonen – auf klare Regeln zur Prävention und Intervention bei wahrgenommenem Antisemitismus verständigen und diese Regeln kommunizieren. Das muss zu Beginn eines neuen Schuljahres auch den neuen Mitgliedern der Schulgemeinschaft vermittelt werden. Außerdem muss die Schulkultur religionssensibel gestaltet werden, nicht nur für Menschen jüdischen Glaubens. Dazu gehört zum Beispiel die Berücksichtigung der Feiertage mit Arbeitsruhe im Schulkalender, damit nicht etwa ein Elternabend an Erew Jom Kippur geplant wird.

Beim dritten Schritt geht es um antisemitismuskritische Bildung im Unterricht. Judenfeindlichkeit ist ein Virus, das immer neue Mutationen hervorbringt, ohne dass frühere Varianten verschwinden, wie es der Rabbiner Sir Jonathan Sacks formuliert hat. Deshalb kann die Aufklärung darüber nicht an ein einziges Fach „delegiert“ werden. Religiöser Antisemitismus im Christentum und Islam muss etwa Thema im jeweiligen Religionsunterricht oder im Ersatzfach werden. Ökonomischer und rassistischer Antisemitismus müssen in den Fächern Geschichte, Philosophie und in den Sprachen thematisiert werden. Sekundärer Antisemitismus gehört als Thema in den Politik-, Deutsch- und Sprachenunterricht. Und israelbezogener Antisemitismus sollte nicht nur in den Fächern Politik und Geschichte, sondern auch in Kunst (vgl. den Skandal um die documenta 15) und Musik (beispielsweise im Rap) behandelt werden.

Völlig antisemitismusfrei wird die Schule auch mit diesen drei Schritten nicht sein. Aber der Umgang miteinander wird ein anderer – wenn die Schule klar Haltung zeigt.

 

Eine Handreichung zum Thema ist kostenlos erhältlich unter: www.katholische-elternschaft.de

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