Der WochenrückblickAlles rechtens?

Nachrichten über Recht und Gerechtigkeit in der Welt – und die Diskrepanz, die dazwischen zuweilen herrscht

In der Oberstufe habe ich mit dem Gedanken gespielt, Jura zu studieren. Nicht allzu lange allerdings – beim Einlesen wurde mir schnell klar, dass mich Journalismus und Religionswissenschaft doch mehr interessieren als rechtliche Fachbegriffe. Und trotzdem ist ein Teil der Faszination für dieses Gebiet geblieben, in dem man Regeln des Zusammenlebens in möglichst eindeutige Gesetzestexte gießt und diese dann auf reale Fälle anwendet, in denen bekanntlich selten alles eindeutig ist. Umso spannender war es dann, ein paar Jahre später als Berichterstatter in einem Gerichtssaal zu sitzen. Und noch immer verfolge ich juristische Entwicklungen rund um die Welt.

1 | Rio de Janeiro. Ein Arbeitsgericht hat den brasilianischen Ableger von VW zu einer Strafe von umgerechnet 26 Millionen Euro verurteilt. Zwischen 1974 und 1986 soll der Autobauer Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen beschäftigt haben. Der katholische Priester Ricardo Rezende hatte bereits 1983 öffentlich Anklage erhoben.

2 | USA. Wie das juristische Magazin beck-aktuell berichtet, wurden in den USA weltweit erstmals Gerichte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) erwischt. In mehreren gerichtlichen Anordnungen tauchten schwerwiegende Fehler auf, bis hin zu falschen Parteien und Anschuldigungen. Scott Schlegel, ein Richter aus Louisiana, warnte vor der unbedachten Nutzung von KI bei der Urteilsfindung: „Wenn das Gericht einen Fehler macht, ist das das Gesetz.“

3 | Burkina Faso. Leider kein KI-Fehler, sondern offizielles Gesetz: Im west- afrikanischen Burkina Faso steht ausgelebte Homosexualität künftig unter Strafe und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden. Gleichzeitig wurde das Heiratsalter gesenkt. In Ausnahmefällen sollen in Zukunft schon 16-jährige Teenager verheiratet werden können. In der Vergangenheit hatten mehrere Länder in West- und Ostafrika ihre Gesetze zur Homosexualität verschärft. Darunter Uganda, wo homosexuelle Handlungen in einigen Fällen sogar unter Todesstrafe stehen. Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Gesetzeslage scharf.

4 | Israel. Die Internationale Vereinigung von Genozid-Forschern stuft Israels Vorgehen in Gaza seit dieser Woche als Völkermord ein. In der entsprechenden Stellungnahme wird betont, dass auch die Hamas-Attentate vom 7. Oktober 2023 völkerrechtliche Verbrechen waren. Die militärische Reaktion darauf sei aber unverhältnismäßig, weil sie „wahllos und vorsätzlich“ die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur treffe. Israel verwahrte sich gegen die Einordnung, man falle damit auf Hamas-Propaganda herein.

5 | Aachen. Der Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an Menschen, die für ihre Rechte kämpfen: Ausgezeichnet wurde eine iranische Studentengruppe, die Repressionen gegen Studierende und Lehrende an dortigen Hochschulen sammelt und hilft, Proteste zu vernetzen. Ein zweiter Preis ging an ein deutsches Ehepaar, das regelmäßig Festivals gegen Rechtsextremismus organisiert.

6 | Spanien. Zwei Klimaaktivisten dürften sich bald vor Gericht wiederfinden. Als Protestaktion hatten sie Säulen der Außenfassade der Sagrada Família in Barcelona mit Farbe besprüht und waren noch vor Ort festgenommen worden.

7 | Deutschland. Der Streit um die vorgesehene Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf wirkt noch nach. In einem Beitrag im Magazin Cicero hat der Psychiater und Theologe Manfred Lütz jetzt davor gewarnt, die Abtreibungsdebatte, an der sich der Fall entzündet hatte, wieder hochkochen zu lassen. Er lobte den juristischen Kompromiss, den das Bundesverfassungsgericht 1993 gefunden hatte – mit hoher Sensibilität und einem „vor allem für Juristen erstaunlichen Mut zur Irrationalität“.

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