Jüngste Ausgrabungen im Oppidum von Manching liefern neue Details aus dem Leben der Kelten

Drei Jahre, von 2021 bis 2024, dauerten die jüngsten archäologischen Ausgrabungen im Oppidum von Manching. Drei Jahre, in denen 6800 m² Fläche untersucht, 1300 Befunde dokumentiert und mehr als 40.000 Fundeinheiten geborgen werden konnten. Das Bodendenkmal südöstlich von Ingolstadt gilt als am besten erforschte Keltensiedlung Mitteleuropas – die Ergebnisse der jüngsten Grabungen liefern Expertinnen und Experten nun noch detailliertere Kenntnisse zum Leben, Arbeiten und Sterben in der Keltenstadt.

Statuette eines keltischen Kriegers mit Schwert und Schild aus drei unterschiedlichen Perspektiven fotografiert
Die Kriegerstatuette nach der Restaurierung.© Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

„Das Oppidum von Manching ist von unschätzbarem Wert für die Wissenschaft. Zwölf bis 13 Prozent des 400 Hektar großen Bodendenkmals sind bisher archäologisch erforscht. Auch durch die Vielfalt an Funden aus der jüngsten Grabung sehen wir, wie die späteisenzeitlichen Siedlung organisiert war, wie die Menschen lebten, arbeiteten, sich ernährten, welche Handelsbeziehungen sie pflegten, welche technischen Fertigkeiten sie entwickelt hatten“, sagte Prof. Mathias Pfeil, Generalkonservator des BLfD.

Die archäologische Maßnahme war notwendig geworden, weil ein Unfallschwerpunkt an der Bundesstraße 16 durch Straßenbauarbeiten behoben werden sollte. Um im Rahmen der Maßnahme einen größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu erreichen, hat das BLfD einen interdisziplinären Ansatz der archäologischen Ausgrabung vorgegeben. Daher wurden neben der Grabungsfirma auch eine Anthropologin, eine Archäobotanikerin, eine Archäozoologin und ein Montanarchäologe hinzugezogen.

Grabungsfläche im Oppidum von Manching
Grabung im 4x4-Rasterverfahren. Pro Arch Prospektion und Archäologie GmbH.

„Dieser Ansatz hat sich gelohnt. Erstmals konnten wir etwa über Gräten- und Schuppenfunde Fische nachweisen. Das ist durch die Lage der Siedlung an den Flüssen Paar und Donau zwar nicht überraschend, allerdings war der Verzehr von Fischen im Oppidum bislang nicht belegt. Genauso konnte wir erstmalig Hammerschlag und damit einen eindeutigen Hinweis auf Eisenverarbeitung im Oppidum von Manching nachweisen“, so Dr. Stefanie Berg, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege des BLfD. 

Erste Erkenntnisse und neue Fragen

Die bisherige Auswertung zeigt, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Oppidums neben Getreideprodukten auch durch Rind- und Schweinefleisch sowie Fisch ernährten. Speisereste wurden in Haushalts- und Schlachtgruben gesammelt. Während Rinder und Schweine vor allem zur Fleischproduktion gehalten wurden, schlachtete man Pferde meist erst nach Erfüllung ihrer Nutzfunktion in hohem Alter. Schafe und Ziegen lieferten vor allem Wolle und Milch. Neben Wohnbereichen gab es im Oppidum reine Handwerksareale, etwa mit Werkstätten zur Metallverarbeitung. Auch das Recycling von Keramik, Holz und Metall war den Kelten von Manching bekannt, um Ressourcen zu sparen.

Vitrine, in der mehrere fragmentarische Exemplare von Tüpfelplatten ausgestellt sind
Tüpfelplattenfragmente zur Herstellung von Münzrohlingen Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Doch werfen die jüngsten Grabungen auch Fragen auf. Ein herausragender Befund, datiert auf ca. 120 - 60 v. Chr., lässt die Archäologinnen und Archäologen über seine Bedeutung rätseln: „Wir haben in einem Kastenbrunnen Reste von mindestens drei menschlichen Individuen, zahlreiche Tierknochen von Rindern, Schweinen und Schafen, 32 Metallfunde und Reste von mehr als 50 Keramikgefäßen gefunden. Der Fund von zwei verhältnismäßig vollständigen menschlichen Individuen innerhalb eines Befundes ist für die Fundstelle, das Oppidum von Manching, außergewöhnlich“, so Sebastian Hornung, Grabungsleiter der Firma Pro Arch Prospektion und Archäologie GmbH.

Besonders die große Zahl an Metallfunden stellte eine Herausforderung für das BLfD dar. Mehr als 15.000 Metallfraktionen wurden in insgesamt 2034 Röntgenaufnahmen in den Restaurierungswerkstätten des Landesamtes erfasst. Die Daten liefern Informationen zum Zustand der Objekte, zum Material, zur Datierung und zu der möglichen Funktion der Gegenstände und werden nun der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Einer dieser metallischen Funde ist eine Bronzestatuette, die trotz ihrer geringen Größe detailliert als keltischer Krieger mit Schild und Schwert ausgearbeitet ist:

„Die Kriegerstatuette wurde in einem Graben gefunden, dessen Befund anhand der Keramik ins 3. Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann. Wir kennen die Keltensiedlung bereits als Fundort bemerkenswerter Menschendarstellungen. Doch diese 75 Millimeter hohe und 55 Gramm schwere Statuette ist eine besonders komplexe und feingliedrige Arbeit. Sie wurde im Wachsausschmelzverfahren im Bronzevollguss hergestellt. Dabei wird zunächst ein detailreiches Modell aus Wachs geformt, das anschließend in Ton eingebettet und ausgeschmolzen wird. In den entstandenen Hohlraum wird dann die geschmolzene Bronze gegossen. Auf dem Kopf der Figur befindet sich eine Ringöse, die möglicherweise zur Aufhängung etwa an einer Kette dienen könnte“, erläuterte Thomas Stöckl, Restaurator am BLfD. 

Hintergrundinformation

Die latènezeitliche Besiedlung begann Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. und entwickelte sich im Verlauf des 2. Jahrhunderts v. Chr. zu einem politischen und wirtschaftlichen Zentrum nördlich der Alpen. Mit der Errichtung einer Stadtmauer um 140/130 v. Chr. erreichte die Siedlung ihre größte Ausdehnung von ca. 400 Hektar und bot vermutlich bis zu 10.000 Menschen Platz.
10.000 Menschen. Damit war die Keltensiedlung beispielsweise größer als das mittelalterliche Nürnberg. Um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. verlor die Siedlung allmählich ihre Bedeutung. Mit dem schrittweisen Rückzug der Bevölkerung endete das urbane Leben.

Meldung Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

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