Predigt am 7. September 2025Das Gespräch an der Kirchentür

12. Sonntag nach Trinitatis: Apostelgeschichte 3,1-8(9-10)

Unser Predigttext berichtet von einer Heilung. Ein Mensch wird gesund. Auch das Evangelium berichtet von einer Heilung, die von Jesus ausging. Doch die Heilung im Predigttext läuft ganz anders ab. Wir können diese zwei Texte nicht gleichsetzen. Bevor ich uns den Text vorlese, gebe ich eine Hörhilfe. Nicht der Gelähmte steht im Mittelpunkt unseres Berichts, sondern die zwei Mitarbeiter der Kirchengemeinde von Jerusalem. Achten Sie also beim Zuhören auf diese zwei, und auf das, was sie genau tun.

(Lesung des Predigttextes: Verse 1–8)

Petrus und Johannes, diese zwei gehen gemeinschaftlich zum Gottesdienst. Vor dem Versammlungsraum sehen sie den Gelähmten, er streckt ihnen seine Hand entgegen und bettelt. Sie schauen gezielt zum Kranken. Doch er schaut nicht zu ihnen, nur die ausgestreckte Hand sucht Kontakt zu den Kommenden. Seine Scheu, Menschen anzuschauen, macht uns seine missliche Lebenslage deutlich. Die zwei bleiben stehen, schauen genau hin – und jetzt geschieht das alles Entscheidende! In diesen wenigen Sekunden hier geschieht so viel, dass Lukas gar nicht anders kann, als dies für uns aufzuschreiben. Das Besondere geschieht im Handeln dieser zwei, Petrus und Johannes.

Weil er diese zwei nicht anschaut, bittet nun Petrus den Gelähmten: „Sieh uns an!“ Die Kontaktaufnahme aber geht vom Gelähmten aus, seine ausgestreckte Hand ist die Kontaktsuche. Und Petrus läuft nicht einfach weiter. Er nimmt die Not des Gelähmten ernst und auch seine Kontaktaufnahme. Daraus entwickelt sich dann ein Gespräch. Petrus bietet eine ganz andere Hilfe an, als vom Gelähmten vermutet. Und er vertraut dem Zuspruch, den Petrus ihm gibt. Er vertraut auch dem Petrus, denn der darf ihm helfen beim Aufstehen.
Dieses kleine Gespräch verändert die Lebenssituation des Gelähmten, der sich Hilfe wünscht.

Was hier in diesem Gespräch geschieht, ist das eigentliche Thema. Die zwei Freunde aus der Kirchengemeinde erkennen die Situation, und es kommt zu einem Kurzgespräch.
Heute nennen wir dies mit einem Fachbegriff: das seelsorgliche Kurzgespräch. Dieses Ereignis zeigt das erste seelsorgliche Kurzgespräch in der Bibel und im Kontext einer Kirchengemeinde. Das seelsorgliche Kurzgespräch ist eine anerkannte Form der Gesprächsführung. Viele Christen lassen sich darin heute ausbilden. Und das ist gut so. Denn in dieser Form der Begleitung von Menschen steckt viel Kraft für die Orientierung suchenden Menschen.
Darum lohnt es sich, diese Gesprächsszene genau zu betrachten: Sie findet an der Kirchentür statt. Auch bei uns gibt es viele Gespräche an der Kirchentür vor dem Gottesdienst oder auch danach. Das Gespräch soll kurz sein, lediglich eine helfende Orientierung ist das Ziel. Die Kirchentür ist kein Ort für lange Gespräche, das geschieht anderenorts. Das seelsorgliche Kurzgespräch drängt sich auch nicht auf. Der Mensch mit Fragen und Orientierungssuche wird schon ein Signal setzen, erst daraufhin werde ich als Angesprochener kurz und entspannt reagieren.
Wenn dabei nicht herumpalavert wird, dann kann Orientierung und Mut eröffnet werden. Und darum redet hier auch nur einer von den zwei Freunden. Dass im Kurzgespräch ein anderer noch hineinredet, das geht nicht! Nach diesem knappen Zuspruch fasst der Gelähmte Mut und prüft die Kraft seiner Beine. Er handelt! Freilich mithilfe des Petrus. Aber es ist sein Vertrauen, und darum verändert sich nun so viel! Das seelsorgliche Gespräch hat eben auch eine theologische und missionarische Komponente; diese Gesprächsform macht eben auch deutlich: Gott stärkt dich!
Also: Das Ganze geschieht von zwei Menschen, die zum Gottesdienst gehen. Petrus und Johannes sind hier nicht Amtsträger, sondern ganz normale Menschen, die Gott loben wollen. So wie wir hier. Gottesdienst ist also hier nicht nur Loblieder singen und sich von biblischen Texten anreden lassen, sondern Gottesdienst ist hier auch das Geschehen an der Kirchentür, diese kleinen, wertvollen Gespräche.
Seelsorge ist also nicht eine Aufgabe, die Amtsträgern vorbehalten ist, sondern sie ist Aufgabe eines jeden Christen und ist Teil von „Gottesdienst“. Natürlich ist dies nicht ohne innere Vorbereitung zu tun! Es gibt aber nur wenige Gründe, sich zu scheuen vor dieser Aufgabe. Und unsere Kirchengemeinde hat genug Menschen, die dies schon jetzt tun. Die Mitarbeiterinnen in den Besuchsdiensten werden solche aufbauenden Gespräche durchlebt haben, vielleicht war ihnen das gar nicht bewusst. Unsere Kompetenz des sorgsamen Zuhörens ist die Grundlage für diesen Dienst. Das seelsorgliche Kurzgespräch braucht kein Psychologiestudium von acht Semestern, es braucht vielmehr die Freude am Christsein.
Unser Predigttext beschreibt also eine Lebensweise, die Teil des Gottesdienstes ist. So handeln Christen! Wir schauen an der Not und an der Orientierungssuche von Menschen nicht vorbei, darum sind uns Petrus und Johannes hier ein Vorbild. Wie diese, werden auch wir geöffnete Augen und ein geöffnetes Herz haben, wenn wir von der Not und den Sorgen eines anderen erfahren. Gut, dass Lukas das für uns aufschrieb, damit wir diese beiden uns zu Vorbildern nehmen.

(Hinweis der Redaktion: Der Autor hat sich entsprechend seines Themas kurz gefasst in der Predigt; für alle, die es etwas ausführlicher lieben: kreative Ergänzungen zu seinem Thema „aufmerksame Zuwendung“ könnten hier noch in die Predigt eingefügt werden. Zum Beispiel ein Blick auf den Film „Ziemlich beste Freunde“, der zeigt, wie aufmerksame Nähe nicht nur Beziehungen ermöglicht, sondern auch neue Bewegung im Leben; Hinweise bei epd-Film: https://www.epd-film.de/filmkritiken/ziemlich-beste-freunde. Oder: Die im Bibeltext beschriebene Schwellensituation an der Tür erinnert an das Phänomen mancher Seelsorgebesuche, bei denen die wichtigste Botschaft schon fast „zu spät“ während der Verabschiedung an der Tür nachgereicht wird; auch ein Nachdenken über die aufsuchende Wertschätzung bei kirchlichen Besuchen könnte die Predigt ergänzen. Hinweise gibt der Aufsatz „Der seelsorgerliche Sinn von Geburtstagsbesuchen“, hier zu finden: https://www.ekiba.de/media/download/variant/67722/der_seelsorgerliche_sinn_von_geburtstagsbesuchen.pdf)

Gebete:
Das Evangelische Gottesdienstbuch (Agende) hat drei Vorschläge für das Gebet des Tages abgedruckt. Vorschlag Nr. 3 ist hier vorzuziehen, es stimmt überein mit dem Duktus des Predigttextes.
Die Predigt hat einen kirchengemeindlichen (ekklesiologischen) Schwerpunkt. Dies kann gestärkt werden, wenn Bitten zur Einheit der Kirche und zur Stärkung der gemeindlichen Arbeit im Fürbittgebet eingebunden werden.

Lieder:
Mit der Revision der Perikopen (2018) erhielt unser Sonntag zwei Wochenlieder.
EG 289 ist von unserer Sprachwelt so weit entfernt, dass der zweite Vorschlag vorzuziehen ist: Wir haben Gottes Spuren festgestellt (hier zu finden: Durch Hohes und Tiefes 298; Lieder zwischen Himmel und Erde 230; rise up plus 21; Regionalteile einiger Landeskirchen).
EG 198 (Herr dein Wort, die edle Gabe)
EG 369,1.2.7 (Wer nur den lieben Gott lässt walten)

Lesungen:
Dem Sonntag sind drei Texte aus der Apostelgeschichte zugeordnet. Wenn die Gottesdienstform es ermöglicht, so können statt Epistel und Evangelium alle drei Texte aus der Apostelgeschichte eingebunden werden. Dies bedarf aber eines entsprechenden Hinweises in der Eröffnung des Gottesdienstes. Damit der Gottesdienst dadurch nicht zu textlastig wird, muss die Predigt kurz bleiben.

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