GeldEs geht um eine Ethik des Genug

Die Frage ist nicht, ob wir mit Geld umgehen. Das müssen wir, da gibt es kein Entrinnen. Die Frage ist, wie wir mit Geld umgehen.

Es geht um die Ethik des Genug
"Wer geben kann, fühlt sich gesegnet."© Abigail Low/unsplash

Wir sind nicht ausgeliefert an Systeme. Wir können handeln. Wenn diese Welt Gottes Schöpfung ist – und das glauben wir als Christinnen und Christen –, sind wir keinen aufgezwungenen Gesetzen des Marktes untergeordnet. Dann können wir als Haushalterinnen und Haushalter diesen Oikos gestalten. Schon Augustin sagt in seiner Schrift über den Staat: „Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?“ Luther stimmt dem zu und wendet sich in mehreren Schriften leidenschaftlich gegen Wucher und Monopole. Seine Kritik richtete sich gegen das Handels- und Wucherkapital des Frühkapitalismus, das Gebaren der großen Bankhäuser wie der Fugger, die Gier nach dem Gold der Azteken. Er misst das Verhalten am ersten Gebot und sieht, wie Geld zum Götzen Mammon wird. Die Finanzkrise hat gezeigt, wohin es führt, wenn Geldwirtschaft auf schnelle spektakuläre Gewinne hin orientiert ist. Zins an sich wird heute in der Weltwirtschaft insgesamt nicht in Frage gestellt, auch nicht bei Kleinstkrediten etwa im Bereich der Entwicklungsorganisationen. Auch Kirchen legen Rücklagen an, etwa für die Pensionskasse. Aber Wucherzins müssen wir auch heute in lutherischer Klarheit anprangern.

Die Bibel zeigt uns übrigens einen ziemlich entspannten Umgang mit dem schnöden Mammon. In den Gleichnissen Jesu kommt Geld vor, vom verlorenen Groschen bis: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Und: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“, heißt es dort beispielsweise. Das ist auch heute eine klare Erfahrung: Wer geben kann, fühlt sich gesegnet, ebenso wie, wer empfängt. Es geht um einen Segenskreislauf, in dem die Würde aller Beteiligten gewahrt bleibt. Nächstenliebe und der Aufbau der Gemeinde, die soziale Dimension also, sind Kriterien des angemessenen Umgangs mit Geld in der Bibel. Es ist ja spannend, nachzulesen, dass Jesus ermutigt, mit den Pfunden zu wuchern. Reichtum wird nur verurteilt, wenn er zu Geiz und Gier führt. Es kommt darauf an, was ich damit tue. Die Pfunde mögen Geld sein. Oder eben auch Talente, wie es in einer alten Übersetzung heißt, also Chancen, Möglichkeiten, Gaben, die ich einbringen kann.

Da wird von „gierigen Banken“ gesprochen. Aber eine Bank kann doch nicht gierig sein, es sind Menschen, die dahinter stehen. Wir können uns nicht ständig als Ausgelieferte in einem anonymen System betrachten. Wir sollten genau hinsehen und hinhören, selbst Verantwortung übernehmen und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die für Fehlentwicklungen und Unrecht verantwortlich sind.

Die Frage ist, nicht, ob wir mit Geld umgehen. Das müssen wir, da gibt es kein Entrinnen. Die Frage ist, wie wir mit Geld umgehen. Martin Luther hat in der Auslegung des ersten Gebotes erklärt, woran wir unser Herz hängen, das ist unser Gott. Das Herz dieser Gesellschaft hängt am Geld. Hat der Philosoph Descartes einst die Aufklärung mit dem Satz eingeleitet: „Ich denke, also bin ich“, gilt für die meisten Menschen der Satz: „Ich kann mir was kaufen, also bin ich.“ Da könnten wir jetzt Herbert Grönemeyer anstimmen: „Ja, ich kauf mir was, kaufen macht so viel Spaß, ich könnte ständig kaufen gehen, Kaufen ist wunderschön!“

Und auch das Herz der Gesellschaft hängt am Geld. Jeden Abend vor den Nachrichten hören wir, wie es dem Dax geht. Sorgenvoll wird berichtet, wenn es ihm schlecht ergangen ist und die Börsen in Tokyo, New York oder Frankfurt wanken. Mit leuchtendem Strahlen wird gezeigt, wenn er mal wieder irgendeine Marke „geknackt“ hat. Das ist wirklich beknackt. Wenn jeden Tag vor den Nachrichten berichtet würde, wie viele Kinder heute in Deutschland geboren wurden, wie viele Flüchtlinge wir aufgenommen haben, wie viele Menschen geheiratet haben, wie viele junge Leute einen festen Anstellungsvertrag unterschreiben konnten – es wäre auch ein Zeichen, woran das Herz unserer Gesellschaft hängt, aber eben ein anderes.

Es geht am Ende immer wieder um die Ethik des Genug. Statt immer mehr zu wollen, wächst Zufriedenheit, wenn wir dankbar sind für das, was wir haben. Wir alle wissen ganz genau, dass wir uns das, was uns am wichtigsten ist im Leben, nicht kaufen können.

Ich will die Bedeutung von Geld nicht herunterspielen. Menschen, die arm sind, werden ausgegrenzt. Von Hartz IV würdig zu leben, ist schwer. Für viele macht sich Gerechtigkeit heute vor allem am Geld fest. Sicher ist Geld ein wichtiger Faktor bei dem bitteren Gefühl, ausgeschlossen zu sein von dem, was die Gemeinschaft erlebt. Da erzählt mir eine Mutter, dass die Klasse ihres 15-jährigen Sohnes einen Auslandsaufenthalt geplant habe. Sie konnte das erforderliche Geld nicht aufbringen. Die Klasse wollte den Jungen jedoch unbedingt dabeihaben und gemeinsam haben alle Beteiligten das notwendige Geld aufgetrieben. Am Ende wollte er trotzdem nicht mitfahren, weil er sich zu sehr geschämt hat. Es geht zuallererst um Beteiligungsgerechtigkeit. Und die entsteht durch Freiheit. Wer freigiebig ist, lebt in der Tat glücklicher. Dann musst du nicht zwanghaft festhalten, sondern stehst in einer Art Segenskreis, in dem du wieder Freude empfängst von denen, denen du gibst. Denn das wissen wir doch auch: Jemandem etwas geben, schenken können, ist ja nicht nur ein Abgeben, sondern immer auch ein Empfangen. Wir können dankbar sein, wenn wir geben können. Es ist wesentlich schwerer, Zuwendung anzunehmen.

In der Bibel steht eben nicht: „Selig sind die Schnäppchenjäger“, sondern: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit.“ Da steht nicht: „Selig sind die Geizigen, weil sie geil sind“, sondern: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“

 

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Ökologische Verträglichkeit und ökonomische Tragfähigkeit, wirtschaftlicher und sozialer Nutzen und weite Beteiligungsstrukturen sind u.a. Kriterien, um einen Kredit bei Oikocredit zu bekommen, einer international tätigen Genossenschaft mit Hauptsitz in Amersfoort (NL). Unter der Bezeichnung Ecumenical Development Cooperative Society (EDCS) wurde Oikocredit 1975 auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen gegründet. Ziel war die Mobilisierung kirchlicher Rücklagen für Entwicklungsförderung. Heute verfügt Oikocredit über ein weltweites Netz von Regional- und Länderbüros in 33 Ländern. 84 % der geförderten Wirtschaftssektoren sind Mikrofinanzinstitutionen, die Mikrokredite vergeben, 11 % Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, Viehzucht und Fischerei und 5 % Sonstige. Privatpersonen, Kirchengemeinden und kleinere Organisationen beteiligen sich über Förderkreise mit Geldanlagen an Oikocredit.

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