Professionalität in der U3-Praxis zeichnet sich durch eine bewusste Haltung und durch Handlungsweisen aus, die es ermöglichen, Kindern auf Augenhöhe zu begegnen. Fachkräfte nehmen eine zentrale Rolle in der Prävention von Adultismus ein. Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, das Machtungleichgewicht zwischen Erwachsenen und Kindern zu reflektieren, zu benennen und aktiv zu verringern. Sie entscheiden darüber, ob sich die Jüngsten wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen.
Der Weg zur diskriminierungsbewussten Haltung einer Einrichtung bedarf vor allem der Selbstreflexion und der kollegialen Zusammenarbeit im Team. Hier können Supervisionen und Fortbildungen hilfreich sein. Die Fachkräfte müssen sich ihrer Machtposition, ihrer Kommunikationsmuster und möglicher adultistischer Verhaltensweisen bewusst werden. Dazu gehört außerdem, eventuelle Diskriminierungserfahrungen aus der eigenen Kindheit zu reflektieren. Genauso bedeutsam ist es aber auch, dass sich die Teammitglieder in die Jüngsten einfühlen und deren Perspektive einnehmen können. Denn wie ein Kind adultistisches Verhalten empfindet und darauf reagiert, ist natürlich nicht minder wichtig als die Wahrnehmung der Erwachsenen (Boll et al. 2025).
Woran erkennen wir Adultismus?
Die Reflexion von adultistischen Strukturen und Machtverhältnissen im Kita-Alltag ist essenziell, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Folgende Reflexionsfragen können dem Team dabei helfen:
- Würde ich so auch mit einem Gleichaltrigen sprechen?
Wenn eine bestimmte Äußerung gegenüber Erwachsenen als unangemessen empfunden würde, ist diese adultistisch.
- Beziehen wir die Kinder aktiv in alltägliche Entscheidungen ein?
Fehlende Partizipation ist ein deutliches Zeichen für adultistische Strukturen.
- Wie gehen wir mit den Gefühlen und Grenzen der Kinder um?
Werden Emotionen und Wünsche der Jüngsten übergangen bzw. nicht ernst genommen, ist das herabwürdigend.
- Welche verbindlichen Regeln haben wir im Team getroffen, die Kinder in ihrer Autonomie einschränken?
Gleiche Regeln für alle stellen strukturelle Barrieren dar und können Kinder in der Entwicklung ihres Selbstkonzeptes beeinträchtigen.
- Wie kommunizieren wir mit den Kindern?
Ein adultistischer Sprachgebrauch kann Kinder ängstigen und zur Verinnerlichung von Diskriminierung führen.
- Welche Fehlerkultur haben wir im Team etabliert?
Eine positive Fehlerkultur hilft, adultistische Strukturen in der Kita zu erkennen und anzusprechen.
- Kann ich mir Unterstützung holen, wenn ich adultistisches Verhalten bei mir, einer Kollegin oder einem Kollegen erlebe?
Eine Kultur der gegenseitigen Rückmeldung und Unterstützung kann adultistisches Verhalten minimieren.
Wie reduzieren wir Adultismus?
Um herabwürdigendes Verhalten gegenüber den Jüngsten einzuschränken, ist es wichtig, die Entwicklungsstufen und die kommunikativen Fähigkeiten der Kinder zu berücksichtigen. Folgende Methoden sind für diese Altersgruppe besonders geeignet:
- Gefühle & Bedürfnisse ernst nehmen
Auf (non-)verbale Signale wie Mimik, Gestik und Körperhaltung der Kinder achten und angemessen darauf reagieren. Schon die Jüngsten spüren, wenn sie mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden, auch wenn ihre Sprachentwicklung noch nicht weit fortgeschritten ist.
- Wertschätzende Kommunikation
Mit Kindern auf Augenhöhe sprechen, Blickkontakt suchen, Mimik, Gestik und kleine Signale (z.B. Bildkarten oder Singsang) einsetzen. Einfache, klare Sprache nutzen und den Jüngsten Zeit lassen zu reagieren. Kinder als gleichwertige Gesprächspartner wahrnehmen und entsprechend keine abwertende oder bevormundende Sprache verwenden (s. INFO).
- Rituale & Regeln gemeinsam gestalten
Kleinkinder können z.B. im Morgenkreis mitentscheiden, welches Lied gesungen oder welches Spielzeug bereitgestellt wird.
- Beschwerden & Wünsche erkennen und aufgreifen
Kleinkinder äußern ihre Wünsche oder Unzufriedenheit oft noch nonverbal. Fachkräfte sollten diese Signale wahrnehmen, benennen sowie zeitnah und situationsgerecht darauf reagieren. Durch ein Lächeln oder Kopfnicken zeigen sie den Jüngsten: „Ich sehe und verstehe dich und deine Bedürfnisse.“
- Achtsame Begleitung & Unterstützung
Fachkräfte sollten die Jüngsten in ihrem Tun begleiten, ohne ihnen alles abzunehmen. Es gilt, den Kindern Zeit und Raum zu geben, Dinge selbst zu versuchen, auch wenn es länger dauert oder nicht perfekt gelingt.
- Spielerische Partizipation
Mit Bildkarten, Symbolen oder einfachen Gesten lassen sich Kinder in Entscheidungen einbeziehen, z.B. bei der Auswahl eines Spiels, des Essens oder eines Liedes. Schon sehr junge Kinder können zwischen zwei Optionen wählen. Dies stärkt ihr Gefühl von Selbstwirksamkeit und Mitbestimmung.
- Sensitive Responsivität
Feinfühligkeit und Responsivität helfen, adultistische Muster zu durchbrechen, indem sie einen wertschätzenden, empathischen und partizipativen Umgang mit Kindern fördern. Dadurch werden diese als gleichberechtigte Persönlichkeiten wahrgenommen und gestärkt.
INFO
Offen & respektvoll im Gespräch bleiben
Kommunikation ist ein zentrales Instrument, um Adultismus zu verhindern – und das gleich auf zwei Ebenen: Durch achtsame, respektvolle und dialogische Kommunikation wird Kindern Wertschätzung entgegengebracht, ihre Selbstwirksamkeit gestärkt und das Machtungleichgewicht zwischen den Erwachsenen und den Jüngsten abgebaut.
Ebenso bedarf es einer offenen, vertrauensvollen und kollegialen Struktur innerhalb des Kita-Teams, damit Fehler im Umgang mit den Kindern ohne Beschämung angesprochen und dadurch bestenfalls künftig vermieden werden können.
Durch respektvolle Kommunikation und eine offene Fehlerkultur schaffen pädagogische Fachkräfte eine Umgebung, in der sich Kinder als eigenständige Persönlichkeiten ernst genommen sowie gleichwertig und geborgen fühlen.