Schon Kleinkinder nehmen sehr genau wahr, wie ihre erwachsenen Bezugspersonen auf sie reagieren. Das zeigt auch die folgende Situationsbeschreibung:
Alex (1;10) möchte heute bei der Verabschiedung in der Kita keinen Abschiedskuss von seiner Mama. Er schiebt sie mit beiden Händen von sich weg. Sie reagiert mit einem enttäuschten „Jetzt ist die Mama aber traurig“. Alex sieht sie an und beginnt zu weinen. Sofort will sie ihn trösten und gibt ihm einen Kuss. Alex weint noch lauter und wischt den Kuss entschieden von seiner Wange.
Kinder, die früh erfahren, dass ihre Gefühle ernst genommen werden, diese also richtig und wichtig sind, lernen auf ihre innere Stimme zu hören und ihr zu vertrauen.
Das fördert den Mut der Jüngsten, eigene Grenzen zu setzen und die anderer zu achten. Dabei kommt es nicht darauf an, möglichst laut Nein zu brüllen. Es geht vielmehr darum, dass Bezugspersonen den Mädchen und Jungen von Anfang an vermitteln, wie viel Stärke in ihnen steckt. Denn ein stabiles Selbstwertgefühl bildet die Grundlage für Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Jedes Kind hat ein Recht darauf, gewaltfrei aufzuwachsen und Erwachsene haben die Aufgabe, dies zu ermöglichen.
Der Kinderschutz-Rap
Der Kinderschutz-Rap kann als roter Faden für die präventive Arbeit pädagogischer Fachkräfte dienen. Er basiert auf den Kinderrechten und enthält fünf zentrale Schutzbotschaften. Auch Kleinkinder können die Bewegungen zum Rap nach kurzer Zeit mitmachen und den Text auswendig sprechen, selbst wenn sich ihnen der Inhalt teilweise erst später erschließt. Immer geht es dabei um den Umgang mit Gefühlen, Grenzen, Geheimnissen, dem Recht auf Hilfe und dem Recht der Kinder, über ihren eigenen Körper selbst zu bestimmen.
Durch den eingängigen Text, den Rhythmus und die Bewegungen verankert sich der Kinderschutz-Rap schnell im Langzeitgedächtnis, sodass Kinder auch noch Jahre später in brenzligen Situationen darauf zurückgreifen können.
Mehr Infos zur Präventionsarbeit des MuT-Zentrums und zur Nutzung des Kinderschutz-Raps im beruflichen Kontext finden Sie auf www.mut-zentrum.de
Wie Kinder lernen, Nein zu sagen
Da sich Kleinkinder ohnehin in der Autonomiephase befinden, ist es sinnvoll, diesen entwicklungspsychologischen Rückenwind zu nutzen, um das Nein-Sagen gezielt zu üben (s. PRAXISTIPP).
Mithilfe verschiedener Nein-Spiele können bereits die Jüngsten auf spielerische Weise ausprobieren, wie sie zum Ausdruck bringen, dass sie etwas nicht wollen – sei es verbal, nonverbal, mit Mimik oder Gestik. Wichtig ist dabei, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken. Es gibt viele Arten, Nein zu sagen. Durch diese altersgerechten Impulse können die Kinder selbst ausprobieren und erfahren, dass jedes Nein Respekt verdient. Kein Kind ist jemals schuld, weil es nicht laut genug Nein gesagt hat. Ein stummes Nein gilt genauso. Gewaltprävention umfasst daher viel mehr, als Nein sagen zu können.
PRAXISTIPP
NEIN-SAGEN-SPIELE
Die folgenden Impulse eignen sich für die Durchführung in einer kleinen Gruppe oder für den Einzelkontakt mit einem Kind.
Ja- & Nein-Gefühl
Ziel: Gefühle wahrnehmen, unterscheiden und Grenzen setzen
Was sagt das eigene Bauchgefühl?
Gefühle wie Freude und Glück können z.B. ein Kribbeln auslösen. Gefühle wie Angst, Wut und Trauer liegen oft schwer wie ein Stein im Bauch.
Die Frage „Spürst du gerade ein Ja- oder ein Nein-Gefühl in deinem Bauch?“ hilft Kindern, ihre Wahrnehmungen einzuordnen, insbesondere im Umgang mit Berührungen.
Tipp: Das Prinzip Ja- und Nein-Gefühl lässt sich mühelos auf sämtliche Lebensbereiche übertragen.
Variante: Die Kinder drücken ihre Gefühle und Grenzen nonverbal mithilfe von roten und grünen Ampelkarten aus.
Mein Raum – meine Grenze
Ziel: Eigenraum gestalten und darüber bestimmen
Material: Gymnastikreifen, Schnüre, Tücher, kleine Spielsachen
Das Kind gestaltet seinen Reifen nach Lust und Laune, indem es sich Materialien aussucht und diese im Reifen platziert. Nun nimmt es seinen Platz in der Mitte des Reifens ein. Ein anderes Kind kommt auf den Reifen zu und stoppt sofort, wenn das Kind im Reifen Nein sagt (Stopp-Geste).
Variante: Unterschiedliche Formen eines Neins ausprobieren: Kopfschütteln, Stampfen, Wegdrehen usw.
Alle Tiere sagen Nein!
Ziel: Spielerisch unterschiedliche Nein-Formen ausprobieren. Die Kinder verwandeln sich in Tiere und zeigen auf deren besondere Art ihre Grenzen auf:
- Der Igel zeigt mit den Stacheln Nein.
- Der Löwe brüllt ein lautes Nein.
- Der Hund knurrt ein leises Nein.
- Die Katze faucht und kratzt usw.
Variante: Tiermasken basteln oder Tiergesichter schminken.
Stopp-Tanz
Ziel: Impulskontrolle, Reaktionsfähigkeit und Respekt stärken
Mit dem Stopp-Tanz lässt sich schnelles Reaktionsvermögen trainieren.
Variante: Die Kinder fahren mit imaginären Autos durch den Raum und stoppen, wenn sie auf ein Ampelkind treffen (Ampelkarten einsetzen).
Ich bin groß wie ein Bär & klein wie eine Maus
Ziel: Unterschiedliche Körpererfahrungen zur Stärkung der Selbstwirksamkeit
Ein Nein kann sich groß machen wie ein Bär. Wie fühlt sich das an? Mit welcher Stimme sagt ein Bär Nein?
Ein Nein kann sich so klein machen wie eine Maus. Wie fühlt sich das an? Mit welcher Stimme sagt die Maus Nein?
Fragen Sie die Kinder: „Erkennst du Unterschiede? Bist du lieber Bär oder Maus?“
Kein Kuss muss!
Die Kinder basteln mit Ihrer Hilfe Stopp-Schilder und bedrucken diese mit Lippenstift-Küssen. Diese Schutz-Schilder zeigen die Jüngsten, wenn sie keinen Kuss haben möchten.
Starke Gefühle, klare Haltung
Achtsam mit den Emotionen der Jüngsten umzugehen, ist für pädagogische Fachkräfte im U3-Bereich eine tägliche Herausforderung. Impulskontrolle, Frustrationstoleranz, Achtsamkeit, Empathie und Respekt sind Fähigkeiten, die alle Menschen täglich neu fordern. Selbst erfahrene Fachkräfte scheitern trotz guter Vorsätze oft an diesen Aufgaben. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um die Bereitschaft, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und dabei bereit zu sein, aus Fehlern zu lernen und die eigene pädagogische Haltung zu reflektieren.