Kosmische Erziehung (Montessori)

Die "Kosmische Erziehung" ist eines der Grundprinzipien in der Montessori-Pädagogik. Maria Montessori war überzeugt, dass Lernen nicht bedeuten darf, dem Kind zusammenhanglos Wissen aus verschiedenen Lernbereichen zu vermitteln, sondern es von Anfang an den großen Zusammenhang und die Gesetzmäßigkeiten einer Ordnung innerhalb des „Kosmos“ erfahren zu lassen. "Kosmos", das bedeutet für Montessori nicht nur das Wissen um die Gesetzmäßigkeiten in der Natur, sondern auch das Bewusstwerden der Wechselbeziehungen von Mensch und Natur wie auch der Menschen untereinander.

Kosmische Erziehung
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1. Entstehungsgeschichte

In den 1930er Jahren kommt Maria Montessoris globale und universale Sicht der Welt in ihren Friedensvorträgen aus den Jahren 1932–1939 und in ihren ersten Vorträgen zur “Kosmischen Erziehung“ im Januar 1936 zum Ausdruck. Die inzwischen 65-Jährige hatte im Anschluss an einen Kurs zur Erziehung 3- bis 6-jähriger Kinder in London zum ersten Mal in sechs Vorträgen ihre Vorstellungen von der Konzeption einer "Kosmischen Erziehung" für die 6- bis 12-Jährigen dargestellt (Montessori 2007, 2008, 2009).
Die politisch-gesellschaftlichen Lebensbedingungen in diesen Jahren führten dazu, dass Maria und Mario Montessori die praktische Umsetzung dieser Vorstellungen von "Kosmischer Erziehung" erst in den 1940er Jahren, während des Zweiten Weltkriegs, in einer Montessori-Schule in Kodaikanal (Indien) weiterentwickeln und erproben konnten. Die veröffentlichten Vorträge von Maria und Mario Montessori aus diesen Jahren informieren über die sogenannte "Kosmische Theorie als Grundlage der Kosmischen Erziehung" und darüber, wie die "packende Geschichte" des Universums und der Erde dem Kind vorgestellt werden kann. Ungefähr zur gleichen Zeit, nämlich in den Jahren zwischen 1938 und 1951, entwickelte Maria Montessori ihre "Theorie der sensiblen Phasen" zu einer "Theorie der vier Entwicklungsstufen" von der Geburt bis zur Reife weiter und veranschaulichte diese 1950 (in Perugia) und 1951 (in Rom) mit zwei farbigen Diagrammen auf Schautafeln. Montessori verknüpfte jede dieser vier Stufen mit einem entsprechenden Erziehungskonzept. Die "Kosmische Erziehung" ist dabei das Erziehungskonzept für die zweite Entwicklungsstufe, die 6- bis 12-Jährigen.
Nach ihrer Rückkehr aus Indien fuhren Maria und Mario Montessori 1950 in der Universität Amsterdam eine internationale Montessori-Konferenz durch, in der sie zum ersten Mal in Europa über die Entwicklung der Konzeption der "Kosmischen Erziehung" in Indien informierten.

2. Ziel

Der Begriff und die Konzeption der "Kosmische Erziehung" beziehen sich nicht auf ein einzelnes Schulfach, sondern auf Maria und Mario Montessoris umfassendes Bildungsprogramm als "Grundstein der Schulerziehung" für die 6- bis 12-jährigen Kinder (Montessori 1988: 42). Dieses grundlegende "Bildungsprogramm" ist nicht auf einen inhaltlichen Teilbereich schulbezogenen Lernens eingeschränkt, sondern umfasst in kindgemäßer Weise alle Bereiche unserer natürlichen und kulturellen Welt auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Kinder werden in die vielfaltigen Zusammenhänge dieser Welt eingeführt und erwerben Wissen und Erkenntnisse über die Beziehungen unter den Dingen und die Welt als ein Ganzes.

Ihr interessegeleitetes Arbeiten (Lernen) führt zum Staunen über die Vielfalt des Lebens von Pflanzen, Tieren und Menschen auf der Erde und die prachtvolle Größe des Universums. Die Kinder erwerben dadurch gerade in diesem Alter grundlegende Einstellungen im Sinne eines verantwortungsvollen Handelns in ihrer Umwelt und für den Frieden unter den Menschen in der Welt.

3. Bild vom Kind

In der Kosmischen Erziehung geht es vor allem darum, die Kinder dabei zu unterstützen, ihren Platz im "Großen Ganzen", d.h. in der Welt, zu finden. Weiß das Kind um seinen eigenen "Standpunkt" in der Welt, wird ihm auch die Verantwortung, die es durch sein Handeln in dieser Welt hat, bewusst. Kosmische Erziehung soll sich dabei nicht auf kognitive Zielsetzungen beschränken. Wichtig ist Montessori die Aufgabe, "jenes menschliche Verstehen und jene Solidarität zu entwickeln, die heute so sehr fehlen" (Maria Montessori: Kosmische Erziehung, Kleine Schriften 1, Freiburg 1988, S. 93f.). Damit greift sie ein pädagogisches Ziel auf, das heute als Teil einer Werteerziehung von allen Schulen eingefordert wird.

Kinder lernen durch Beobachtung und durch aktive, selbstgesteuerte Erfahrung, das heißt es ist wichtig, Kindern die wahrhaftige Natur zu zeigen. Die Kinder sollen hinausgehen und in der Natur die Pracht einer Blumenwiese, einen rauschenden Fluss, die Schönheit eines Sternenhimmels, die Beschaffenheit des Bodens, die Vielfalt der Tiere und vieles mehr erfahren.

Außerdem sollen die Kinder Wege finden, sich die Welt zu erobern, und lernen, Verantwortung für diese Welt und sich selbst zu übernehmen. Sie sollen Einsicht und ein Gefühl dafür bekommen, dass in der Welt alles miteinander zusammenhängt, voneinander abhängig und aufeinander angewiesen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es gibt in der Kosmischen Erziehung fünf bzw. sechs "Große Lektionen", die den Kindern erzählt werden. Zu ihnen gehören die folgenden "Großen Erzählungen":

  1. die Geschichte von der Entstehung des Universums, von Mario M. Montessori erzählt unter dem Titel "Gott, der keine Hände hat"
  2. die Geschichte von der Entwicklung des Lebens auf der Erde
  3. die Geschichte von der Entwicklung des Menschen auf der Erde
  4. die erste Geschichte von der Kommunikation in Zeichen: die Entwicklung der Schrift, auch als "Erzählung vom Ochsen und vom Haus" bezeichnet
  5. die zweite Geschichte von der Kommunikation in Zeichen: die Entwicklung der Zahlen, auch als "Die Geschichte der Jäger" bezeichnet
  6. die Erzählung vom menschlichen Körper "Der große Fluss", auch als "Das Land oder die Nation des großen Flusses" bezeichnet.

4. Rolle der Fachkraft

Die Zeit von 3 bis 6 Jahren wird als eine Art Vorbereitung auf die Zeit der kosmischen Erziehung angesehen, wobei dort zunächst nur die Phänomene an sich interessieren und nicht die Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten. Im Alter von 6 bis 12 Jahren findet die eigentliche kosmische Erziehung statt, in der auch die Zusammenhänge und das "Warum?" von Interesse sind. Nach dem Alter von 12 Jahren wird in der Arbeit auf die kosmische Erziehung aufgebaut und zurückgegriffen.

  1. Schuljahr: Erzählung vom Universum – Astronomie und Metaphysik
  2. Schuljahr: Erzählung von den Sternen und dem Sonnensystem – Physik und Chemie; Erzählung von der Erde – Geologie und Geografie
  3. Schuljahr: Erzählung vom Leben – Biologie
  4. Schuljahr: Erzählung von den Menschen – Archäologie
  5. Schuljahr: Erzählung von der Zivilisation – Geschichte
  6. Schuljahr: Erzählung von der Nation – Geschichte.

Neben diesen grundsätzlichen Klärungen muss sich jede Pädagogin und jeder Pädagoge mit der Vorbereitung und Durchführung des eigenen Erzählens befassen. Dazu gehört vor allem, sich das notwendige Wissen über den Gegenstand der Erzählung so anzueignen und die Reihenfolge der Erzählinhalte so zu verinnerlichen, dass das Erzählen frei geschehen kann. Damit das möglich wird, müssen vorher auch noch die organisatorischen Fragen geklärt werden, die die Gestaltung des Raumes, die Einbeziehung unterstützender Materialien, die zeitliche Durchführung und die eventuelle Zulassung von Zwischenfragen und Dialogen betreffen.

5. Methoden und Materialien

Hierzu gehören Erzählungen (sogenannte "Cosmic Tales"), große Schaubilder, Zeitleisten, Modelle, Experimente, Bild- und Textkarten zu den Bereichen Entstehung des Universums, Geschichte der Erde, Entwicklung des Lebens, Erscheinen des Menschen, Geschichte der Zivilisationen, die Reiche der Pflanzen und Tiere usw.

Quellen & Literatur

http://www.montessoribayern.de/landesverband/paedagogik/paedagogik-in-der-praxis/%20kosmische-erziehung.html
https://www.umweltgedanken.de/montessori-kosmische-erziehung/
https://www.montessorizentrum-muenster.de/lehre/montessori-p%C3%A4dagogik/kosmische-erziehung/
Kosmische Erziehung in der Montessori-Pädagogik, Verlag Herder, Freiburg

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