Bereits mit seiner ersten Ansprache hat der neue Papst wichtige Akzente gesetzt und die Sorge um den Frieden, den missionarischen Charakter des Christentums und den politischen Anspruch des christlichen Glaubens unterstrichen. Gerade für die schlingernde deutsche Kirche dürfte dieser Papst eine Herausforderung und zugleich eine große Chance darstellen.

Die überraschende Wahl des amerikanischen Kardinals Robert Francis Prevost zum neuen Papst ist in vielerlei Hinsicht ein historisches Ereignis. Nicht nur, weil damit zum ersten Mal ein US-Amerikaner zum Nachfolger Petri bestimmt wurde, sondern weil schon sein allererstes Auftreten auf der Benediktionsloggia des Petersdoms einige zentrale Motive seines Denkens erkennen lässt. Drei Aspekte seien dazu kurz benannt:

Erstens die Sorge um den Frieden: Indem die ersten Worte des Papstes den Friedensgruß des auferstandenen Christus zitieren, wird deutlich, welche immense Bedeutung er dem Frieden beimisst. In einer von zahllosen Kriegen erschütterten Welt und einer von zunehmenden Polarisierungen gebeutelten Kirche ist nichts so wichtig wie die Wahrung und Wiederherstellung von äußerem und innerem Frieden. Auch gut gemeinte, aber unprofessionell durchgeführte Reformvorhaben, die – wie der sogenannte Synodale Weg in Deutschland – erkennbar nicht die Einheit fördern, sondern die Spannungen verschärfen, erweisen sich vor dem Anspruch dieser Friedensbotschaft als Sackgasse.

Eigene kirchliche Versäumnisse werden deutlich sichtbar

Da Realismus bekanntlich die erste Tugend des Glaubens ist, wäre zu wünschen, dass sich die kirchlich Verantwortlichen bei uns endlich in der gebotenen Nüchternheit mit den tatsächlichen pastoralen Herausforderungen auseinandersetzen.

Zweitens der missionarische Charakter des Christentums. Dieses auch von Papst Franziskus immer wieder betonte Grundmotiv dürfte dem neuen Papst schon aus zwei biografischen Gründen besonders am Herzen liegen: Zum einen wegen seiner amerikanischen Prägung und zum anderen wegen seiner konkreten Erfahrungen als Seelsorger in Peru. Anders als in Deutschland, wo die Kirchen im Schatten eines weltweit einmaligen Kirchensteuersystems beinahe jeden missionarischen Impetus eingebüßt und seit Jahrzehnten ihre religiösen Kernaufgaben der Glaubensweitergabe aufs Sträflichste vernachlässigt haben, ist im amerikanischen Katholizismus das Bewusstsein dafür lebendig geblieben, dass die Kirche in einem ebenso kompetitiven wie pluralen kulturellen Umfeld ein klares Profil ausprägen muss, um überhaupt erkennbar zu sein.

Vergleicht man vor diesem Hintergrund den disparaten Zustand der katholischen Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in Deutschland und den USA wird sofort deutlich, welche Versäumnisse in diesen wichtigen Segmenten kirchlichen Lebens in unserem Land durch kirchliches Leitungsversagen zu beklagen sind. Da Realismus bekanntlich die erste Tugend des Glaubens ist, wäre zu wünschen, dass sich die kirchlich Verantwortlichen bei uns endlich in der gebotenen Nüchternheit mit den tatsächlichen pastoralen Herausforderungen auseinandersetzen, statt sich weiterhin mit selbstreferentiellen Strukturdebatten zu beschäftigen, von denen erkennbar keinerlei missionarische Impulse zu erwarten sind.

Zum politischen Anspruch des Glaubens

Da die Kirche keine beliebige NGO ist, sollte sie auch der Versuchung widerstehen, sich durch Anbiederung an politische Aktivisten verschiedener Couleur selbst zu verzwergen.

Drittens der politische Anspruch des christlichen Glaubens: Indem der neue Papst den Namen Leo XIV. gewählt hat, weckt er bewusst Erinnerungen an Vincenzo Gioacchino Pecci, der als Leo XIII. 1891 mit Rerum Novarum die erste Sozialenzyklika verfasst hat. Soll der religiöse Glaube nicht seiner gestaltenden Kraft für das Leben beraubt werden, dann muss er auch Auswirkungen für den politischen Bereich haben. Gerade in den USA lässt sich seit langem mustergültig beobachten, wie präsent religiöse Vorstellungen dort im öffentlichen Raum sind, auch wenn die Vielfalt und die Art der medialen Inszenierung mancher Gehalte aus europäischer Perspektive nicht selten befremdlich erscheinen. Wenn gegenwärtig in Deutschland wieder kontrovers darüber diskutiert wird, ob sich die Kirchen in politische Debatten einmischen sollen oder nicht, dann sind freilich zwei Phänomene sorgfältig voneinander zu unterscheiden:

Erstens der gebotene Einsatz für grundlegende Orientierungen im Sinne des Gemeinwohls und zweitens das unzulässige Verstärken partikularistischer Einzelinteressen, die nicht selten ideologischer Natur sind. Da die Kirche keine beliebige NGO ist, sollte sie auch der Versuchung widerstehen, sich durch Anbiederung an politische Aktivisten verschiedener Couleur selbst zu verzwergen. Vielmehr hätte eine zeitgemäße sozialethische Reflexion in einer von extremen Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten geprägten globalen Welt nicht nur die Mindestvoraussetzungen einer gedeihlichen umfassenden Entwicklung des Menschen zu formulieren, sondern auch einen Beitrag zu interkulturellen Verständigungsprozessen über die großen Zukunftsfragen zu leisten, die wir als Weltgemeinschaft nur gemeinsam beantworten können.

Dazu gehört zum einen ein unideologischer Umgang mit marktwirtschaftlichen Prozessen, für die vor allem Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus wertvolle Anregungen gegeben hat, die bedauerlicherweise von Papst Franziskus aber weder aufgegriffen noch weitergeführt worden sind. Dazu gehört zum anderen aber auch die Bereitschaft des kirchlichen Lehramtes, profunde neue Orientierungen für solche Herausforderungen zu erarbeiten, für die bislang im Raum der Kirche noch keine zureichenden Lösungsmodelle vorhanden sind – z.B. für Fragen einer wirklich geschlechtergerechten Gestaltung der Arbeitswelt, eines intergenerationell gerechten Umgangs mit der Umwelt, einer differenzierten Analyse der unterschiedlichen Formen von Migration oder einer angemessenen Bewältigung digitaler Transformationsprozesse.

Kurzum: Es gibt viele gute Gründe, weshalb Katholiken aus Deutschland freudig gespannt auf den ersten amerikanischen Papst sein dürfen und ihn angesichts der enormen Herausforderungen unbedingt in ihr fürbittendes Gebet einschließen sollten.

Kein leichtes Erbe

Der neue Papst tritt kein leichtes Erbe an. Viele ungelöste Probleme aus der Vergangenheit reichen in sein Pontifikat herüber – zuvorderst die Missbrauchs-Krise, für deren Aufarbeitung er allerdings im professionellen Vorgehen der amerikanischen Bischofskonferenz ein geeignetes Role-Modell besitzt, das mutatis mutandis auch in anderen Teilkirchen übernommen werden sollte. Verglichen mit dem selbstzerstörerischen Ansatz der deutschen Bischöfe, die sich trotz der desaströsen Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre noch immer nicht zu einer zentralen unabhängigen Aufarbeitung bischöflichen Versagens durchringen konnten, wäre dies zweifellos ein Segen für andere Weltregionen.

Kurzum: Es gibt viele gute Gründe, weshalb Katholiken aus Deutschland freudig gespannt auf den ersten amerikanischen Papst sein dürfen und ihn angesichts der enormen Herausforderungen unbedingt in ihr fürbittendes Gebet einschließen sollten.

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