Soeben ist die "Lehrmäßige Note zu einigen marianischen Titeln, die sich auf das Mitwirken Marias am Heilsweg beziehen", erschienen. Der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Kardinal Victor Fernández, hat das Dokument unterzeichnet. Papst Leo XIV. hat es approbiert. Es widmet sich der Frage, wie die Balance zwischen der einzigartigen Mittlerschaft Christi und dem Mitwirken Mariens am Heilswerk gewahrt werden kann. Und es weist maximalistische Vorstellungen zurück, die Maria in der Heilsgeschichte eine Bedeutung zuschreiben, welche die Stellung Christi antastet oder relativiert.
Maria ist keine Göttin
Das ist aus ökumenischen Gründen wichtig. Von protestantischer Seite wird immer wieder der Verdacht geäußert, die katholische Kirche würde Maria eine Stellung zuschreiben, die das Bekenntnis zur einzigen Mittlerschaft Jesu Christi antastet oder gefährdet (vgl. 1 Tim 2,4f.; Joh 14,6; Apg 4,12). Klar ist, dass ohne das Ja Mariens der Erlöser nicht hätte geboren werden können. Insofern ist auch klar, dass Maria eine "privilegierte Zeugin" und "erste Jüngerin" ist, wie das Dokument sagt. Sie hat nicht nur Empfängnis und Geburt Jesu vollzogen, sondern auch das Leben, die Verkündigung miterlebt und die Passion mit durchlitten. Ja, sie hat unter dem Kreuz ausgeharrt und ist nicht, wie die meisten Jünger, feige geflohen. Das würdigt das Dokument in Anlehnung an einschlägige biblische Zeugnisse.
Zugleich wird klargestellt, dass Maria eben nicht als "Erlöserin" oder gar Göttin hochstilisiert werden kann. Es gab im Mittelalter problematische Frömmigkeitspraktiken, die sich, um der Strenge des gerechten Richters auszuweichen, kompensatorisch an die barmherzige Gottesmutter gewandt haben. Eine solche Konkurrenzvorstellung ist theologisch problematisch, ja abwegig, denn sie läuft auf eine Idolatrie Mariens hinaus. Das römische Dokument schärft zu Recht den Primat der Christologie vor der Mariologie ein. Maria ist, was sie ist, von Christus her und auf ihn hin. Sehr schön wird Dante zitiert, der in seiner Divina Commedia von Maria gesagt hat, sie sei nicht nur die Mutter, sondern auch die "Tochter des Sohnes".
Was den in der mariologischen Tradition durchaus verwendetet Titel "Miterlöserin – coredemptrix" anlangt, so wird dieser unter Rekurs auf das Zweite Vatikanische Konzil und Aussagen von Kardinal Joseph Ratzinger klar abgelehnt. "Der Erlöser ist einer allein. Und dieser Titel verdoppelt sich nicht" (Papst Franziskus). Und an einer anderen Stelle wird gesagt: "Maria wird nicht neben Christus verehrt. Vielmehr ist sie durch die Menschwerdung Teil des Geheimnisses Christi."
Der zweite Titel "Mittlerin – mediatrix" wird unter bestimmten Voraussetzungen als theologisch legitim betrachtet, nämlich dann, wenn klar ist, dass Maria Mittlerin zum Mittler und ihre Mitwirkung der Mittlerschaft Christi untergeordnet ist. "Teilnehmende Mittlerschaft" und "mütterliche Fürsprache" Mariens ja, aber eine Konkurrenz oder gar Ergänzung zur einzigen Mittlerschaft Jesu Christi, nein! Das ist gerade im Blick auf das ökumenische Gespräch mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen ein wichtiges Signal.
Man hätte stärker herausstreichen können, dass das Bekenntnis zur jungfräulichen Mutterschaft Mariens eine doppelte Provokation enthält.
Das römische Dokument spricht auch von "Maria von Nazareth". Dadurch wird das galiläische Lokalkolorit des Lebens und Wirkens angedeutet, das in der Geschichte der Kirche nur allzu oft abgeblendet wurde. Dass Maria dem "semantischen Universum Israels" entstammt, dass sie die Psalmen gebetet und die Tora gekannt hat, dass die virgo israelitica (Augustinus) die liturgischen Feste Israels gefeiert und so ihren Sohn entsprechend sozialisiert hat, das hätte man noch etwas stärker unterstreichen können. Soeben ist des 60-Jahr-Jubiläums von Nostra Aetate gedacht worden, das Dokument, das die wurzelhafte Verbindung der Kirche zu Israel hervorhebt. Hier hätte man über Mariens Empfängnis und Geburt hinaus durchaus erwähnen können, dass Jesus am achten Tag beschnitten worden ist. Die Beschneidung ist das Bundeszeichen Israels, die Schnittstelle zwischen Altem und Neuem Bund.
Schließlich hätte man stärker herausstreichen können, dass das Bekenntnis zur jungfräulichen Mutterschaft Mariens eine doppelte Provokation enthält. Erstens den skandalösen Realismus, dass Gott in der Geschichte durch die jungfräuliche Geburt einen heilsgeschichtlichen Neuanfang gesetzt hat. Zweitens die mit der Mutterschaft verbundene Provokation der Inkarnation des göttlichen Wortes. Diese richtete sich damals gegen doketische Vorstellungen, die Jesus nur einen Scheinleib zugesprochen haben, als sei die Menschwerdung nur simuliert. Heute richtet sie sich gegen technognostische Strömungen, die die leibliche Konstitution des Menschen abwerten, wenn sie eine Unsterblichkeit als digitales oder sonstwie technisch erzeugtes Double verheißen. Die Geburt des Erlösers durch Maria aber erinnert daran, dass die christliche Erlösungshoffnung die leibliche Dimension des Menschseins einschließt. Caro cardo salutis. Das Fleisch ist der Schlüssel des Heils.