Was hält eine Gemeinschaft zusammen, wenn ihre alten Bindekräfte schwinden? Ein Bild aus Rom – Papst Leo XIV., König Charles III. und der anglikanische Erzbischof von York im gemeinsamen Gebet – führt vor Augen, dass personale Repräsentation mehr ist als bloßes Zeremoniell. Politische und kirchliche Ordnungen stehen heute vor der Herausforderung, Einheit herzustellen, ohne sie noch autoritär erzwingen zu können.
Identität und Repräsentation
Während der krisengeschüttelten Weimarer Jahre hat der Staatsrechtler Carl Schmitt in seiner "Verfassungslehre" (1928) prinzipielle Überlegungen über das Problem der politischen Einheit angestellt. Jede politische Einheit bewegt sich demnach im Spannungsfeld von "Identität" und "Repräsentation". In der Spur Rousseaus erwog Schmitt, dass es eine natürliche Identität einer Gruppe von Menschen geben könne, die diese zu einem Volk mache. Ein Volk, so Schmitt, könne "in seiner unmittelbaren Gegebenheit – kraft einer starken und bewussten Gleichartigkeit, infolge fester natürlicher Grenzen oder aus irgendwelchen anderen Gründen – politisch aktionsfähig sein."
Der Repräsentant der politischen Einheit bildet eine bereits vorhandene Einheit nicht einfach ab, sondern erzeugt sie in gewisser Hinsicht erst.
Allzu weit reichen solche natürlichen Einheitsbande Schmitt zufolge aber nicht. Jedes Volk stehe nämlich zugleich vor der grundlegenden Schwierigkeit, dass es "als solches niemals in realer Identität anwesend sein kann und daher immer durch Menschen persönlich repräsentiert werden muss". In aphoristischer Zuspitzung konnte er zugleich sagen: "Die Repräsentation bewirkt erst die Einheit". Der Repräsentant der politischen Einheit bildet also eine bereits vorhandene Einheit nicht einfach ab, sondern erzeugt sie in gewisser Hinsicht erst.
Über die Art der Erzeugung von politischer Einheit hatte Schmitt durchgehend autoritäre Vorstellungen. Er, der früh von der Diktatur als Herrschaftsform fasziniert war, verstand die Moderne als ein Zeitalter der radikalen Fragmentierung des Politischen, der mit den organischen Identitätskonzepten des 19. Jahrhunderts nicht mehr beizukommen war. Was Schmitt zu beobachten meinte, war eine Masse atomisierter Einzelner, der nur ein "Repräsentant" eine politische Form geben konnte, indem er durch autokratische Entscheidungen und mit propagandistischen Mitteln an der Homogenität des akklamierenden Volkskörpers arbeitete.
"Bescheidenere" Formen personaler Repräsentation
Was der nach 1933 politisch tief verstrickte Staatsrechtler nicht sehen konnte oder sehen wollte, waren gemäßigte Formen personaler Repräsentation, die entweder von einem höheren Maße bereits vorhandener und nicht erst zu erzeugender Einheit ausgehen oder die auf ein bescheideneres Maß von Einheit abzielen, indem sie diese als Prozess und nur näherungsweise zu erreichendes Ziel, ja im äußersten Fall als bloß symbolisch, verstehen. Schmitt wusste um solche gemäßigten Formen personaler Repräsentation durchaus, hatte aber bereits in seiner Schrift "Politische Romantik" (1919) nur Spott für sie übrig. Sie prägten die Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts und sind, anders als es in der Weimarer Zeit scheinen mochte, nicht untergegangen, sondern bestimmen bis heute die Verfassungswirklichkeit vieler Staaten, die aus der liberalen Nachkriegsordnung hervorgegangen sind.
Römischer Katholizismus und politische Form
Man muss weder Schmitts Sicht auf die Moderne als politischen Zerfallsraum noch seine Präferenz für autoritäre Lösungen teilen, um von seinen Überlegungen zum Zusammenhang von Repräsentation und politischer Einheit etwas zu lernen. Hinzukommt, dass Schmitt, dessen Katholizismus zeitlebens spannungsvoll blieb, selbst eine Spur gelegt hat, um diese Überlegungen auch auf die christliche Kirche zu übertragen.
Er befasste sich zwar nicht mit kirchenrechtlichen und ekklesiologischen Fragen im engeren Sinne. Doch hat er das Prinzip der Repräsentation in seiner Schrift "Römischer Katholizismus und politische Form" (1923) näher beleuchtet.
Auch in der Kirche ist Repräsentation auf das Problem der Einheit bezogen.
Aus theologischer Sicht muss man ihm seine Reduktion der römisch-katholischen Ekklesiologie auf ein politisches Formprinzip zum Vorwurf machen. Zwar hat Schmitt bemerkt, dass das Papstamt nicht nur die Einheit der Kirche repräsentiert, sondern auch Christus, es also anders als in der säkularen politischen Ordnung ein doppeltes Repräsentationsverhältnis gibt. Was Christus-Repräsentation inhaltlich bedeuten könnte, hat ihn jedoch nicht gekümmert. So fatal dies ist, so richtig bleibt es, dass Repräsentation auch in der Kirche auf das Problem der Einheit bezogen ist. Dabei sind freilich an die Einheit im Glauben unterschiedliche Anforderungen zu stellen als an die Einheit eines Staates.
Zu Betrachtungen über die Möglichkeiten und Grenzen personaler Repräsentation lädt eine Begegnung ein, die sich kürzlich in Rom zugetragen hat. König Charles III., Monarch der Vereinigten Königreichs, kam zu einem Staatsbesuch in den Vatikan. Bildmächtiger Höhepunkt der Begegnung war ein Gebet, bei dem drei Repräsentanten im Altarraum der Sixtinischen Kapelle Platz nahmen. Nebeneinander zu sehen waren Stephen Cottrell, der anglikanische Erzbischof von York, und Papst Leo XIV; etwas abseits von den beiden Vorstehern des Gebetsgottesdienstes saß der König. Bei näherem Hinsehen war damit ein ganzes Tableau personaler Repräsentationsbeziehungen aufgerufen.
Der britische König ist geradezu der Modellfall für die personale Repräsentation einer politischen Einheit, die weder in erster Linie auf der "natürlichen" Identität des Volkes, noch auf Durchgriffsrechten des Repräsentanten beruht.
Anwesend waren zunächst zwei Staatsoberhäupter. Lässt man den Sonderfall des Papstes als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates beiseite, war mit König Charles ein Monarch zugegen, der weiterhin als Staatsoberhaupt vieler im "Commonwealth of Nations" lose verbundener Staaten fungiert, die aus dem ehemaligen britischen Kolonialreich hervorgegangen sind. Als Monarch der Vereinigten Königreiches verkörpert der britische König zudem wie kein anderes gekröntes Haupt die Geschichte einer Parlamentarisierung der Monarchie. Mit Schmitt gesprochen: Der britische König ist geradezu der Modellfall für die personale Repräsentation einer politischen Einheit, die weder in erster Linie auf der "natürlichen" Identität des Volkes, noch auf Durchgriffsrechten des Repräsentanten beruht.
Die Verkörperung des Staates
Die britische Verfassungsgeschichte ist vielmehr ein Beispiel für den fortlaufenden Rückzug der königlichen Gewalt aus Gesetzgebung und Regierung. Mit dem Komplex der modernen Politikmaschinerie ist der König lediglich noch durch formale Bestätigungsrechte sowie durch ein üppiges Zeremoniell verknüpft, wie es in der feierlichen Parlamentseröffnung durch den Monarchen zum Ausdruck kommt. Hier wird der "King-in-Parliament" als Repräsentant des Staates sichtbar.
Zu denken ist aber auch an Zeremonien wie das Staatsbegräbnis für Elisabeth II. im Jahr 2022. Das royale Trauerritual konnte hier eine bemerkenswerte Integrationskraft entfalten. Eine Erbmonarchie ermöglicht eine besondere Form personaler Repräsentation, indem sie die gesamte Lebensspanne eines Menschen und das seiner Familie als existenzielle Identifikationsfläche anbietet. Das Geschlecht des Monarchen spielt dabei übrigens keine entscheidende Rolle. Zwar bevorzugen Erb- und Adelsrecht Männer teilweise bis heute. Aber der biologische Körper des Königs musste schon während des ersten elisabethanischen Zeitalters kein männlicher sein, um den Staat zu verkörpern.
Der Monarch als weltliches Kirchenoberhaupt
Bei dem Gottesdienst in der Sixtina war der britische Monarch jedoch nicht nur als Staatsoberhaupt, sondern auch als weltliches Oberhaupt der Church of England (Supreme Governor of the Church of England) zugegen. Die Geschichte dieser Kirche lässt sich über weite Strecken als eine Suche nach einem adäquaten Ersatz für die Autorität des römischen Papstes erzählen. Zeitweise gingen die Vorrechte des Monarchen in der Kirche so weit, dass für den Klerus nur noch die Predigt und die Spendung der Sakramente übrigblieb. Durch die Wirren der englischen Reformation ist die englische Kirche jedoch als bischöflich verfasste Kirche erhalten geblieben und hat sich im Zuge ihrer globalen Verbreitung weiter als solche profiliert. Als Episcopal Church tritt ihr US-amerikanischer Arm bis heute auf; das für die Anglikanische Gemeinschaft identitätstiftende Lambeth Quadrilateral zählt den "historischen Episkopat" zu einem der vier Identitätsmarker der Weltgemeinschaft.
Der Bischof in der anglikanischen Kirche
Dem Bischof kommen in seiner Diözese liturgisch und exekutiv höchste Rechte zu. Auf der Ebene der Kirchenprovinz ist die bischöfliche Gewalt in eine übergeordnete Leitungsstruktur eingebunden. Im Falle der Church of England trägt diese weiterhin Züge einer vom Monarchen geleiteten Staatskirche, wobei der König seine Ernennungs- und Bestätigungsrechte in der Regel durch von Parlament und Regierung eingesetzte Gremien wahrnimmt. Seit 1970 verfügt die Church of England überdies über eine Generalsynode, die in doktrinären und kirchenrechtlichen Fragen die höchste kirchliche Instanz darstellt. Diese Synode entscheidet mit Zwei-Drittel-Mehrheit in jeder der drei synodalen Kammern. Neben Laien und Klerus bilden die Bischöfe eine dieser Kammern und haben so eine Art Sperrminorität in Fragen der Lehre und Rechtssetzung inne.
Personale Repräsentation geschieht also auf Ebene der Diözese durch den Bischof, auf der Ebene der Kirchenprovinz außer durch den König auch durch das Kollegialorgan der Synode, das wiederum von den beiden ranghöchsten Bischöfen, den Erzbischöfen von Canterbury und York geleitet wird. Während des Gebetes in der Sixtina wurde die Church of England aufgrund der Vakanz des Bischofsstuhls von Canterbury durch den Erzbischof von York vertreten. Die beiden Erzbischöfe verfügen im staatskirchlichen Gefüge des Vereinigten Königreiches über einige Rechte und kirchenpolitischen Einfluss. Ihre primatiale Stellung ist jedoch überwiegend zeremonieller Natur. Mit Schmitt gesprochen: ihre Möglichkeit Einheit herzustellen, statt sie bloß symbolisch darzustellen, ist begrenzt.
Auch wenn das Gebet in der Sixtinischen Kapelle als Begegnung des Papstes mit den Spitzen der Church of England, nicht der Anglikanischen Weltgemeinschaft, konzipiert war, stand doch die Frage im Raum, wie es derzeit mit der Einheit dieser Gemeinschaft und ihrer Repräsentation bestellt ist.
Dies gilt umso mehr für die Anglikanische Weltgemeinschaft. Diese ist wie das Commonwealth aus dem britischen Kolonialreich hervorgegangen. Schon in den 1860er Jahren zeichnete sich am Fall des südafrikanischen Kolonialbischofs John Colenso (1814–1883) ab, dass die königlichen Befugnisse in den anglikanischen Kirchen außerhalb Englands keine Geltung beanspruchen konnten. Das galt erst recht, nachdem das Kolonialreich zerfallen und die britische Krone in den neu entstandenen Staaten keine Rechte mehr besaß. Die sich allmählich als Rechtskörperschaft herausbildende Anglikanische Weltgemeinschaft (Anglican Communion) fand schließlich zu vier sogenannten "Instruments of Communion". Neben drei Kollegialorganen, das bekannteste ist die sogenannte Lambeth-Konferenz, gehört dazu als Ehrenoberhaupt der ganzen Gemeinschaft der Erzbischof von Canterbury, der zugleich das historische Band zur englischen Mutterkirche bildet.
Sarah Mullaly wird Erzbischöfin von Canterbury
Auch wenn das Gebet in der Sixtinischen Kapelle bereits während des Pontifikates von Papst Franziskus geplant worden ist und es als Begegnung des Papstes mit den Spitzen der Church of England, nicht der Anglikanischen Weltgemeinschaft, konzipiert war, stand doch die Frage im Raum, wie es derzeit mit der Einheit dieser Gemeinschaft und ihrer Repräsentation bestellt ist.
Denn am 3. Oktober 2025 war – nach einem langwierigen staatskirchlich verwickelten Prozess – bekannt gemacht geworden, dass mit der derzeitigen Bischöfin von London, Sarah Mullaly, erstmals eine Frau Erzbischöfin von Canterbury werden soll.
Keine zwei Wochen später, am 16. Oktober, gab die Global Anglican Future Conference (GAFCON) eine Erklärung ab. Unter diesem Akronym hatten sich anglikanischen Kirchen 2008 zunächst zu einer Konferenz in Jerusalem getroffen und sich in der Folge dauerhaft organisiert. Zu den Mitgliedskirchen, die überwiegend aus der Südhalbkugel stammen, gehören Kirchen, die Mitglied der Anglikanischen Weltgemeinschaft sind und solche, die es nicht (mehr) sind.
In der nun veröffentlichten Erklärung hielt die Gruppe fest, dass sie die anglikanischen "Instruments of Communion", darunter die Autorität des Erzbischofs von Canterbury, nicht länger anerkenne.
Mitgliedskirchen von GAFCON werden in der Erklärung aufgefordert, nicht mehr an Gremien teilzunehmen, zu welchen der Erzbischof von Canterbury einlädt. Am Schluss der Erklärung wird angekündigt, dass GAFCON ein eigenes "Council of Primates" bilden werde, um aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu wählen.
Dieser Vorgang wirft viele Fragen mit Blick auf die Zukunft der Anglikanischen Weltgemeinschaft auf. Es bleibt abzuwarten, ob die GAFCON-Mitgliedskirchen tatsächlich allen Gremien der Gemeinschaft fernbleiben werden oder ob weitere Ortskirchen GAFCON beitreten. Auffällig ist der Anspruch des Forums, die ganze anglikanische Gemeinschaft zu vertreten. Sie selbst gibt an, 85 Prozent der praktizierenden anglikanischen Christen weltweit zu repräsentieren. Unabhängige Studien gehen immerhin von etwa 50 Prozent der getauften Anglikaner aus. Das jüngste Communiqué ist im Ton kompromisslos: "Today, Gafcon is leading the Global Anglican Communion", heißt es dort. Man selbst habe die anglikanische Gemeinschaft nicht verlassen: "We are the Anglican Communion".
Wie viel Einheit in der Lehre ist nötig?
Wie immer das Verhältnis der Anglikanischen Weltgemeinschaft unter der Führung der neuen Erzbischöfin von Canterbury zu GAFCON mit ihrem noch zu wählenden Oberhaupt genau aussehen wird – es zeichnet sich Folgendes ab: Einerseits wird das neue GAFCON-Oberhaupt nicht über mehr rechtliche Befugnisse verfügen als der Erzbischof von Canterbury in der Anglikanischen Weltgemeinschaft. Ausdrücklich spricht die Erklärung von einem Metropoliten, der als primus inter pares fungieren soll. Es ist nicht in Sicht, dass sich unter den GAFCON-Kirchen die Grundstruktur der anglikanischen Kirchenverfassung ändert.
Es ist bekannt, dass vor allem die Fragen nach dem Umgang mit Homosexualität und der Ordination von Frauen die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten belasten. Man geht nicht zu weit, wenn man die Gründung von GAFCON als ein Ergebnis dieser Spannungen ansieht.
Andererseits fällt auf, dass die GAFCON-Kirchen stärker auf der doktrinären Einheit ihrer Kirchengemeinschaft beharren als die Anglikanische Weltgemeinschaft. Mitgliedskirchen von GAFCON müssen sich auf die Jerusalemer Erklärung von 2008 verpflichten, die eine Reihe von Standards für die lehrmäßige Einheit der Kirche festhält. Dazu zählen die Autorität der Bibel "in its plain and canonical sense", die vier ökumenischen Konzilien, die 39 Artikel sowie das Book of Common Prayer von 1662. Eigens hervorgehoben wird zudem die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau als Ort sexueller Intimität, außerhalb dessen enthaltsam zu leben sei.
Es ist bekannt, dass vor allem die Fragen nach dem Umgang mit Homosexualität und der Ordination von Frauen die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten belasten. Man geht nicht zu weit, wenn man die Gründung von GAFCON als ein Ergebnis dieser Spannungen ansieht. Während die GAFCON-Kirchen in der Ablehnung praktizierter Homosexualität übereinstimmen, haben sie jedoch mit Blick auf die Frauenordination keine völlig einheitliche Position. Die Jerusalemer Erklärung bekennt sich lediglich zur überkommenen dreigliedrigen Ämterordnung in "historischer Sukzession". Es gibt GAFCON-Kirchen, die einen Diakonat der Frau kennen. Aus einer Erklärung, die GAFCON unmittelbar nach der Bekanntgabe des Namens der neuen Erzbischöfin von Canterbury abgegeben hat, geht aber hervor, dass sie für einen rein männlichen Episkopat optieren.
Gegenüber der bisherigen Anglikanischen Weltgemeinschaft setzt GAFCON mithin auf ein höheres Maß doktrinärer Einheitlichkeit. Wo dort hinsichtlich Sexualethik und Amtsfrage mehrere Wege nebeneinander bestehen können sollen, wird hier stärker auf eine – restriktive – Einheit gesetzt. Der personale Repräsentant dieser doktrinären Einheit ist aber weiterhin nicht mit rechtlichen Kompetenzen ausgestattet, eine solche Einheit durchzusetzen. Sein repräsentativer Dienst bleibt auf informelle Mittel angewiesen oder bloß symbolisch. Im Unterschied zur politischen Sphäre der britischen Monarchie muss das personale Symbol der Einheit für die GAFCON-Kirchen allerdings ein männlicher Amtsträger sein.
Mit Blick auf die Rechtsordnung der katholischen Kirchen ist der römische Pontifex weiterhin ein Repräsentant, der die Einheit der Kirche nicht nur darstellen, sondern in hohem Maße auch herstellen kann.
Papst Leo XIV. mag das jüngste Treffen mit den Repräsentanten der Church of England zum Anlass genommen haben, auch über seinen Dienst an der Einheit der katholischen Kirche nachzudenken. Anders als die Repräsentanten der anglikanischen Kirche verfügt er de iure über sehr robuste Möglichkeiten, die Einheit der kirchlichen Lehre zu sichern. Mit Blick auf die Rechtsordnung der katholischen Kirchen ist der römische Pontifex weiterhin ein Repräsentant, der die Einheit der Kirche nicht nur darstellen, sondern in hohem Maße auch herstellen kann. Es gibt manche, die angesichts der zentrifugalen Tendenzen, die die Anglikanische Gemeinschaft ergriffen haben, mit Genugtuung auf den päpstlichen Primat blicken.
Auch das Papstamt stößt an seine Grenzen
Nicht zu bestreiten ist, dass die katholische Kirche mit dem Papstamt ihrerseits über ein äußerst kraftvolles instrument of communion verfügt. Allerdings kennt auch die katholische Kirche seit Jahrzehnten offenen Streit um die Sexualethik und den Ausschluss der Frauenordination – vor allem, aber nicht nur in den westlichen Gesellschaften. De facto stößt die päpstliche Lehrvollmacht hier an Grenzen. Schon lange geht es nicht mehr um Positionen, die nur von einzelnen Theologen vorgetragen werden, sondern um einen weitreichenden Plausibilitätsverlust, dem durch das Einschärfen der normativen Geltung bestimmter Lehren nicht beizukommen ist.
Synodalität ist ein Versuch, die Einheit als Prozess zu denken und unter Beteiligung vieler herzustellen – allerdings gemeinsam und im Einklang mit den amtlichen Einheitsgaranten. Ob und wie genau dies gelingen wird, lässt sich derzeit kaum sagen.
Seit dem Zweiten Vatikanum und zuletzt unter dem Schlagwort der Synodalität sucht die katholische Kirche daher nach anderen Modi der Sicherung kirchlicher Einheit. Synodalität ist nicht zuletzt Ausdruck eines Verzichts auf die autoritäre Herstellung der Einheit der Kirche durch ihr römisches Oberhaupt. Es ist ein Versuch, diese Einheit als Prozess zu denken und unter Beteiligung vieler herzustellen – allerdings gemeinsam und im Einklang mit den amtlichen Einheitsgaranten. Ob und wie genau dies gelingen wird, lässt sich derzeit kaum sagen. In der Suche nach einer nicht-autoritären Form der Herstellung kirchlicher Einheit kommt jedoch die zentrale Einsicht zum Ausdruck, dass der Glaube als persönlich übernommener mit den Mitteln äußeren Zwangs nicht erzeugt werden kann. In der Unverfügbarkeit des persönlichen Glaubens findet jede Form von Macht in der Kirche ihre Grenze.
Papst und Ökumene
Liegt in einem synodal verfassten Katholizismus mit dem Papst an der Spitze auch die Zukunft personaler Repräsentation in der christlichen Ökumene? Das vom römischen Einheitsdikasterium im vergangenen Jahr veröffentlichte Dokument "Der Bischof von Rom" hat einen Impuls gesetzt, der in diese Richtung weist. Das ökumenische Echo auf dieses Dokument ist durchaus positiv. Doch auch hier scheint der Kairos für konkrete Schritte derzeit nicht da zu sein. Aus manchen protestantischen Kirchen ist etwa zu hören, dass man den Dienst des Papstes an der Einheit des Christentums zwar wertschätzen, nicht aber akzeptieren könne, dass dieser nur von einem Mann wahrgenommen werden kann. Auch hier liegen Chancen und Grenzen personaler Repräsentation offenbar eng beieinander.