Kommen wir alle in den Himmel?Dieser Papst könnte Sie verunsichern

Während viele Katholiken nur noch diffuse Vorstellungen vom Jenseits haben, erinnert der neue Papst an eine unbequeme Lehre: Erlösung ist kein Selbstläufer.

Freundliches Gesicht, ernste Botschaft: Papst Leo XIV. beim Mittagsgebet am 24. August 2025 am Fenster des Apostolischen Palastes.
Freundliches Gesicht, ernste Botschaft: Papst Leo XIV. beim Mittagsgebet am 24. August 2025 am Fenster des Apostolischen Palastes.© Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

Noch vor wenigen Jahrzehnten hatten Katholiken eine genaue Landkarte vom Jenseits im Kopf: Himmel – Hölle – Fegefeuer. Predigten, Lieder, Gebete, Andachten und die Liturgie setzten diese Landkarte voraus und riefen sie immer wieder in Erinnerung. Doch seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts sind die Vorstellungen von den jenseitigen Gefilden unter Katholiken diffus geworden. Drastische Höllenpredigten sind aus dem Repertoire der Geistlichen verschwunden. In den Gebetbüchern stehen keine Andachten für die "Armen Seelen" mehr. Und in der Theologie hegt man starke Sympathien für die Lehre von der "Allversöhnung".

Die 2023 verstorbene Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff hat gegen diese Tendenz vehementen Einspruch erhoben. 2016 sagte sie in einem COMMUNIO-Interview:

"Die moderne religiöse Auffassung – zumindest in den uns nahestehenden Lebenswelten – neigt dazu, die Strafe nach dem Tod gar nicht mehr ins Visier zu nehmen. Mich empört das. Für mich sind das Auswüchse einer Weichspül- und Wohlfühltheologie, die mich bis ins Mark hinein graust. Plappernder Kinderkram, nichts weiter. Dabei ist eine Kippfigur im Spiel. In früheren Jahrhunderten hat man die Höllenhaftigkeit des Diesseits und Jenseits stark betont. Sadistische Exzesse inbegriffen, die gottlob im Lauf der Zeit zurückgedrängt wurden. Doch allmählich hat sich das einst lodernd imaginierte Straftheater in sein Gegenteil verkehrt. Nunmehr wattiges Ungefähr der Erlösung für alle. Dass es für ein Leben nach dem Tod Konsequenzen haben muss, wie man lebt und was man anderen Menschen antut, oder umgekehrt, wie man sie behütet, von dieser Vorstellung weiche ich keinen Millimeter ab."

Die Vorstellung, dass "Menschenschlächter" wie der damalige syrische Diktator Assad "mirnichts dirnichts der Erlösung entgegentrudeln könnten", fand Lewitscharoff "unerträglich".

Papst Franziskus hat sich nicht ausführlich theologisch zu der Frage geäußert, sagte jedoch noch im vergangenen Jahr im italienischen Fernsehen: "Ich stelle mir die Hölle gerne leer vor; ich hoffe, sie ist es."

Nun hat sein Nachfolger Leo XIV. beim Angelus-Gebet am vergangenen Sonntag in Rom andere Töne angeschlagen. Anlass war das Evangelium des Tages, das mit der Vorstellung einer Allversöhnung nur schwer in Einklang zu bringen ist. Auf die Frage: "Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?" antwortet Jesus im Lukasevangelium: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen, hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen."

Leo wich der herben Botschaft des Textes nicht aus und fragte rhetorisch: "Wenn Gott der Vater der Liebe und des Erbarmens ist, der uns immer mit offenen Armen empfängt, warum sagt Jesus dann, dass die Tür zur Erlösung eng ist?"

Nicht die Frage, ob die Frommen auch Hitler, Stalin und Pol Pot "allversöhnt" im Himmel wiedertreffen werden, bewegt also den Papst, sondern ob die Frommen denn selbst so sicher sein können, im Himmel zu landen.

Der Herr, so Leo, wolle uns mit dieser Aussage "nicht entmutigen". Es gehe ihm jedoch darum, "die Vermessenheit derer zu erschüttern, die sich für bereits gerettet halten und die aufgrund ihrer religiösen Praxis das Gefühl haben, dass bei ihnen schon alles in Ordnung ist." Jesus stelle die "Sicherheit der Gläubigen" infrage. Es reiche nicht aus, "den Glauben mit Worten zu bekennen, bei der Feier der Eucharistie mit ihm zu essen und zu trinken oder die christlichen Lehren gut zu kennen." Der Glaube müsse vielmehr "das ganze Leben umfassen", die Gläubigen müssten sich "für das Gute einsetzen" und "aus Liebe etwas riskieren".

Nicht die Frage, ob die Frommen auch Hitler, Stalin und Pol Pot "allversöhnt" im Himmel wiedertreffen werden, bewegt also den Papst, sondern ob die Frommen denn selbst so sicher sein können, im Himmel zu landen.

Die Ansprache mündete jedoch nicht in eine Höllenpredigt, eine sadistische gar, sondern endete mit einer anspruchsvollen, aber auch verheißungsvollen Botschaft:

"Manchmal bedeutet dies, schwierige und unpopuläre Entscheidungen zu treffen, gegen den eigenen Egoismus anzukämpfen und sich für andere einzusetzen, am Guten festzuhalten, wo das Böse zu überwiegen scheint, und so weiter. Aber wenn wir diese Schwelle überschreiten, werden wir entdecken, dass sich das Leben auf neue Weise vor uns öffnet, und schon jetzt werden wir in das weite Herz Gottes und in die Freude des ewigen Festes eintreten, das er für uns bereitet hat."
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