Die Kuh muss vom EisLeo XIV. und das Dauerthema "Alte Messe"

"Es ist kompliziert", resümiert Papst Leo XIV. in seinem viel diskutierten Interview die Debatte um den alten Ritus. Nun sucht er den Dialog. Einer der bisherigen Schauplätze des Zwists ist das kleine südfranzösische Bistum Fréjus-Toulon.

Alte Messe
© Joachim Specht/gemeinfrei/Wikimedia Commons

Jeder Papst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil musste sich der Frage nach der traditionellen Liturgie stellen; jeder von ihnen – Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus – versuchte sich an einer neuen kirchenrechtlichen Regelung der Materie. Vermeintliche Sicherheiten durch Rechtssetzung erscheinen im Rückblick als wankende Planken auf hoher See.

Das vergleichsweise rigorose Agieren von Papst Franziskus in der Frage hat erhebliche Unruhe ausgelöst. Papst Leo XIV. will sich zu Beginn seines Pontifikats der Problematik annehmen. "Es ist sehr kompliziert", sagte der neue Papst im Interview mit dem US-Portal Crux.

Zwar bedauert Papst Leo wie Franziskus eine politische Instrumentalisierung der alten Liturgie, erkennt jedoch auch an, dass manche Gläubige "durch die Feier der tridentinischen Messe eine tiefere Erfahrung im Gebet und die Berührung mit dem Mysterium des Glaubens" suchen. Unvermutet offen stellt er die Frage in den Raum: "Wenn wir die Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils in angemessener Weise feiern, gibt es dann wirklich einen so großen Unterschied zwischen dieser und jener Erfahrung?"

Die von "Traditionis custodes" vorgesehen Mischung aus Umerziehungsprogramm und römischem Mikromanagement ließ auch viele Franziskus-Freunde zusammenzucken.

Der neue Papst scheint einen anderen Kurs einschlagen zu wollen, als sein Vorgänger Franziskus, der 2021 mit "Traditionis custodes" der alten Liturgie de facto den Garaus bereiten wollte – mit begrenztem Erfolg. Die von "Traditionis custodes" vorgesehen Mischung aus Umerziehungsprogramm und römischem Mikromanagement ließ auch viele Franziskus-Freunde zusammenzucken. Wo Benedikt XVI. noch von einer "gegenseitigen Befruchtung" der beiden Messformen träumte, sollte unter Franziskus die "Rückzugsgebiete" des alten Ritus systematisch abgebaut werden – von befristeter Sondergenehmigung zu befristeter Sondergenehmigung, von Restriktion zu Restriktion. Selbst die Veröffentlichungen der Gottesdienstzeiten in Pfarrnachrichten wurde untersagt.

Seit einiger Zeit deutet sich nun ein römischer Klimawechsel an. Im August sagte der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, es wäre "wünschenswert", den Zugang zur sogenannten alten Messe "wieder mehr zu öffnen". Und im September äußerte sich Kardinal Angelo Bagnasco, der ehemalige Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, ähnlich: Wenn die Dinge ruhig und in wohlwollender Haltung aller angegangen würden, werde es keine Probleme geben, sagt er in einem Interview.

Ein südfranzösischer Unruheherd und ein liturgischer Kompromiss

Derweil empfing Leo XIV. Kardinäle und Bischöfe, die mit dem Thema vertraut sind: allen voran den Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz, Kardinal Aveline, die emeritierten Kurienkardinäle Raymond Burke und Robert Sarah – und auch François Touvet, den neuen Bischof von Frejus-Toulon.

Die kleine südfranzösische Diözese war unter ihrem vorherigen Bischof Dominique Rey in den Fokus selbst internationaler katholischer Medien geraten. Nach einer Visitation durch Kardinal Aveline, den Erzbischof des benachbarten Erzbistums Marseille, wurden geplante Priesterweihen auf Eis gelegt, 2023 setzte der Vatikan François Touvet als Koadjutor ein, das ungewöhnlich gut gefüllte Priesterseminar dünnte sich aus. Im Januar 2025 trat Rey schließlich zurück und überließ Touvet die Leitung des Bistums. Ihm seien die "zu breite Aufnahme von Gruppen, Priestern, Berufungen und Gemeinschaften", vor allem aus traditionellen Kreisen, sowie finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen worden, sagte Rey in einem Interview mit "Le Figaro". Er habe jedoch alle Vorwürfe sachlich beantworten können, so Rey.

Für die Societé des Missionnaires de la Miséricorde Divine – einer Gemeinschaft diözesanen Rechts, die sich einer Kombination aus missionarischem Charisma, charismatischer Frömmigkeit und eben der alten Liturgie erfreut – brachte die Krise im Bistum Frejus-Toulon besondere Schwierigkeiten mit sich. Das 20 Jahre alte Institut hat regen Nachwuchs, mittlerweile Niederlassungen in Marseille, Straßburg und Colmar. Und doch können derzeit wegen des "liturgischen Krieges" keine Priester für die Gemeinschaft geweiht werden.

Die Anfang Oktober wieder stattfindende Wallfahrt "Nosto Fe", die von dieser Gemeinschaft betreut wird, entwickelte sich zu einer weiteren Visitenkarte jener Jugendbewegung in Frankreich, die sich nicht auf traditionalistische Stereotypen festnageln lässt, aber auf die traditionelle lateinische Liturgie nicht verzichten will.

Bereits 2024 zog der Gebetszug erstmals mit über 1.000 junge Menschen durch die Lavendelfelder der Provence, sehr zum Missfallen manches Oberhirten der Kirchenprovinz – und offenbar auch des Vatikans unter Papst Franziskus. Dieses Jahr sollen es deutlich mehr Pilger werden – nun jedoch unter der ausdrücklichen Schirmherrschaft des Bischofs von Toulon und mit römischem Segen.

Der Fall zeigt jedoch auch emblematisch, dass die Zeit des Mikromanagements noch nicht vorbei zu sein scheint. Zunächst hatte der Diözesanbischof gewünscht, dass eine Pilgermesse im alten, die andere im neuen Ritus gefeiert wird. Nun gilt eine Kompromissregelung, die von Kurienkardinal Arthur Roche, dem Präfekten des Gottesdienstdikasteriums, persönlich abgesegnet wurde – dem Vernehmen nach per Telefon: Zelebriert wird nicht nach dem letzten vorkonziliaren Messbuch von 1962, sondern nach dem Altarmessbuch von 1965, in das bereits einige der vom Zweiten Vatikanischen Konzils gewünschten Änderungen eingearbeitet worden waren. Kombiniert wird das mit den Lesungen gemäß den modernen liturgischen Büchern und dem heutigen liturgischen Kalender.

Der Papst möchte reden

Es ist offen, wen Papst Leo zitierte, als er berichtet, dass Bischöfe ihm erzählt hätten: "'Wir haben sie zu diesem und jenem eingeladen, aber sie wollen sich das nicht anhören.' Sie wollen nicht einmal darüber reden." – Doch nun möchte der Papst reden. Denn das jüngste Problem mit der Repression des alten Ritus war vermutlich nie die Theologie, sondern die Pastoral: Man versuchte, Gläubige zur neuen Liturgie zu "therapieren", die längst eine geistliche Heimat in einer zwar "alten" Gottesdienstform gefunden hatten, die ihnen als die ihnen angemessene erschien und Heimat wurde.

Dabei sind unter Franziskus theologischen Frontlinien gezogen worden. Die Apostolische Konstitution "Desiderio desideravi" von 2022 sieht in der traditionellen römischen Liturgie heute eine ekklesiologische Inkonsequenz. Die Reform von Paul VI. sei einziger Ausdruck der ekklesiologischen Konzilsvision – wer das Konzil anerkennt, so das Argument, müsse zwingend auch die Liturgiereform Pauls VI. praktizieren.

Nun scheint der liturgische Krieg in eine Art Waffenstillstand zu münden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Problem weder per Ukas noch mit kleinteiligen Regelungen aus der Welt zu schaffen ist.

Doch diese Gleichung geht für manche Katholiken nicht mehr auf. Auch theologische Schüler Benedikts XVI., die dem liturgischen Traditionalismus nicht nahestehen, sahen sich über die darin erkennbare Bruch-Hermeneutik angefragt – das Gegenteil jener Kontinuitätsidee, die Benedikt so hartnäckig verteidigt hatte.

Nun scheint der liturgische Krieg in eine Art Waffenstillstand zu münden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Problem weder per Ukas noch mit kleinteiligen Regelungen aus der Welt zu schaffen ist.

Wie werden die "Traditionalisten" reagieren? Eine Wallfahrt zum Heiligen Jahr wird bald zahlreiche Anhänger des alten Ritus nach Rom führen. Papst Leo XIV. darf wohl mit großer Offenheit rechnen. Zumal er der Gruppe ein Pontifikalamt mit Kardinal Raymond Leo Burke am Kathedra-Altar des Petersdoms ermöglicht hat. Seit fünf Jahren hatte es dafür keine Genehmigung mehr gegeben.

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