Ein Tag zum FeiernChristi Himmelfahrt – kein Ende, sondern ein neuer Anfang

Die Himmelfahrt Christi ist eine Epiphanie: ein Aufscheinen Gottes in der Welt, ein Durchscheinen des Ewigen im Endlichen, ein Erscheinen des Himmlischen im Irdischen.

Hans von Kulmbach (1480–1522): Himmelfahrt Christi (Ausschnitt), Metropolitan Museum of Art
Hans von Kulmbach (1480–1522): Himmelfahrt Christi (Ausschnitt), Metropolitan Museum of Art© gemeinfrei/Wikimedia Commons

Humor hatten sie – die Künstler und Pfarrer und Gemeindevorsteher, die Christi Himmelfahrt in das Bildprogramm ihrer Kirchen aufgenommen haben, vor allem beim Schmuck von Kanzeln: Oben am Bildrand sieht man nur noch die Füße des Herrn, der mit einem Wolken-Fahrstuhl in den Himmel auffährt, und am unteren Bildrand sieht man die Köpfe der Jünger, die nach oben starren, weil sie nicht verstehen, was passiert.

Christi Himmelfahrt ist ein Tag zum Feiern, zum Freuen, zum befreiten Lachen. Kein Witz. Sondern ein heiteres Fest. Ein Moment zum Aufatmen. Ein Grund, die Augen zum Himmel zu erheben, um gesegnet zu werden.

Humor hat sie nicht, die historisch-kritische Exegese, die wie eine strenge Gouvernante erklärt, was sich alles nicht schickt, weil es nicht zum modernen Weltbild passt: die Auferstehung, die Erhöhung, die Himmelfahrt, der Glaube, die bunten Bilder, die das Volk verdummen würden.

Aber Christi Himmelfahrt ist ein Tag zum Feiern, zum Freuen, zum befreiten Lachen. Kein Witz. Sondern ein heiteres Fest. Ein Moment zum Aufatmen. Ein Grund, die Augen zum Himmel zu erheben, um gesegnet zu werden. "Der Tod ist tot, das Leben lebt", hat Silja Walter gedichtet – und wie wahr dieses Wort ist, wird durch die Himmelfahrt vor Augen geführt. Lukas, der beste Erzähler unter den Evangelisten, hat sie am Ende seines Evangeliums und dann, weil die Geschichte so schön ist, noch einmal am Anfang seines zweiten Buches geschildert.

Am Ende des Evangeliums schließt die Himmelfahrt den Ostertag ab und in der Apostelgeschichte den heiligen Zeitraum von vierzig Ostertagen, bevor mit Pfingsten etwas Neues beginnen kann: das öffentliche Glaubenszeugnis all derer, die Gottes Geist inspiriert, sich zu Jesus zu bekennen. Allein dieses literarische Timing macht klar, dass eine historistische Erklärung zu kurz greift, sollte sie zu einem positiven oder zu einem negativen Urteil über den geschichtlichen Gehalt kommen wollen.

Aber ein Mythos ist die Erzählung nicht – und ebenso wenig ein Anti-Mythos. Zwar gehört zur hellenistischen Herrscher-Idealisierung die Apotheose: die Hinaufnahme des mächtigen Mannes aus der irdischen Niedrigkeit in die himmlische Herrlichkeit. Von Romulus wird es erzählt, von Alexander dem Großen, von Augustus … und dann von weiteren römischen Imperatoren. Bei den antiken Historikern und Philosophen lösen die Geschichten Hohn und Spott aus: weniger wegen des Volkes, das sich gern blenden lässt, als wegen der Propagandisten, die unfreiwilligen Humor erzeugen, wenn sie ihre irdischen Helden in den Himmel heben wollen.

Dieser Messias steht außer Konkurrenz

Lukas ist über solche Zweifel erhaben. Der Zweifel ist Teil seiner Geschichte – und, mehr noch, die Fixierung auf ein Spektakel: "Was schaut ihr zum Himmel?", werden die Apostel von Engeln gefragt (Apg 1,9).  Sie sollen anfangen, ihre Arbeit zu tun: nämlich zu missionieren und Jesus als Christus bezeugen. Dieser Messias steht außer Konkurrenz. Er übertrumpft nicht antike Herrscher. Er spielt in seiner eigenen Liga. Er ist wirklich gestorben und lag wirklich im Grab – und ist wirklich von den Toten erstanden. Deshalb baut er keinen Gottesstaat auf, wie es die Apostel erhofft haben (Apg 1,6), sondern sammelt Gottes Volk unter allen Völkern: durch die Apostel und alle, die mit ihnen zusammen sind, weil der Himmel über ihnen nicht leer steht, sondern von Jesus erfüllt ist, der Gottes Heil vermittelt.

Die Engelsbotschaft von Christi Himmelfahrt öffnet die Augen für das, was ist und was wird: die Wiederkunft Christi: "Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen" (Apg 1,11). Gegenwart und Zukunft gehören Gott – und Gott zeigt das Gesicht Jesu. Die Parusie ist in der urchristlichen Eschatologie, deren Dialektik oft unterschätzt wird, nicht der Tag X der Weltgeschichte, sondern in archaischen Bildern der welterschütternde Moment der alles entscheidenden Begegnung mit Gott: dort wo das irdische Leben endet, aber mit ihm auch der irdische Tod – und das ewige Leben beginnt.

Diese eschatologische Hoffnung lässt die Verbindung zu alttestamentlichen und frühjüdischen Heiligen- und Prophetenbiographien entstehen, die in der Bibel auf Erden nicht zu Ende erzählt sind, sondern in den Himmel führen, weil Gott mit diesen Menschen noch etwas vorhat: Henoch ist einer (Gen 5,24), der in frühjüdischen Schriften die apokalyptischen Geheimnisse der Heilsgeschichte bewahrt, und vor allem Elija der andere, der auf dem Feuerwagen in den Himmel fährt (2 Kön 2,11-12; Sir 48,9), um bei seiner Wiederkunft die Zeit der Versöhnung einzuleiten, die Ära des Messias  (Mal 3,22-23).  Auch Henoch und Elija sind in den biblischen Erzählwelten nicht gestorben – aber Jesus ist es, und zwar in der Erzählung und im Glaubensbekenntnis, weil in der Geschichte.  Darin, im wahren Menschsein einschließlich des Sterbens, ist der qualitative Unterschied begründet: zwischen einem und dem Propheten, der die Zeitenwende nicht nur ankündigt, sondern verwirklicht.

Weil der Tod Jesu real ist, was sich historisch nachprüfen und bestätigen lässt, deshalb auch die Auferweckung oder Auferstehung, was sich historisch nicht nachprüfen und also weder bestätigen noch widerlegen lässt, weil es per definitionem die Grenzen von Raum und Zeit übersteigt.

Das gilt auch für Christi Himmelfahrt. Die genaue Entsprechung im Bekenntnis ist die "Erhöhung". Die neutestamentlichen Lesungen der Liturgie machen es im Lob Gottes klar: "… den er von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat, hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften" (Eph 1,20-21). Im Credo braucht es die Metapher, eine hoch verdichtete Bild-Geschichte: weil es immer nur menschliche Worte, menschliche Gedanken menschliche Prozesse sein können, die Gottes Geheimnis ausdrücken, aber Gott sich nicht entzieht, sondern auf menschliche Weise offenbart. Gleichnisse, Symbole, Riten sind authentische Sprache des Glaubens.

Die "Erhöhung" stellt die Inthronisation vor Augen, die Erhebung eines Mit-Regenten. In der Antike ist sie ein Stück politischer Theologie: Der Regent ist höher als diejenigen, die er regiert: näher am Himmel, näher am Göttlichen. Durch die biblische Königstheologie wird diese Herrscherideologie entmythologisiert, gerade dort, wo der König messianisch verstanden wird, wie in Ps 110. "David", prophetisch inspiriert, hört, was Gott, der Herr, zu seinem Herrn sagt, dem König aller Könige: "Setze dich mir zur Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße." Kein König dieser Welt darf sich eine solche Rede anmaßen – aber keine Anmaßung widerlegt das Bekenntnis, dass Gott diejenigen erhöht, die sich erniedrigen, und diejenigen erniedrigt, die sich erhöhen – und all diejenigen, die denen Demut empfehlen, die sie in ihrer eigenen Macht gefährden könnten (Lk 14,11; 18,14).

Jesus ist nicht mehr an die Grenzen von Raum und Zeit gebunden. Er ist in Gottes Liebe gegenwärtig, vom Himmel aus, in Menschen, durch Menschen und mit Menschen, die ihm glauben.

Die Erhöhung Christi bringt im urchristlichen Glauben zum Ausdruck, dass die Auferstehung keineswegs nur bedeutet, die Sache Jesu gehe weiter. Sie macht klar, dass es um weit mehr als nur um die Rettung und Rechtfertigung Jesu geht (um die es auch geht). Die Auferweckung ereignet sich "im Zuge der Erhöhung" (Heinrich Schlier). Jesus gewinnt Anteil an Gottes Allmacht (Eph 4,6: Ps 68,19). Er wirkt über seinen Tod hinaus – wie und als Jesus. Er ist nicht mehr an die Grenzen von Raum und Zeit gebunden. Er ist in Gottes Liebe gegenwärtig, vom Himmel aus, in Menschen, durch Menschen und mit Menschen, die ihm glauben.

Keine Einbildung, sondern Offenbarung

Was der Glaube bekennt, erzählt der Evangelist. "Er wurde in den Himmel hinaufgetragen" (Lk 24,51) – wie das geschieht, malt Lukas nicht aus. Dass es geschieht, muss reichen. "Er wurde vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken", ist die Apostelgeschichte etwas anschaulicher (Apg 1,9) und bringt vor allem das subjektive Moment ein: die Wahrnehmung der Apostel. Für Lukas ist sie keine Einbildung, sondern eine Offenbarung. Die Himmelfahrt Christi ist eine Epiphanie: ein Aufscheinen Gottes in der Welt, ein Durchscheinen des Ewigen im Endlichen, ein Erscheinen des Himmlischen im Irdischen.

Ist deshalb das Himmelfahrtsevangelium nur eine narrative Einkleidung des Credos? Eher ist das Credo der theologische Ausdruck für den Abschluss des Ostergeschehens, das kein Ende, sondern ein neuer Anfang ist. Weggehen, um wiederzukommen – das ist die Osterbotschaft, die Jesus nach dem Johannesevangelium im Abendmahlssaal seinen Jüngern mit auf den Weg gibt (Joh 14). Hinaufgetragen zu werden, um gegenwärtig sein zu können; von einer Wolke aufgenommen zu werden, um aus dem Geheimnis Gottes heraus offenbar sein zu können; den Augen entzogen zu werden, um neu gesehen werden zu können – das ist das Evangelium in der Himmelfahrt Christi.

Der Glaube, dass die Visionen dessen, der gestorben und auferstanden ist, keine Illusionen oder Projektionen, sondern Inspirationen sind, die sich Gott selbst verdanken, gehört zu den historischen Fakten des Urchristentums, die unbezweifelbar sind.

Und die historische Referenz? Mehr als der lebendige Auferstehungsglaube, der sich selbst zur Anschauung bringt? Mehr als eine mystische Erfahrung im Kreis der Apostel? Nach Lk 24 ist die Zeit der Trauer vorbei; die Osterfreude soll beginnen. Nach Apg 1 ist die Zeit der Erscheinungen Jesu vorbei; die Mission der Kirche soll beginnen (Apg 2). Das Gegenüber zu den österlichen Erscheinungen liefert im Lukasevangelium wie in der Apostelgeschichte den Schlüssel, um den Wirklichkeitsbezug der Texte zu erkennen. Der Glaube, dass die Visionen dessen, der gestorben und auferstanden ist, keine Illusionen oder Projektionen, sondern Inspirationen sind, die sich Gott selbst verdanken, gehört zu den historischen Fakten des Urchristentums, die unbezweifelbar sind. Die Himmelfahrtgeschichte markiert eine Wende, die auch Paulus kennt – um sich dann als Apostel der Ausnahme (Erik Peterson) zu Wort zu melden (1 Kor 15,1-11). Dass diese Wende durch Erzählen zum Ausdruck gebracht und selbst als Moment der Ostergeschichte gestaltet wird, hält genau die Balance zwischen dem, was unwirklich echt, unglaublich gut und unwahrscheinlich wahr ist.

Die Himmelfahrtbilder in den Kirchen, naiv oder hohe Kunst, sind nicht fotorealistisch, sondern ikonisch: Sie machen den Kirchenraum durchsichtig für jene Gottesgeschichte, die jede Zeit und Ewigkeit prägt. Sie spiegeln die Gemeinde in einem Gotteslicht, das ihren Horizont ins Unendliche weitet. Wenn die Köpfe der Apostel unter der Kanzel nach oben gehen, dann steht auch zu hoffen, dass die Köpfe derer, die von den alten und neuen Kanzeln an Christi Himmelfahrt das Wort Gottes verkündet bekommen, nach oben gezogen werden: zu Jesus, der oben ist, damit die Menschen unten in Freiheit für Gott wirken, und wiederkommen wird, damit vollendet wird, was auf Erden nicht zu heilen war.

COMMUNIO im Abo

COMMUNIO will die orientierende Kraft des Glaubens aus den Quellen von Schrift und Tradition für die Gegenwart erschließen sowie die Vielfalt, Schönheit und Tiefe christlichen Denkens und Fühlens zum Leuchten bringen.

Zum Kennenlernen: 1 Ausgabe gratis

Jetzt gratis testen