25 Jahre "Dominus Jesus": Ist Jesus Christus der einzige Weg?Podcast mit Kardinal Kurt Koch

Vor 25 Jahren schlug die Erklärung "Dominus Iesus" hohe Wellen: zu triumphalistisch, zu exklusiv, zu unsensibel – so lautete die Kritik. Kardinal Kurt Koch zieht im Gespräch mit COMMUNIO-Schriftleiter Jan-Heiner Tück Bilanz: über verpasste Chancen, bleibende Missverständnisse und die aktuelle Dringlichkeit, Christus kompromisslos ins Zentrum zu stellen.

Kardinal Kurt Koch
© Kathpress/Henning Klingen

Vor 25 Jahren erschien mit "Dominus Iesus" eine bis heute umstrittene "Erklärung über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche". Im COMMUNIO-Podcast "Communicatio" spricht Jan-Heiner Tück mit dem Präsidenten des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, über die zentralen Streitpunkte, die bis heute den Diskurs über das Dokument begleiten, sowie die Folgen für die Ökumene. Heute, ein Vierteljahrhundert später, stellt sich die Frage: Wie aktuell sind die Aussagen von "Dominus Iesus" in einer globalisierten Welt? Welche Konsequenzen ergeben sich für den interreligiösen Dialog und die ökumenischen Beziehungen?

Jan-Heiner Tück: Wenn Sie auf die 25 Jahre seit der Erklärung "Dominus Iesus" zurückblicken, welche Herausforderungen bestanden damals und welche Intention hatte das Dokument?

Kardinal Kurt Koch: Die Hauptintention von Papst Johannes Paul II. war es, in der Mitte des Heiligen Jahres 2000 ein klares Bekenntnis zu Jesus Christus abzulegen. Dieser Teil des Dokuments ist allerdings in unseren Breitengraden wenig rezipiert worden. Von "Dominus Iesus" ist vor allem der Abschnitt über die Kirche beachtet worden. Er hat heftige Reaktionen im ökumenischen Dialog ausgelöst. Es hat zwar auch sehr positive Reaktionen gegeben, zum Beispiel vom damaligen Präsidenten der reformierten Kirche in Zürich. Sein erster Kommentar: "Wir können nur dankbar sein, dass der Papst dasselbe sagt, wie wir reformierten Christen: Solus Christus" – Jesus Christus ist der Herr, der Sohn des lebendigen Gottes. Diese christologische Dimension der Erklärung ist aber in der Rezeption eher untergegangen und steht an zweiter Stelle. An erster Stelle hat die ökumenische Rezeption gestanden.

Wahrheitsansprüche abrüsten?

Tück: In den Neunzigerjahren wurde die pluralistische Religionstheologie von John Hick, Paul Knitter und anderen sehr breit diskutiert. Um der faktischen Pluralität der Religionen auch theologisch zu entsprechen, votierte diese Richtung für eine dogmatische Abrüstung, um nicht zu sagen: für eine Deabsolutierung der Christologie. Hier setzt "Dominus Iesus" einen Kontrapunkt und stellt heraus, dass sich das Geheimnis Gottes in der Person Jesu Christi ein für alle Mal geoffenbart hat. Das ist als triumphalistisch kritisiert worden. Zurecht?

Koch: Wir Christen stellen mit Recht Jesus Christus in den Mittelpunkt. Das ist unsere innerste Identität. Die Frage ist, in welcher Art und Weise das getan wird. Diesbezüglich ist ein solcher Text wie "Dominus Iesus" ein allgemeines Dokument der Universalkirche. Der Dialog sieht anders aus, wenn man konkret und dialogisch mit einer anderen Religion im Gespräch ist, als wenn man allgemein darlegt, was im Dialog mit anderen Religionen gesagt werden muss. Diesen Charakter des Dokumentes muss man berücksichtigen, um ihm gerecht werden zu können.

"Nicht selten sind diejenigen, die sich Rechenschaft darüber abgeben, welche Wahrheitsansprüche sie vertreten, weniger von überzogenen Ansprüchen gefährdet als diejenigen, die vorgeben, man dürfe keine solche Ansprüche haben."

Tück: Trotzdem gibt es ja gerade auch in der Welt der Religionsintellektuellen Vorbehalte gegenüber dogmatischen Wahrheitsansprüchen. Ich denke etwa an den Vorstoß von Jan Assmann, der gesagt hat, in einer globalisierten Welt müssten die Religionen ihre Wahrheitsansprüche abrüsten und auf die praktischen Früchte achten. Warum stimmt "Dominus Iesus" diesem Vorstoß nicht zu?

Kardinal Koch: Die praktischen Früchte und die Wahrheiten, aus denen die praktischen Früchte folgen, kann man nicht voneinander trennen. Ich stelle immer wieder fest, dass diejenigen, die dogmatische Wahrheitsansprüche infrage stellen, dies selbst mit einem großen Wahrheitsanspruch tun. Mir kommt dann die Aussage von Gilbert Chesterton in den Sinn: "Alle Menschen haben Dogmen; der Unterschied besteht nur darin, dass die einen es wissen und die anderen nicht." Nicht selten sind diejenigen, die es wissen und sich Rechenschaft darüber abgeben, welche Wahrheitsansprüche sie vertreten, weniger von überzogenen Ansprüchen gefährdet als diejenigen, die vorgeben, man dürfe keine solchen Ansprüche haben.

Tück: Schauen wir uns trotzdem ein paar Formulierungen an, die damals bemängelt wurden, etwa die, dass in den nicht-christlichen Religionen letztlich nur innere Überzeugungen da seien, während im Christentum echter Glaube, theologaler Glaube, bestimmend sei. Das hat man als abschätzige Attitüde kritisiert, die dem Selbstverständnis anderer Religionen nicht gerecht werde.

Koch: Man muss unterscheiden, was das Christentum über sich selber sagt, und was es über andere sagt. Die Schwierigkeit des Dokumentes besteht vielleicht darin, dass es nicht selbst einen Dialog mit anderen Religionen führt; dies würde wahrscheinlich auch die Sprache verändern. Von daher kann man "Dominus Iesus" auch als eine Einladung verstehen, auf dem Hintergrund der Grundüberzeugung des christlichen Glaubens in einen konkreten Dialog mit einzelnen Religionen zu treten. Dann wird es sich herausstellen, inwiefern die Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens im Dialog bewährt werden.

"Sobald man ein klares Bekenntnis ablegt, vertritt man nicht irgendeine vage Theorie in dem Sinne, dass Jesus möglicherweise der Herr sein könnte. Christen sind vielmehr überzeugt, dass er der Herr ist."

Tück: Der Titel "Dominus Iesus" bezieht sich auf eine Aussage im ersten Korintherbrief. "Jesus ist der Herr." Mit dem Wörtchen "ist" ist eine ontologische Dimension verbunden, also die These, dass die Wirklichkeit Gottes ein für alle Mal in der Person und Geschichte Jesu aufleuchtet, ja die ganze Fülle in ihm wohnt. Die Strömungen der pluralistischen Religionstheologie stellen die ontologische Dimension der Theologie infrage. Nun stehen wir gerade im 1700-Jahre-Jubiläum des Konzils von Nizäa, das ja ausdrücklich auch eine ontologische Sprache bemüht, wenn es den Begriff der Homoousie (Wesensgleichheit) wählt, um den Sohn auf dieselbe Stufe mit dem Vater zu stellen. Würden Sie sagen, dass "Dominus Iesus" hier allen anti-metaphysischen Tendenzen zum Trotz der dogmatischen Christologie und ihrem ontologischen Anspruch Rückhalt gewährt?

Koch: Ja, ganz sicher. Ich bin überzeugt, dass man sowohl bei der Darlegung des Glaubens als auch im interreligiösen Dialog nicht auf ontologische Aussagen verzichten kann. Sobald man ein klares Bekenntnis ablegt, vertritt man nicht irgendeine vage Theorie in dem Sinne, dass Jesus möglicherweise der Herr sein könnte. Christen sind vielmehr überzeugt, dass er der Herr ist. Die Art und Weise, wie dies im Gespräch vermittelt wird, liegt dann freilich auf einer anderen Ebene. Ich denke ganz allgemein, dass heute eine Rehabilitierung der Ontologie angezeigt ist, was uns auch vom Konzil von Nizäa nahegelegt wird.

Die Kirche und das Judentum

Tück: "Dominus Iesus" hat die besondere Bedeutung des Judentums außer Acht gelassen. Man könnte geradezu von einer strukturalen Israel-Vergessenheit des Dokuments sprechen. Fällt es damit nicht hinter das Zweite Vatikanische Konzil und seine Erklärung "Nostra Aetate" zurück, wo die wurzelhafte Verbundenheit von Israel und Kirche herausgestellt wurde?

Koch: Ich habe vielmehr den Eindruck, dass man das Judentum in diesem Zusammenhang nicht erwähnen wollte, weil der christlich-jüdische Dialog nicht einfach ein interreligiöser Dialog wie die anderen ist. Denn die Beziehung der Kirche zum Judentum ist einzigartig, wie dies Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in der römischen Synagoge zum Ausdruck gebracht hat: Unsere Beziehung ist nicht extrinsezistisch, sondern intrinsezistisch. Hätte man in "Dominus Iesus" auch das Judentum behandelt, hätte man ihm wahrscheinlich vorgeworfen, dass es im Kontext des Religionspluralismus nivelliert worden wäre. Ich vermute, dass man ein solches Missverständnis vermeiden wollte, zumal Papst Johannes Paul II. und Kardinal Joseph Ratzinger dem Judentum eine große Wertschätzung entgegengebracht haben.

Evangelische Kirchen: "eigentlich" keine Kirchen?

Tück: Im Dokument findet sich die Aussage, dass die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen "nicht im eigentlichen Sinne" Kirche seien. Ist das nicht eine ökumenisch unsensible Sprache?

Koch: Die Schwierigkeit ist dann gegeben, wenn die katholische Kirche nicht nur sagt, wie sie sich selbst versteht, sondern im Licht des Selbstverständnisses auch die anderen definiert. Der erste Teil ist richtig und völlig unbedenklich, während der zweite Teil negative Reaktionen hervorrufen kann. Hier liegt zunächst ein linguistisches Problem vor. Denn das Wort "eigentlich" ist im Deutschen eigentlich ein schwieriges Wort. Manchmal wird es verwendet, um das Gegenteil von dem zu sagen, was man eigentlich meint. Wenn zum Beispiel die Kinder vor dem Fernsehen sitzen und die Mutter sagt, "eigentlich" müssten sie Hausaufgaben machen, bedeutet es gerade die Bewilligung, weiter Fernsehen zu schauen. Hinzu kommt, dass man die Aussage in "Dominus Iesus" dahingehend missverständen hat, dass die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen "eigentlich" keine Kirchen sind. Die lateinische Sprache weist hier den besseren Weg: "sensu proprio" bedeutet: nicht in dem Sinn, wie die katholische Kirche sich selbst versteht. Diesbezüglich kenne ich keinen Protestanten, der dies verneinen würde. Denn sie wollen nicht so Kirche sein wie die katholische Kirche.

"So wie sich der Sohn Gottes einmal in der menschlichen Natur inkarniert hat, so subsistiert die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche."

Tück: Im Hintergrund steht auch die dornige Frage, wie die Formel "subsistit in" zu interpretieren sei. Der Tübinger evangelische Theologe Eberhard Jüngel hat damals gesagt: So, wie der eine Gott in drei Personen, also als Vater, Sohn und Heiliger Geist, subsistiert, so könne man doch auch sagen, dass die eine Kirche in den drei Konfessionsfamilien – katholisch, orthodox, evangelisch – subsistiere. Warum geht das Dokument hier andere Wege?

Koch: Zunächst möchte ich noch einen Nachtrag zum Kirchenbegriff anfügen. Es gibt im Protestantismus in der Tat eine Linie, die den Kirchenbegriff für sich selbst ablehnt: diese Linie geht hin bis zu Karl Barth, der in seiner "Einführung in die evangelische Theologie" noch in den sechziger Jahren geschrieben hat, dass dieser Begriff tunlichst vermieden werden sollte – ausgerechnet Karl Barth, der eine "Kirchliche Dogmatik" verfasst hat. Nun aber zu Ihrer Frage: Eberhard Jüngel hat in der Tat die konziliare Aussage des "subsistit in" trinitätstheologisch ausgelegt in dem Sinn: Wie es im einen Wesen Gottes drei Personen gibt, so sind die verschiedenen Konfessionen als Ausfaltungen der einen Kirche zu verstehen. Das Zweite Vatikanische Konzil versteht aber in "Lumen gentium" Nr. 8 die Formel "subsistit in" nicht von der Trinität her, sondern christologisch: So wie sich der Sohn Gottes einmal in der menschlichen Natur inkarniert hat, so subsistiert die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche. Insofern liegt bei Jüngel eindeutig ein Missverständnis vor wie auch in der katholischen Theologie bei Leonardo Boff, der die Formel ebenfalls trinitätstheologisch interpretiert hat. Das Konzil jedoch hat eine wichtige christologische Aussage gemacht, und diese gilt es auch heute neu zu bedenken.

"Die katholische Kirche ist der Überzeugung, dass es die eine Kirche Jesu Christi gibt und dass sie in ihr subsistiert. Demgegenüber vertreten vorwiegend protestantische Theologen die Meinung, dass die eine Kirche unsichtbar sei, dass sie sich aber in den verschiedenen kirchlichen Realitäten manifestiere. Andere Theologen gehen so weit, dass sie behaupten, dass alle vorhandenen Kirchen zusammen die eine Kirche bilden würden."

Tück: Dennoch ist ja die Formel "subsistit in" mit einer gewissen ökumenischen Öffnung verbunden. Es wird kein Exklusivismus vertreten, sondern es wird gesagt, dass in den nicht-katholischen Kirchen auch Elemente der Wahrheit und Heiligung vorhanden seien. Hat man diese Öffnung vielleicht in "Dominus Iesus" zu wenig akzentuiert?

Koch: Der Abschnitt über die Kirche in "Dominus Iesus" ist sehr kurz formuliert, und dies hat zu vielen Missverständnissen geführt. Die Öffnung auf andere Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hin hätte weiter entfaltet werden können, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Ökumene-Enzyklika "Ut unum sint" betont hat, dass es außerhalb der Katholischen Kirche kein kirchliches Vakuum gibt. Dass das Konzil keinen Exklusivismus vertritt, hätte vielleicht deutlicher formuliert werden können. Ich möchte aber auf das Problem, das hinter vielen Missverständnissen verborgen liegt, hinweisen, weil es die ökumenische Grundfrage berührt: Gibt es überhaupt die eine Kirche und wo ist sie zu finden? Die katholische Kirche ist der Überzeugung, dass es die eine Kirche Jesu Christi gibt und dass sie in ihr subsistiert. Demgegenüber vertreten vorwiegend protestantische Theologen die Meinung, dass die eine Kirche unsichtbar sei, dass sie sich aber in den verschiedenen kirchlichen Realitäten manifestiere. Andere Theologen gehen so weit, dass sie behaupten, dass alle vorhandenen Kirchen zusammen die eine Kirche bilden würden. Darin besteht die ökumenische Grundfrage, die hinter "Dominus Iesus" steht und die heute nach wie vor kontrovers behandelt wird. Sie muss auch heute weiter vertieft werden.

Christus im Mittelpunkt

Tück: … die Provokation besteht darin zu sagen, die eine Kirche ist nicht in Fragmente zerbrochen, sie ist nicht zersplittert trotz der historischen Kirchenspaltungen. Sie ist nach wie vor da, in der katholischen Kirche, wenngleich sie auch verwundet ist. Da gibt es ja das Konzept des Austausches der Gaben, sodass Katholiken durch die anderen auch lernen können, besser und vollumfänglicher katholisch zu sein. Papst Leo XIV. hat in einer seiner ersten Predigten gesagt, es sei an der Zeit, "den Primat Jesu Christi in der Verkündigung wiederzugewinnen". Könnte "Dominus Iesus" ein Vehikel sein, diesem päpstlichen Anliegen zu entsprechen?

Koch: Ja, dem stimme ich ganz zu. Und ich bin Papst Leo XIV. dankbar für seine Aussage, dass Jesus Christus wiederum in den Mittelpunkt gestellt werden soll. Diese Wegweisung kann vieles von dem, was die kirchliche Diskussion heute dominiert, relativieren. Sich wieder neu auf die christologische Mitte des christlichen Glaubens zu besinnen, ist ein dringendes Gebot der heutigen Stunde, wenn ich beispielsweise an die Kirchenmitgliedschaftsstudie denke, die vor ein paar Jahren in Deutschland gemacht worden ist. Der Aussage "Ich glaube an einen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat", haben bloß 32 Prozent der Kirchenmitglieder zugestimmt. Dies ist eigentlich ein Alarmzeichen, das man sensibel wahrnehmen und daraus Konsequenzen ziehen muss: Wie können wir heute den innersten Kern des christlichen Glaubens wieder neu zum Leuchten bringen? Dieses Anliegen ist ja auch im Leitwort von Papst Leo XIV. gut aufgehoben: "In illo uno unum". Das Wort stammt vom heiligen Augustinus und bedeutet: Wir sind zwar viele und wir sind verschieden – aber in ihm – in Christus – sind wir eins. Dieses Leitwort gilt auch in ökumenischer Hinsicht, dass wir desto mehr untereinander eins werden, je mehr wir in Christus eins sind. Das 1700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nizäa ist eine günstige Gelegenheit, sein Christusbekenntnis in ökumenischer Gemeinschaft uns neu anzueignen.

"Gerade in pluralistischen Gesellschaften braucht es klare Identitäten auch im Glauben. Wenn die Menschen nämlich keine religiöse Identität haben, dann kommt es zumeist zu einer Addition von Monologen."

Tück: Zugleich leben wir heute, 25 Jahre nach der Veröffentlichung von "Dominus Iesus", in Gesellschaften, die religiös noch pluraler, teilweise auch säkularer sind, in denen nichts zu fehlen scheint, wo Gott fehlt (Jan Loffeld). Wie kann man hier das Bekenntnis zur Einzigkeit und Heilsuniversität Jesu Christi werbend ins Gespräch bringen, ohne den Vorbehalt des Triumphalismus zu bedienen?

Koch: Man kann Jesus Christus als die Mitte des Lebens nur bezeugen, wenn man selbst davon überzeugt ist, was man verkündet und dies in Demut vollzieht. Gerade der christliche Glaube hat in sich keine Neigung zu einer triumphalistischen Verhaltensweise, denn er ist ein kenotischer Glaube: Gott selbst entäußert sich und wird in seinem Sohn Mensch, um unter uns Menschen zu sein. Er ist allerdings Mensch geworden nach der von Gott gewollten Art des Menschen und nicht nach der sattsam bekannten menschlichen Unart. Diese Glaubensüberzeugung, dass von Gott her in Jesus Christus eine unüberbietbare Neuheit in die Welt gekommen ist, dürfen und sollen wir in die Welt hineintragen, als einladendes Angebot und Geschenk. Gerade in pluralistischen Gesellschaften braucht es klare Identitäten auch im Glauben. Wenn die Menschen nämlich keine religiöse Identität haben, dann kommt es zumeist zu einer Addition von Monologen. Ein wirklicher Dialog über die Wahrheit des Glaubens hingegen setzt Identität voraus und vollzieht sich in gegenseitiger Offenheit füreinander.

Tück: … sodass man vielleicht sagen könnte, dass die Rückbesinnung auf Jesus Christus und die Intensivierung der Nachfolgepraxis auch etwas ökumenisch Verbindendes in Zeiten religiöser Pluralität und wachsender Säkularisierung sein könnten.

Koch: Ja, in der Tat. Auch in dieser Hinsicht kann in der heutigen Situation die Rückbesinnung auf das Konzil von Nizäa sehr hilfreich sein. Es hat im Jahre 325 und damit in einer Zeit stattgefunden, in der die Christenheit noch nicht von so vielen späteren Spaltungen verwundet gewesen ist. Sein Christusbekenntnis verbindet deshalb alle christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Es hat mich beispielsweise sehr berührt, dass bei der 500-Jahr-Feier der Mennoniten in Zürich im Gottesdienst dieses Bekenntnis rezitiert worden ist. Es wäre ein ökumenisch schönes Zeichen, wenn alle Christen und Kirchen dieses Bekenntnis heute gemeinsam sprechen würden, um so den innersten Kern des christlichen Glaubens zu verlebendigen. Diesem Anliegen bleibt auch "Dominus Iesus" verpflichtet.

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